Betrachtungstext: Donnerstag nach Erscheinung des Herrn

Geführt vom Heiligen Geist – Gesandt, um die Gute Nachricht zu verkünden – Liebe zu Gott und zum Nächsten

IN DIESEN Tagen betrachten wir die Anfänge des öffentlichen Wirkens des Herrn. Nachdem Jesus den Versuchungen in der Wüste widerstanden hatte, kehrte er an den Ort seiner Kindheit zurück: Jesus kehrte, erfüllt von der Kraft des Geistes, nach Galiläa zurück. Und die Kunde von ihm verbreitete sich in der ganzen Gegend (Lk 4,14). Das Evangelium hebt hervor, dass Jesus vom Heiligen Geist geleitet wurde – dem Geist, der eine zentrale Rolle im Werk unserer Erlösung und Heiligung spielt. Der heilige Kyrill von Alexandrien schreibt dazu im Stundengebet: „Als der Schöpfer des Universums beschloss, in Christus alles wiederherzustellen und die Natur des Menschen in ihren ursprünglichen Zustand zurückzuversetzen, versprach er, uns mit den anderen guten Dingen auch den Heiligen Geist in Fülle zu schenken. Er bestimmte die Zeit, in der er zu uns herabsteigen würde, und sagte: In jenen Tagen werde ich meinen Geist über alles Fleisch ausgießen.“1

Es ist beeindruckend, wie oft die Heilige Schrift die Rolle des Heiligen Geistes im Leben Jesu hervorhebt: Jesus ging, vom Geist geführt, in die Wüste (Lk 4,1) und kehrte, erfüllt von der Kraft des Geistes, nach Galiläa zurück (Lk 4,14). Auch wir sind eingeladen, unser Leben im Rhythmus des Beistands zu führen, den der Geist schenkt. Papst Franziskus betonte: „Der Jünger lässt sich vom Geist leiten, deshalb ist der Jünger immer ein Mensch der Tradition und der Neuheit, ein freier Mensch. Niemals ist er den Ideologien, den Lehren innerhalb des christlichen Lebens, unterworfen, Lehren, die diskutiert werden können … Er bleibt im Herrn, es ist der Geist, der ihn inspiriert.“2

Die Frucht der Erfüllung mit dem Heiligen Geist ist eine tiefe Freiheit, die uns befähigt, so zu leben, wie Jesus es tat. Der Prälat des Opus Dei legt uns nahe: „Um die wahre Bedeutung der Freiheit zu verstehen, sollen wir Jesus betrachten. Wir staunen angesichts der Freiheit Gottes, der sich aus reiner Liebe erniedrigt und unser Fleisch annimmt. Vor unseren Augen entfaltet sich seine Freiheit in seinem irdischen Leben bis hin zum Kreuzesopfer (…). Unsere Gotteskindschaft bewirkt, dass sich unsere Freiheit mit all der Kraft entfalten kann, die Gott in sie hineingelegt hat. Wir sind nicht frei, wenn wir uns vom Haus des Vater entfernen, sondern wenn wir uns als Kinder Gottes annehmen.“3


WIE DER HEILIGE LUKAS berichtet, lehrte Jesus in den Synagogen (Lk 4,15). Der Herr knüpfte an die Offenbarungen des Alten Testaments an, ist aber gleichzeitig, wie das II. Vatikanische Konzil erklärte „der Mittler und die Fülle der ganzen Offenbarung ist“4. Diese Verbindung aus Vertrautem und Neuem erfüllte seine Zuhörer mit Hoffnung, sodass Lukas festhält: Und er wurde von allen gepriesen (Lk 4,15).

Vor diesem Hintergrund kam Jesus auch nach Nazaret, wo er aufgewachsen war, und ging, wie gewohnt, am Sabbat in die Synagoge. Als er aufstand, um vorzulesen, reichte man ihm die Buchrolle des Propheten Jesaja (Lk 4,16). Die Sabbatlesung folgte dem liturgischen Rhythmus: ein Abschnitt aus der Tora oder den Propheten, begleitet von einem Kommentar. Jesus öffnete die Buchrolle und fand die Stelle, wo geschrieben steht: Der Geist des Herrn ruht auf mir; denn er hat mich gesalbt. Er hat mich gesandt, damit ich den Armen eine frohe Botschaft bringe; damit ich den Gefangenen die Entlassung verkünde und den Blinden das Augenlicht; damit ich die Zerschlagenen in Freiheit setze und ein Gnadenjahr des Herrn ausrufe (Lk 4,18-19).

Origenes bemerkte, dass es kein Zufall war, dass Jesus diese Stelle wählte, sondern dass auch dies von der Vorsehung Gottes bestimmt wurde.5 Mit dieser Lesung eröffnet Jesus seine öffentliche Verkündigung, indem er sich unter den Willen des Vaters stellt und seinen Auftrag kundtut, die frohe Botschaft vom Reich Gottes zu verkünden. Auch wir sind aufgerufen, den Impulsen Gottes treu zu folgen – die wir im Gebet, in der Lesung des Evangeliums oder in den kleinen Momenten des Alltags empfangen, in denen er zu uns spricht.


DANN SCHLOSS er die Buchrolle, gab sie dem Synagogendiener und setzte sich. Die Augen aller in der Synagoge waren auf ihn gerichtet. Da begann er, ihnen darzulegen: Heute hat sich das Schriftwort, das ihr eben gehört habt, erfüllt. Alle stimmten ihm zu; sie staunten über die Worte der Gnade, die aus seinem Mund hervorgingen (Lk 4,20-22). Papst Benedikt erklärte dazu: „Jesus selbst ist ,das Heute‘ des Heils in der Geschichte, da er die Fülle der Erlösung vollendet. (...) Dieser Abschnitt richtet sich »heute« auch an uns und lädt uns ein, über unsere Fähigkeit zum Hören nachzudenken. Bevor man über Gott und mit Gott sprechen kann, muss man auf ihn hören.“6

In unseren Momenten des Gebets und Dialogs mit dem Herrn sollten wir seinem Beispiel der Achtsamkeit gegenüber dem göttlichen Wort folgen, das in der Heiligen Schrift offenbart wird. Der heutige Rat des Apostels Johannes kann uns dabei leiten: Wir wollen lieben, weil er uns zuerst geliebt hat. Wenn jemand sagt: Ich liebe Gott!, aber seinen Bruder hasst, ist er ein Lügner. Denn wer seinen Bruder nicht liebt, den er sieht, kann Gott nicht lieben, den er nicht sieht. Und dieses Gebot haben wir von ihm: Wer Gott liebt, soll auch seinen Bruder lieben (1 Joh 4, 20-21).

Diese Nächstenliebe muss sich in konkreten Taten zeigen, wie Jesus es beim letzten Abendmahl vorgelebt hat.„Einander die Füße zu waschen, bringt so viele konkrete Dinge mit sich, denn diese Reinigung, von der wir sprechen, entspringt der Liebe; und die Liebe entdeckt tausend Möglichkeiten, um jenen zu dienen und sich jenen hinzugeben, die man liebt. Im Christentum bedeutet das gegenseitige Waschen der Füße zweifellos, füreinander zu beten, mit Eleganz und Diskretion zu helfen, die Arbeit des anderen zu erleichtern, die Bedürfnisse der anderen vorauszusehen, einander zu helfen, sich besser zu benehmen, einander mit Zuneigung zu korrigieren, einander mit liebevoller und einfacher Geduld zu behandeln.“7 Wir bitten die heilige Maria, uns zu helfen, göttliche Eingebungen als liebevolle Weckrufe eines Vaters anzunehmen, der nur unser Glück will, und vom Herrn die Gnade zu erlangen, unsere Brüder und Schwestern so zu lieben, wie Jesus, erfüllt vom Heiligen Geist, uns geliebt hat.


1 Hl. Cyrill von Alexandrien, Über das Evangelium von Johannes, 5, 2.

2 Franziskus, Predigt, 1.4.2020.

3 Msgr. Fernando Ocáriz, Hirtenbrief, 9.1.2018, Nr. 3-4.

4 Dogmat. Konstitution Dei Verbum, Nr. 2.

5 Vgl. Origines, Homilien zum Lukasevangelium, 32, 3.

6 Benedikt XVI., Angelus-Gebet, 27.1.2013.

7 Javier Echevarría, Eucharistie und christliches Leben. 2005.