Betrachtungstext: 23. Dezember – Advent

Die Sendung Johannes des Täufers – Sich verbergen und verschwinden – Die stille Art des Wirkens Gottes

IN JENEM Dorf hörten die Nachbarn und Verwandten, welch großes Erbarmen der Herr Elisabeth erwiesen hatte (vgl. Lk 1,58). Die Freunde von Zacharias und Elisabeth staunen. Rund um die Geburt des Johannes geschehen wundersame Dinge, und die Erwartung wächst mit jedem Tag. Die Frage stellt sich: Was wir wohl aus diesem Kind werden? (Lk 1,66). Als der Vater schließlich wieder reden kann, sind seine Worte nichts als Lob und Segen Gottes. Zacharias kann seine Freude und seine Dankbarkeit nicht für sich behalten. Die Menschen ringsum ahnen in all diesen Vorgängen ein göttliches Eingreifen und wollen keinen Moment verpassen; sie prägen sich alle seine Worte tief in ihre Seele ein.

Weihnachten steht vor der Tür, und auch wir möchten erneut vom Erbarmen hören, das Gott uns erwiesen hat. Wir wollen keinen Moment verpassen und dabei sein, wenn Gott eingreift und wir das wunderbare Geschenk der Erlösung empfangen dürfen. Wir sind längst aufgebrochen, um unseren Retter zu sehen, der in einer Krippe zur Welt kommen wird. Und wenn wir dann vor ihm stehen, wollen wir, wie Papst Franziskus an einem Heiligen Abend empfohlen hat, „im Schweigen verharren und jenes Kind sprechen lassen; prägen wir seine Worte in unsere Herzen ein, ohne unseren Blick von seinem Antlitz abzuwenden. Wenn wir es in die Arme nehmen und uns von ihm umarmen lassen, wird es uns den Herzensfrieden geben, der kein Ende kennt.1

Im heutigen Evangelium hören wir von der Geburt des Vorläufers. Er ist nicht der Messias, und er ist sich dessen bewusst. Einige werden ihn diesbezüglich ausdrücklich fragen, und wir wissen, dass er immer dieselbe Antwort gibt: Er muss wachsen, ich aber geringer werden (Joh 3,30). Gelegentlich fällt es uns nicht leicht, den Herrn wirken zu lassen. Es ist auch nicht einfach zu lernen, sich zurückzunehmen. Sicherlich haben wir uns apostolisch eingesetzt, und vielleicht haben wir viel für jemanden Bestimmten gebetet. Dennoch weiß der wahre Apostel, im Hintergrund zu bleiben; er erkennt, dass er nicht unersetzlich ist, er will nicht die zentrale Figur sein. Er überbringt den Seelen die Botschaft Christi und nicht die eigene. Wir bitten den heiligen Johannes den Täufer, uns beizubringen, gute Vorläufer für Jesus zu sein, der in das Leben vieler unserer Mitmenschen eintreten möchte.


ETWAS genießen bedeutet, die erzeugten Früchte zu schätzen. Der Apostel sieht stets Früchte, denn er weiß, dass nichts von dem, was er gemeinsam mit Jesus Christus tut, verloren geht. Er genießt die Sendung, selbst wenn kein unmittelbares Ergebnis sichtbar ist. Die Art und Weise, wie Gott die Erlösung verwirklicht hat, ist geheimnisvoll. Die Geburt Jesu, die wir in Kürze feiern werden, geschah fast unbemerkt. Und Johannes ist ein guter Vorläufer, denn er tritt wie Jesus auf: diskret, einfach und ohne sich wichtig zu machen. Wie Augustinus sagt: „Er sah, wo die Rettung wohnte, er verstand, dass er nur eine Fackel war, und fürchtete, vom Wind des Stolzes ausgelöscht zu werden.2

Das Sich-Verbergen und Verschwinden erfüllt die Seele des Apostels mit Frieden, denn wer so lebt, begreift sich als Werkzeug. Er ist sich bewusst, dass er nicht die ganze Last trägt. In den guten Momenten erkennt er, dass Gott gewirkt hat, und in den schlechten wird er nicht unruhig, weil er weiß, dass Gott die Dinge in Ordnung bringen wird. Das nimmt ihm weder die Begeisterung noch die Spontaneität, dafür aber die Anspannung, die Angst und die Unbeweglichkeit. Es tut gut, dem Herrn zu sagen – sooft wir denken, dass uns etwas entgleitet –, dass wir auf ihn vertrauen; dass wir nichts für uns selbst wollen, sondern bereit sind, der Kanal zu sein, durch den er sein Glück anderen zukommen lässt.

Viele Heilige lebten diese Demut. Sie wollten Jesus nachahmen und, wie er, nur die Ehre Gottes suchen. Es könnte scheinen, dass verschwinden bedeutet, sich zurückzuziehen, die Sendung aufzugeben – aber das ist nicht der Fall. Wir sehen es deutlich im Leben Johannes des Täufers und bei allen Heiligen: Sie waren demütig, aber hielten sich von den Seelen in ihrer Umgebung nicht fern. Beide Haltungen unter einen Hut bringend schrieb der heilige Josefmaria: „Seitdem ich mich entschloss, die Stimme Gottes zu hören – als ich die Liebe Jesu zu ahnen begann –, spüre ich in meiner Seele das Verlangen, mich zu verbergen und zu verschwinden; jenes illum oportet crescere, me autem minui (Joh 3,30) zu leben; die Ehre Gottes soll wachsen, und mich soll man nicht sehen.“3 Ein anderes Mal sagte er es kürzer:„ Mich verbergen und verschwinden, das ist das Meine, nur Jesus soll leuchten.“4


JOHANNES ging Christus auch voraus, als der Moment kam, das Leben hinzugeben. Es muss für ihn eine große Freude gewesen sein, zu sehen wie seine Jünger den Messias fanden und bei ihm blieben. Als er eingekerkert und verurteilt wurde, dachte er vielleicht, dass all das die Mühe wert war, um den Willen Gottes zu erfüllen; aber er wusste nicht, dass der Messias selbst bald seinen Spuren folgen würde. Der Täufer ist der Größte, der von einer Frau geboren wurde (vgl. Mt 11,11), und doch hat er soweit wie möglich im Verborgenen gelebt. Wenn der Name Johannes „von Gott bevorzugt“ bedeutet, so können wir sagen, dass Gott denjenigen, der sich verbirgt, glücklich macht, ihm Frieden schenkt, ihn genießen lässt. Die Bürde wird sanft, und die Last wird leicht.

Der Plan Gottes wird auf diese Weise verwirklicht, in Stille und ohne dass viele davon wissen. Wir wollen, dass Christus herrscht, und er hat bereits bestimmt, auf welche Weise er dies tun wird: vom Kreuz aus, durch den Schmerz, den die Übernahme der Sünden aller Menschen mit sich bringt. Die Prophezeiung der göttlichen Demut bis zum Äußersten hat sich erfüllt. Papst Benedikt predigte einmal zu Weihnachten: „Gottes Sichbeugen hat einen unerhörten und vorher nicht zu ahnenden Realismus angenommen. (...). Der Schöpfer, der alles in Händen hält, von dem wir alle abhängen, macht sich klein und der menschlichen Liebe bedürftig. Gott ist im Stall. (...). Denn wie könnte seine Liebe zum Menschen, seine Sorge um ihn größer und reiner erscheinen? (...). Denn nichts kann höher, größer sein als die Liebe, die sich so herabbeugt, heruntersteigt, sich abhängig macht.5

Die Jungfrau Maria, die demütige Frau aus Nazaret, die immer Jesus in den Mittelpunkt stellte, bitten wir, uns zu helfen, wirksame und diskrete Werkzeuge in den Händen des besten Handwerkers der Geschichte zu sein.


1 Franziskus, Homilie, 24.12.2015.

2 Hl. Augustinus, Sermo 293, „Vidit ubi haberet salutem: lucernam se intellexit, et ne exstingueretur vento superbiae timuit.

3 Hl. Josefmaria, Brief 29.12.1947/14.2.1966, Nr. 16.

4 Ders., Brief 28.1.1975.

5 Benedikt XVI., Homilie, 24.12.2008.

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