Betrachtungstext: 7. Sonntag im Jahreskreis (A)

Die Heiligkeit Gottes – Jesus ist der Weg – Liebt eure Feinde

DER WILLE des Herrn ist es, sein göttliches Leben mit den Menschen zu teilen. Gott beauftragt Mose, diesen seinen Wunsch an die Kinder Israels weiterzugeben: "Seid heilig, denn ich, der HERR, euer Gott, bin heilig" (Lev 19,1). Die Aufforderung zur Heiligkeit ist auch in der Verkündigung Jesu von Anfang an präsent. Am Ufer des Sees Genezareth schlägt der Meister der Menge ein erhabenes Lebensmodell vor: "Seid also vollkommen, wie euer himmlischer Vater vollkommen ist" (Mt 5,48).

Diese Worte mögen überraschend klingen, denn es gibt keinen Tag, an dem wir nicht unsere Unvollkommenheit, unsere Grenzen und unsere Fehler spüren. Wenn man die Schwäche, die uns gewöhnlich begleitet, nur oberflächlich kennt, kann man leicht ins Grübeln kommen: Wie kann ich die Vollkommenheit anstreben, von der Jesus spricht? Oder besser gesagt, von welcher Art von Vollkommenheit spricht der Herr? Es handelt sich sicher nicht um menschlichen Perfektionismus, sondern um die Seinsweise eines Gottes, der Liebe, Unentgeltlichkeit und Barmherzigkeit ist. Diese Gewissheit lässt den heiligen Josefmaria ausrufen: "Schenke mir, Herr, die Liebe, mit der Du von mir geliebt werden willst!"1 Die Liebe ist nicht unser eigenes Vermögen, sondern ein Geschenk, das wir von Gott erhalten, um es zu teilen. "Wer den Herrn in seinem Leben aufnimmt und ihn aus ganzem Herzen liebt, ist zu einem neuen Anfang fähig. Es gelingt ihm, den Willen Gottes zu tun: eine neue Lebensform zu verwirklichen, die von der Liebe beseelt und zur Ewigkeit bestimmt ist".2

Das Streben nach der Heiligkeit und Vollkommenheit Gottes, die so anders ist als das, was wir uns vorstellen, ist kein unerreichbares Ziel, denn wir haben die Hilfe des Heiligen Geistes. "Wisst ihr nicht, dass ihr Gottes Tempel seid und der Geist Gottes in euch wohnt?" (1 Kor 3,16), erinnert Paulus die Korinther. "Die christliche Heiligkeit ist nicht vor allem unser Werk, sondern ist Frucht der Folgsamkeit. (...) Der Heilige Geist kann uns läutern, kann uns verwandeln, uns Tag für Tag formen".3

MIT DER FLEISCHWERDUNG Gottes in seinem Sohn Jesus Christus ist dieses Ideal der Vollkommenheit nicht abstrakt, sondern nimmt einen Körper an. In Christus hat Gott Fleisch angenommen, um jedem Menschen nahe zu sein, um uns seine unendliche Liebe auf eine sehr verständliche Weise zu offenbaren. In seinem Sohn ruft er uns zu einem Leben der Nähe, der Gemeinschaft mit ihm auf. "Die Heiligkeit Gottes wird uns in Christus vermittelt".4 Jesus ist die Quelle aller Heiligkeit, denn "aus seiner Fülle haben wir alle empfangen, Gnade über Gnade" (Joh 1,16).

Unsere Vollkommenheit besteht also nicht nur in der Verfolgung von Zielen, die nach großer Anstrengung erreicht werden. Die Vollkommenheit, zu der Gott uns ruft, besteht vielmehr darin, dass wir uns öffnen, um diesen Weg mit Jesus zu teilen, ihm nachzufolgen, so zu leben, wie er gelebt hat, und diese Freude zu bezeugen. "Das eigentliche Geheimnis, um heilig zu werden, besteht darin, Ihm, dem einzigen, liebenswerten Vorbild, immer ähnlicher zu werden".5 Wenn wir Jesus in uns wohnen lassen, werden wir lernen, als wahre Kinder Gottes zu leben, denn, wie der heilige Josefmaria lehrt, ist die Heiligkeit nichts anderes als die "Fülle der Gotteskindschaft".6

In jeder Eucharistie, in der wir den Tod und die Auferstehung Jesu vergegenwärtigen, verkünden wir diese Heiligkeit, die Gott selbst ist: "Heilig, heilig, heilig ist der Herr, der Gott des ganzen Universums". Er, der dreimal heilig ist, lässt uns an seiner eigenen Heiligkeit teilhaben. Indem er uns seinen Leib und sein Blut gibt, können wir erreichen, was aus eigener Kraft völlig unmöglich wäre: mit Christus eins zu werden, bis hin zur völligen Identifikation mit ihm. Wir empfangen also im Herrn den ganzen Reichtum Gottes, wie der heilige Paulus sagt: "Alles gehört euch; ihr aber gehört Christus und Christus gehört Gott" (1 Kor 3,22-23).

DIE HEILIGKEIT, die Gott uns schenkt, indem er uns ihm ein wenig ähnlicher macht, zielt auf eine unentgeltliche und großzügige Hingabe an unsere Brüder und Schwestern. Jesus fordert uns auf, so zu lieben, wie er uns geliebt hat, und zu versuchen, die Leere in den Herzen der Menschen um uns herum mit unserer Liebe zu füllen. "Wenn dich einer auf die rechte Wange schlägt, dann halt ihm auch die andere hin! Und wenn dich einer vor Gericht bringen will, um dir das Hemd wegzunehmen, dann lass ihm auch den Mantel! Und wenn dich einer zwingen will, eine Meile mit ihm zu gehen, dann geh zwei mit ihm!" (Mt 5,39-41). Der Vorschlag Jesu ist so radikal, dass er etwas einschließt, was menschlich gesehen eine Chimäre zu sein scheint: seine Feinde zu lieben. Das heißt, diejenigen, die uns beleidigt haben, die nicht so denken wie wir, die uns das Leben erschweren oder die uns einfach unangenehm sind. "Wenn es nur von uns abhinge, wäre es unmöglich. Aber erinnern wir uns daran, dass der Herr, wenn er um etwas bittet, es auch geben will".7 Und er hilft uns nicht nur, sondern er hat uns auch ein Beispiel gegeben, indem er um Vergebung für diejenigen bat, die ihn gekreuzigt haben (vgl. Lk 23,34).

Der heilige Josefmaria schrieb: "Wenn wir sogar die Feinde lieben müssen - ich meine jene, die uns für solche halten, denn von mir aus kenne ich keine Feinde ‒, dann schulden wir erst recht jenen Liebe, die uns bloß fern sind oder die wir nicht so sympathisch finden oder die aufgrund von Sprache, Bildung oder Erziehung uns fremdartig erscheinen”.8 Auf diese Weise wird die wahre Heiligkeit konkret, wenn wir einen Menschen lieben, der uns feindlich gesinnt ist oder schlecht über uns spricht, wenn wir einen anderen grüßen, von dem wir vielleicht glauben, dass er es nicht verdient hat, oder wenn wir vergeben, wenn uns etwas verletzt hat. "Darin besteht die Neuheit des Evangeliums, die die Welt verändert, ohne Lärm zu machen".9 Auch wir werden oft um Vergebung bitten müssen, zu Recht oder zu Unrecht, um die Einheit wiederherzustellen, die das Wichtigste ist. Wir können uns an Maria wenden, damit sie uns hilft, unsere Brüder und Schwestern von ganzem Herzen zu lieben.


1 Hl. Josefmaria, Feuer, Nr. 270.

2 Benedikt XVI., Angelus, 20-II-2011.

3 Papst Franziskus, Homilie, 23-II-2014.

4 Hl. Johannes Paul II., Homilie, 18-II-1996, 1.

5 Hl. Josefmaria, Feuer, Nr. 752.

6 Hl. Josefmaria, Brief 10, Nr. 8.

7 Papst Franziskus, Angelus, 20-II-2022.

8 Hl. Josefmaria, Freunde Gottes, Nr. 230.

9 Benedikt XVI., Angelus, 18-II-2007.

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