Betrachtungstext: Hochfest des Leibes und Blutes Christi – Fronleichnam

Christus schenkt sich uns Menschen vollständig – Festmahl, Opfer und Kommunion – Jesus geht heute hinaus auf die Straßen

DIE FEIERLICHKEITEN im Anschluss an das Osterfest gehen zu Ende: Nach der Himmelfahrt Jesu haben wir das Kommen des Geistes und danach die Glorie der Dreifaltigkeit gefeiert. Heute ist die Begeisterung der Christen nicht mehr zu stoppen und erhebt sich ein Jubel der Dankbarkeit für die reale Gegenwart Christi, seines verklärten Leibes und Blutes, unter den Gestalten von Brot und Wein. Seit dem 13. Jahrhundert feiern wir dieses Hochfest als Ausdruck des eucharistischen Glaubens der Kirche. „Deinem Heiland, deinem Lehrer, deinem Hirten und Ernährer, Sion, stimm ein Loblied an!“, nimmt uns die Fronleichnamssequenz in die Festfreude hinein. „Preis nach Kräften seine Würde, da kein Lobspruch, keine Zierde seinem Ruhm genügen kann. Dieses Brot sollst du erheben, welches lebt und gibt das Leben, das man heut den Christen weist. Dieses Brot, mit dem im Saale Christus bei dem Abendmahle die zwölf Jünger hat gespeist. Laut soll unser Lob erschallen und das Herz in Freude wallen, denn der Tag hat sich genaht, da der Herr zum Tisch der Gnaden uns zum ersten Mal geladen und dies Mahl gestiftet hat.“1

Die heiligen Gestalten, Brot und Wein, geben Zeugnis davon, dass sich Gott in seiner Allmacht den Menschen für immer und vollständig schenkt. Das Passah Jesu – das Geheimnis seines Leidens, Sterbens und seiner Auferstehung – ist nicht vorbei, sondern „nimmt“, so lesen wir im Katechismus, „an der Ewigkeit Gottes teil, steht somit über allen Zeiten und wird ihnen gegenwärtig.“2 Dabei bedient sich unser Herr dieser einfachen Gaben, des Weizens und des Weinstocks, um sich mit uns und uns mit sich vereinen zu können. Der heilige Josefmaria bezeichnet die Eucharistie als ein – ewig währendes – Wunder der Liebe: „Jesus, der Erstgeborene des Ewigen Vaters, bietet sich uns als Nahrung an. Und derselbe Jesus Christus, der uns hier stärkt, erwartet uns, seine Mahlgenossen, Miterben und Vertrauten, im Himmel. ,Denn [– wie der heilige Augustinus schreibt –] zeitlich werden fürwahr auch die sterben, die Christus essen, aber sie leben in Ewigkeit, weil Christus das ewige Leben ist‘ (Augustinus, In Ioannis Evangelium Tractatus, 26,20).“3


GEBT IHR ihnen zu essen! (Lk 9,13), hatte Jesus seine Jünger gebeten, als er sah, dass diejenigen hungrig waren, die ihm folgten. Sie hatten nur fünf Brote und zwei Fische, und doch aßen alle und wurden satt. Als man die übrig gebliebenen Brotstücke einsammelte, waren es zwölf Körbe voll (Lk 9,17). Das Brotwunder ist ein Bild für die Überfülle, die die Eucharistie in unserem Leben bedeutet, und verweist auch auf eine Aufgabe der Apostel: Verwalter dieser Gnade zu sein. „Unser Erlöser hat“, wie das II. Vatikanische Konzil erklärt, „der Kirche, seiner geliebten Braut, eine Gedächtnisfeier seines Todes und seiner Auferstehung anvertraut: das Sakrament des Erbarmens, das Zeichen der Einheit, das Band der Liebe, das Ostermahl, in dem Christus genossen, das Herz mit Gnade erfüllt und das Unterpfand der künftigen Herrlichkeit gegeben wird.4

Der älteste Einsetzungsbericht stammt vom heiligen Paulus, der die Überlieferung selbst empfangen hatte: Jesus, der Herr, nahm in der Nacht, in der er ausgeliefert wurde, Brot, sprach das Dankgebet, brach das Brot und sagte: Das ist mein Leib für euch (1 Kor 11,23-24). In diesen Worten klingen alte Symbole an: das Opfer des Lammes, durch welches die Sünden gesühnt wurden, und das Manna, mit dem Gott das Volk Israel auf seiner Wüstenwanderung nährte. Obwohl es sich bei diesem Sakrament um ein Opfer handelt, wird es wegen der daraus gewonnenen Früchte als Danksagung gefeiert.

Dabei fand die erste Ankündigung des eucharistischen Wunders keine gute Aufnahme. Ich bin das lebendige Brot, das vom Himmel herabgekommen ist. Wer von diesem Brot isst, wird in Ewigkeit leben (Joh 6,51), hatte Jesus damals gesagt. Seine Rede verursachte bei vielen helle Empörung und sorgt auch heute noch für Verwunderung. Im Katechismus lesen wir in diesem Sinn: „Die Eucharistie und das Kreuz sind Steine des Anstoßes. Es ist das gleiche Mysterium und es hört nicht auf, Anlass zur Spaltung zu sein. Wollt auch ihr weggehen? (Joh 6,67). Diese Frage des Herrn ertönt durch die Jahrhunderte; durch sie lädt uns seine Liebe ein, zu erkennen, dass er allein Worte des ewigen Lebens hat (Joh 6,68) und dass, wer die Gabe seiner Eucharistie gläubig empfängt, ihn selbst empfängt.“5

Schließlich vereint der Herr uns alle in der Eucharistie und verbindet uns in der Kommunion fest mit unseren Brüdern und Schwestern. Über die gemeinschaftsbildende Kraft der Eucharistie sagte Johannes Paul II.: „Die Gabe Christi und seines Geistes, die wir in der eucharistischen Kommunion empfangen, erfüllt in überreichem Maß die Sehnsucht nach brüderlicher Einheit, die im menschlichen Herzen wohnt. Zugleich hebt sie die Erfahrung brüderlicher Gemeinschaft, die der gemeinsamen Teilnahme am selben eucharistischen Tisch innewohnt, auf eine Ebene, die weit über der bloßen Erfahrung menschlicher Mahlgemeinschaft liegt.“6


BEI ZAHLREICHEN Gelegenheiten geht Jesus, der Sohn Marias, hinaus auf die Straßen, um Menschen zu treffen. Im Evangelium sehen wir zum Beispiel, wie der Herr der samaritischen Frau am Brunnen von Sychar begegnet, wie er Zachäus auf dem Weg nach Jericho trifft oder den blinden Bartimäus, der am Wegesrand schreit, herbeiholen lässt. Ganz ähnlich wird Jesus heute vielerorts durch die Straßen wandern: Er will uns treffen, wie er es tat, als er noch auf Erden lebte.

Der heutige Tag ist ein festlicher Anlass, den Herrn im Altarssakrament mit der Schönheit von Musik und Gesang, der Farbenpracht der Blumen, dem Duft des Weihrauchs und der Zierde kunstvoller Gefäße zu verehren. All die Liebe und Hingabe, mit der die Prozessionen vorbereitet werden, scheinen uns nicht genügen, um die Dankbarkeit zu zeigen, die wir unserem Gott schulden. Aber neben diesen Gesten besteht die beste Art, unseren Herrn zu ehren, vielleicht darin, ihm zuliebe kleine Mühen im Alltag auf uns zu nehmen. Der selige Alvaro del Portillo schrieb in einem Hirtenbrief: „Mir gefällt der Gedanke, dass der Schmuck, den das christliche Volk zu Ehren Jesu im Heiligsten Sakrament vielerorts an den Fassaden der Häuser anbringt, und die Blumen und duftenden Kräuter, die es bei seinem Zug durch die Straßen ausstreut, Symbole für die Tugenden sind, die unsere Seelen schmücken sollen. Jesus hat den glühenden Wunsch, in seinen Töchtern und Söhnen – in dir und in mir – konkrete Werke vorzufinden, die unsere Hingabe offenbaren. (...) Er hofft, dass wir ihm die Stunden einer intensiven und gut verrichteten Arbeit darbringen, die von kleinen, kaum wahrnehmbaren Opfern durchsetzt ist. Sie fallen wie Minze und Ginster, die mancherorts entlang der Wegstrecke der heiligen Hostie durch die Städte und Dörfer ausgelegt werden, nicht auf, verbreiten aber einen angenehmen Duft.“7

Guter Hirt, du wahre Speise, Jesus, gnädig dich erweise! Nähre uns auf deinen Auen, lass uns deine Wonnen schauen in des Lebens ewigem Reich!8 In der Eucharistie verkosten wir schon auf Erden ein wenig von der himmlischen Herrlichkeit; deshalb drängt es uns, auch unserer Mutter zu danken, von der Christus nach ihrem großzügigen fiat, es geschehe, Fleisch angenommen hat: „Ave verum corpus, natum de Maria Virgine. Sei gegrüßt, wahrer Leib, geboren von der Jungfrau Maria.9


1 Hl. Thomas von Aquin, Sequenz Lauda Sion.

2 Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 1085.

3 Hl. Josefmaria, Christus begegnen, Nr. 152.

4 II. Vatikanisches Konzil, Sacrosanctum Concilium, Nr. 47.

5 Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 1336.

6 Hl. Johannes Paul II., Ecclesia de Eucharistia, Nr. 24.

7 Sel. Álvaro del Portillo, Hirtenbrief, 1.6.1993.

8 Hl. Thomas von Aquin, Sequenz Lauda Sion.

9 Hymnus Ave Verum.