Die Intimität in der Ehe: Eheliches Glück und Offensein für das Leben (1)

Die eheliche Liebe ist eine Liebe der Hingabe und willentlich darauf ausgerichtet, eine Gemeinschaft von Personen zu bilden.

Die Liebe ist die grundlegende und angeborene Berufung des Menschen als Ebenbild Gottes.1Die Ehe ist eine der spezifischen Weisen, wie man die Berufung des Menschen zur Liebe voll und ganz verwirklichen kann. Und deshalb finden die Eheleute gerade in der Ehe die persönliche Selbstverwirklichung.

Die Liebe ist die grundlegende und angeborene Berufung des Menschen als Ebenbild Gottes

„Für sie gehören die menschliche Liebe und die ehelichen Pflichten zu ihrer göttlichen Berufung“, sagte der hl. Josefmaria in Bezug auf die Eheleute.2 Bei einer anderen Gelegenheit erinnerte er verheiratete Paare daran, „dass sie keine Angst haben sollen, ihrer Zuneigung auch Ausdruck zu verleihen, im Gegenteil, diese Zuneigung ist ja gerade das Fundament ihrer Familie.“3

Es ist jedoch klar, dass nicht jede Form der Beziehung zwischen den Eheleuten als Ausdruck der menschlichen Liebe oder in diesem Fall der ehelichen Liebe dienen kann. Diesem Anspruch kann nur eine Beziehung genügen, die im Rahmen einer Ehe aus der gegenseitigen persönlichen Hingabe entsteht. Und da es sich um die Liebe von Eheleuten handelt, wird sie eheliche Liebe genannt. Der Ehebund schafft zwischen den Ehegatten eine besondere Art, wie man im Leben steht, und eine besondere Beschaffenheit der Liebe, des Zusammenlebens und des Umgangs mit der Nachkommenschaft, denn das Eheleben drückt sich in einer Vielfalt von Handlungen und Verhaltensweisen im alltäglichen innersten Erleben aus.

Die menschliche Sexualität ist ein wesentlicher Bestandteil der konkreten Liebesfähigkeit, die der Mensch als Ebenbild Gottes hat

Es gibt keinen abstrakten Menschen, sondern nur konkrete Personen mit einem bestimmten Geschlecht, denn das Geschlecht ist ein konstitutives Merkmal des Menschen. „Die Geschlechtlichkeit berührt alle Aspekte des Menschen in der Einheit seines Leibes und seiner Seele. Sie betrifft ganz besonders das Gefühlsleben, die Fähigkeit, zu lieben und Kinder zu zeugen und, allgemeiner, die Befähigung, Bande der Gemeinschaft mit anderen zu knüpfen.4Die Geschlechtlichkeit ist untrennbar mit dem Menschen verbunden; sie ist nicht bloß ein weiteres Attribut, eine Eigenschaft mehr. Sie bedeutet eine eigenständige Seinsweise. Der Mensch selbst identifiziert sich und drückt sich aus durch sein Geschlecht. Das, was in der ehelichen Verbindung geliebt wird, ist die gesamte Person des Partners in ihrem Mann- oder Frausein.

Sowohl der Mann als auch die Frau sind Ebenbild Gottes als menschliche Person mit einem bestimmten Geschlecht. „Und wie wir alle wissen, gibt es den Unterschied der Geschlechter in vielen Lebensformen in der langen Reihe der Lebewesen. Aber nur im Mann und in der Frau trägt er das Abbild und die Ebenbildlichkeit Gottes in sich: Der biblische Text wiederholt es dreimal in zwei Versen (26-27): Mann und Frau sind das Abbild Gottes, ihm ähnlich. Dem entnehmen wir, dass nicht nur der Mann als Einzelner betrachtet das Abbild Gottes ist, dass nicht nur die Frau als Einzelne betrachtet das Abbild Gottes ist, sondern dass auch Mann und Frau als Paar Abbild Gottes sind. Der Unterschied zwischen Mann und Frau dient nicht dem Gegensatz oder der Unterordnung, sondern der Gemeinschaft und der Fortpflanzung, stets als Abbild Gottes, ihm ähnlich.“5

Die Eheleute entsprechen ihrer Berufung zur Liebe in dem Maß, in dem man ihre gegenseitige Beziehung als eheliche Liebe bezeichnen kann

Es ist daher notwendig, in geeigneter Weise klarzustellen, was eheliche Liebe ist und welche Forderungen sich daraus ergeben. Von der richtigen Antwort hängt das Glück der Eheleute ab. Welche Kennzeichen und Forderungen gehören zur ehelichen Liebe? Die eheliche Liebe ist eine vollmenschliche Liebe, eine Liebe, die aufs Ganze geht, sie ist treu und ausschließlich, und sie ist fruchtbar.6

  1. Die eheliche Liebe ist eine vollmenschliche Liebe, die die ganze Person betrifft. Sie muss die Person der Ehegatten in allen Bereichen umfassen: Leib und Seele, Gefühl und Willen, usw. Sie ist eine Liebe, die sich hingibt. In ihr strebt das menschliche Verlangen nach der Vereinigung mit einer anderen Person und schließt dabei auch den Eros ein. Wenn die Sexualität ausgeschlossen würde, dann wäre diese Vereinigung keine Ehe, oder im gegenteiligen Fall wäre sie lediglich ein Werkzeug der Lust. Die Eheleute müssen alles ohne Einschränkungen und egoistische Berechnung teilen und den Ehepartner nicht wegen der Gaben lieben, die sie von ihm erhalten, sondern um seiner selbst willen. Es ist daher keine echte menschliche und eheliche Liebe, wenn man sich scheut, den gesamten Besitz mit dem Partner zu teilen und sich ihm ganz zu schenken. Wenn man nur an sich selbst denkt oder sogar mehr an sich, als an den Partner, dann entspricht das weder der echt menschlichen Liebe noch der Ehe.
  2. Eine treue und ausschließliche Liebe. Wenn die eheliche Liebe total und endgültig ist, dann muss sie notwendigerweise auch ausschließlich und treu sein. „Die innige Gemeinschaft des Lebens und der Liebe in der Ehe, vom Schöpfer begründet, erfordert durch die freie gegenseitige Übereignung von Mann und Frau völlige Treue der Ehegatten und begründet ihre unauflösliche Einheit.“7 Die Treue gehört nicht nur zum Wesen der Ehe, sondern sie ist auch eine Quelle tiefen und dauerhaften Glücks. Positiv ausgedrückt bedeutet Treue die gegenseitige vorbehalt- und bedingungslose Hingabe. Negativ ausgedrückt schließt sie jedes Eindringen anderer in die Ehe total aus. Und das gilt für alle Ebenen: für Gedanken, Worte und Werke.
  3. Eine fruchtbare Liebe, die offen ist für das Leben. Die eheliche Liebe ist auf ihre Erweiterung durch neues Leben hingeordnet; sie erschöpft sich nicht in den Eheleuten allein. Das Bestreben, neues Leben zu zeugen, gehört zum Wesen der Sexualität. Deshalb stellt die Öffnung zur Fruchtbarkeit gleichzeitig eine Forderung der wahren ehelichen Liebe und ein Kriterium für ihre Echtheit dar. Die Kinder sind ohne Zweifel das wunderbarste Geschenk der Ehe und tragen sehr zum Wohl der Eltern bei. (Eine ganz andere Frage ist freilich, ob aus einer bestimmten Ehe dann auch tatsächlich neues Leben entstehen kann).
  4. Diese Merkmale der Liebe dürfen nicht voneinander getrennt werden. Wenn eines von ihnen fehlt, dann kann es auch die anderen nicht geben. Sie sind Aspekte derselben Wirklichkeit.

Die eheliche Liebe: Gabe und Aufgabe

Die Liebe der Ehegatten ist ein Geschenk und entstammt der schaffenden und erlösenden Liebe Gottes. Im Sakrament der Ehe, das den Eheleuten als Geschenk und Gnade gewährt wird, drückt sich der Plan Gottes zugunsten der Menschen und seine rettende Allmacht aus, die fähig ist, sie zur vollen Verwirklichung seiner Vorsehung zu führen. Für Mann und Frau bedeutet die Ehe sowohl ein Geschenk, als auch eine Aufgabe, für die man Freiheit, Verantwortlichkeit und Glaube benötigt.

Die eheliche Liebe besteht nicht nur im Liebesakt, sondern drückt sich durch eine Vielfalt von großen und kleinen Handlungen aus. Sie besteht in der ständigen Bereitschaft des Menschen, in einer Haltung, und ist gleichzeitig eine Aufgabe. Die eheliche Liebe ist anspruchsvoll und muss kultiviert werden. Da sie eine Tugend ist, müssen die Eheleute ständig an ihr arbeiten, je nach den Umständen und den täglichen Mühen und Sorgen eines jeden Partners.

„Andererseits sollten sie niemals vergessen, dass das Geheimnis des ehelichen Glücks im Alltäglichen zu finden ist und nicht in Träumereien. Es liegt in der verborgenen Freude, die es macht, nach Hause zu kommen; es liegt im liebevollen Umgang mit den Kindern, in der alltäglichen Arbeit, bei der die ganze Familie mithilft; in der gelassenen Art, Schwierigkeiten zu begegnen und sie mit sportlicher Haltung zu überwinden.“8

Wenn man die Beziehung nicht Tag für Tag durch konkrete Liebeserweise kultiviert und pflegt, dann ist kein Eheglück möglich. Diese Liebeserweise werden ausgedrückt in Worten, zärtlichen Gesten, kleinen Beweisen der Zuneigung, durch Akte der Großzügigkeit, durch Vertrauen, Aufrichtigkeit, Zusammenarbeit usw. Durch sie wird die gegenseitige Verpflichtung, in der Liebe zu leben und sich in Liebe zu schenken, zur Realität.

Javier Escrivá Ivars


1 Vgl. Gen 1, 27.

2 Hl. Josefmaria, Gespräche, Nr. 91.

3 Hl. Josefmaria, Christus begegnen, Nr. 25.

4 Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 2332.

5 Papst Franziskus, Generalaudienz, 15.4.2015.

6 Vgl. Humanae vitae, Nr. 9.

7 2. Vatikanisches Konzil, Gaudium et Spes, Nrn. 48, 49 und 50. Man darf die Treue nicht nur als Antwort auf ein Versprechen sehen, das man eingegangen ist, sondern vor allem als logische Konsequenz der totalen Liebe, der gegenseitigen vorbehaltlosen und unbegrenzten persönlichen Hingabe. Eine derartige Liebe kann nur ausschließlich und für immer sein.

8 „…Welch armselige Auffassung von der Ehe, die doch ein Sakrament, ein Ideal und eine Berufung ist, hat derjenige, der meint, die Liebe habe aufgehört, wenn die Sorgen und Schwierigkeiten beginnen, die das Leben stets mit sich bringt.“ (Hl. Josefmaria, Gespräche, Nr. 91).