Betrachtungstext: 1. Adventsonntag (C)

Jeden Tag neu beginnen – Gestützt auf die Gnade Gottes – Uns bekehren im Vertrauen auf seine Hilfe

HEUTE beginnt die Adventszeit, eine Zeit der Erwartung, weil wir wissen: Die Ankunft Jesu steht bevor. Die Liturgie dieses Sonntags lädt uns ein, unser Leben im Hinblick auf dieses Kommen des Herrn zu überdenken: „Herr, unser Gott, alles steht in deiner Macht; du schenkst das Wollen und das Vollbringen. Hilf uns, dass wir auf dem Weg der Gerechtigkeit Christus entgegengehen und uns durch Taten der Liebe auf seine Ankunft vorbereiten, damit wir den Platz zu seiner Rechten erhalten, wenn er wiederkommt in Herrlichkeit.1 Unser ganzes Leben ist eine Zeit der Erwartung, der Hoffnung auf den großen Tag, an dem Jesus kommen wird, um uns zu sich zu holen. Die Weisheit der Kirche lässt uns daher in Vorbereitung auf diese Begegnung Gott um eine größere Sehnsucht bitten, gute Werke zu vollbringen.

Im heutigen Evangelium hören wir aus dem Munde Jesu: Richtet euch auf und erhebt eure Häupter; denn eure Erlösung ist nahe (Lk 21,28). Gott hat uns diese Welt als Erbe hinterlassen, er möchte, dass wir uns um die Seinen kümmern, er ermutigt uns, in unserem Leben und um uns herum Gutes zu säen. Eines Tages wird der Herr wiederkommen, und welche Freude werden wir dem Herzen Christi bereiten, wenn wir ihm an diesem Tag entgegengehen! Bis es soweit ist, wollen wir wachsam sein, denn wir kennen weder den Tag noch die Stunde.

Vor Jesus, der mit Liebe auf uns blickt, können wir die Größe des Vertrauens Gottes betrachten, der uns an seiner Sendung teilhaben lässt. Dieser Advent kann eine gute Gelegenheit sein, um über die Aufgaben nachzudenken, die der Herr uns anvertraut hat, und zu sehen, wie wir sie erfüllen. Vielleicht werden wir neben der Dankbarkeit für so viele Freuden auch erkennen, dass wir bestimmte Aspekte vernachlässigt haben. Heute können wir beschließen, bei diesen Punkten neu anzufangen, indem wir dem Rat folgen, den der heilige Josefmaria oft gegeben hat: „Neu beginnen? Ja, neu beginnen. Ich ‒ und ich stelle mir vor, auch du ‒ beginne jeden Tag neu, jede Stunde, jedes Mal, wenn ich einen Akt der Reue vollziehe, beginne ich neu.2


WACHT UND BETET allezeit (Lk 21,36). Die Ermahnung des Herrn im Tagesevangelium mag uns allzu dringlich erscheinen, doch liegt darin nicht eine Wahrheit? Das Leben ist kurz, die Zeit verfliegt rasch, und es kann geschehen, dass in dem hektischen Tempo, dem wir oft ausgesetzt sind, wesentliche Aspekte unseres Daseins in den Hintergrund treten. Der Herr möchte bei uns sein, er sehnt sich danach, dass wir ihn nicht vergessen, und deshalb klopft er immer wieder bei uns an. Die Aufforderung, wachsam zu sein, ist Ausdruck dieses göttlichen Verlangens; sie ist eine Art und Weise, uns wachzurütteln, wenn wir geistig etwas schläfrig geworden sind oder von einer Fülle von Dingen, die alle wichtig zu sein scheinen, in Anspruch genommen werden. Jesus lädt uns ein, das Wesentliche des Lebens auszukosten.

Wacht! Der Herr ruft uns liebevoll dazu auf, unser Verlangen nach Heiligkeit zu erneuern und alles, was nötig ist, auf Gott hinzulenken. In der zweiten Lesung der Messe erinnert uns der heilige Paulus daran, dass unser Streben nach Heiligkeit nicht nur von unseren eigenen Anstrengungen abhängt, sondern ein Werk Gottes ist: Der Herr lasse euch wachsen und reich werden in der Liebe zueinander und zu allen, wie auch wir euch lieben (1 Thess 3,12).

Uns ist göttliche Hilfe zuteilgeworden. Wir sind bereichert worden. Jesus ruft uns zur Gemeinschaft und bietet uns überraschenderweise sich selbst als Gabe an, damit wir dieses neue Leben erfahren können. Während wir uns äußerlich und innerlich auf die Geburt des Christkindes vorbereiten, wollen wir diese Wahrheiten bedenken. Der Herr möchte uns mit seiner Gnade überhäufen: mit seiner Liebe, Barmherzigkeit, Zärtlichkeit, Demut, Kraft und Erkenntnis. Diese Adventszeit ist eine Gelegenheit, uns für diese Gnade zu öffnen und sie von Herzen anzunehmen. Auf diese Weise wird die beste Version von uns selbst hervortreten, das beste Ich eines jeden von uns.


UNSER LEBEN ist ein wunderbares Geschenk Gottes. In dieser besonderen Gnadenzeit erinnert uns die Kirche immer wieder an diese Wahrheit: Dein Leben ist ein großer Reichtum; der Herr überschüttet dich mit Gaben und will dein Dasein zu etwas sehr Schönem machen; schau es dir an, überlege es dir langsam: Ist es nicht wahr, dass es sich lohnt? Hast du nicht erfahren, dass Gott mehr wert ist als andere Dinge, die die Liebe ersticken oder verringern, die schmerzen und abstoßen? Der Prälat des Werkes lädt uns ein, den Blick zu erheben: „In einer Gesellschaft, die oft zu sehr auf das Wohlbefinden bedacht ist, hilft uns der Glaube, den Blick zu erheben und die wahre Dimension unseres Lebens zu entdecken. Wenn wir Botschafter des Evangeliums sind, wird unser Weg auf dieser Erde fruchtbar sein.33 Den Blick himmelwärts richten; die wahre Dimension unseres Lebens entdecken; auf unserem irdischen Weg Spuren hinterlassen und Früchte hervorbringen. Dies könnte ein inspirierendes Programm für die Adventszeit sein. In dem Wunsch, dass dies in jedem von uns Wirklichkeit wird, können wir mit den Worten des Psalms zum Herrn beten: Zeige mir, Herr, deine Wege, lehre mich deine Pfade! (Ps 25,4)

Bekehrung ist vor allem eine Gnade: Sie ist Licht, um zu sehen, und Kraft, um zu wollen. Wir möchten Gott ins Angesicht schauen, damit er uns rettet. Wir erkennen, dass unsere Grenzen uns nicht einschränken, sondern dass unsere Stärke in der unendlichen Kraft Gottes liegt. Herr, unser Vertrauen ruht auf dir. Wir müssen es aussprechen, denn Gott achtet unsere Freiheit sehr und wartet darauf, dass wir ihn an unserem Leben teilhaben lassen. Wenn wir ihn darum bitten, wenn wir auf seine Worte hören und uns bemühen, sie in die Tat umzusetzen, wenn wir die schwierigsten Aufgaben in seine Hände legen und versuchen, diejenigen zu bewältigen, die in unserer Reichweite liegen, können wir sicher sein, dass er uns sein Licht und seine Kraft schenken wird.

Da wir unseren Herrn und seinen Rat zur Wachsamkeit kennen, wollen wir diese Bereitschaft der Liebe aufrechthalten, auch wenn wir manchmal die Müdigkeit spüren. Dabei setzen wir auf die Gegenwart Marias: In den Monaten der Schwangerschaft mit dem Herrn wusste sie in wachsamer Erwartung zu leben, und sie wird auch uns wach und froh halten, sodass wir so oft wie nötig von Neuem beginnen können bis zur Ankunft unseres Jesus.


1 Römisches Messbuch, 1. Adventsonntag, Tagesgebet.

2 Hl. Josefmaria, Im Zwiespräch mit den Herrn, kritisch-historische Ausgabe, S. 143 (auf Deutsch noch nicht erhältlich).

3 Msgr. Fernando Ocáriz, Artikel Licht zur Erkenntnis, Kraft zur Liebe, ABC, 18.9.2018.