Betrachtungstext: 7. Oktober – Unsere Liebe Frau vom Rosenkranz

Der Rosenkranz führt uns zu Jesus – Ein Weg zum kontemplativen Leben – Für den Frieden und die Familie

GEMÄSS EINER TRADITION aus dem 13. Jahrhundert wird der Beginn des Rosenkranzgebets dem heiligen Dominikus von Guzman zugeschrieben. Ihm erschien die Jungfrau Maria und lehrte ihn diese Andacht. Später, im 16. Jahrhundert, führte Papst Pius V. das liturgische Gedenken am heutigen Tag, dem Jahrestag des Sieges in der Schlacht von Lepanto, ein. Seitdem wurde dieses Gebet von den Päpsten immer wieder als „öffentliches und allgemeines Gebet für die gewöhnlichen und außergewöhnlichen Bedürfnisse der heiligen Kirche, der Völker und der ganzen Welt“1 empfohlen.

Durch die Betrachtung der Geheimnisse des Lebens Christi mit den Augen Marias kann unsere Liebe zu Gott und zu den anderen wachsen. So wie ein Kind zu seiner Mutter eilt, wenn es Hilfe braucht, so vertrauen wir der Gottesmutter unseren Wunsch nach einem Leben in der Nähe ihres Sohnes an. Ein frommer Christ wandte sich einmal mit diesen Worten an sie: „Unbefleckte Jungfrau, ich weiß, dass ich ein armer gebrechlicher Mensch bin und bloß Tag für Tag meine Sünden vermehre …“, wozu der heilige Josefmaria bemerkte: „Du sagtest mir neulich, dass du so mit Maria, unserer Mutter, sprichst. Und ich habe dir dringend geraten, den Rosenkranz zu beten. Gesegnet sei die Eintönigkeit des stets wiederholten Gegrüßet seist du, Maria, die die Eintönigkeit deiner Sünden wegwäscht!“2

Papst Benedikt erklärte: „Wenn man den Rosenkranz betet, durchlebt man noch einmal die wichtigen und bedeutsamen Augenblicke der Heilsgeschichte; man durchläuft die verschiedenen Etappen der Sendung Christi.“3 Der Rosenkranz hilft uns, Hand in Hand mit Maria in die Geheimnisse Jesu einzutreten und sie zu erleben. Maria ist das Geschöpf, das Christus am besten kennt, denn, wie der heilige Johannes Paul II. festhielt, „in ihrem Schoß hat er Gestalt angenommen und von ihr ein menschlich ähnliches Aussehen empfangen, das eine sicher noch größere geistliche Verbundenheit mit sich bringt“4. Maria näherzukommen, bedeutet, ihrem Sohn Jesus näherzukommen.


DER HEILIGE JOSEFMARIA lud uns ein, den Rosenkranz nicht nur mit den Lippen zu beten, sondern auch mit dem Wunsch, Jesus und Maria in jeder einzelnen Szene Gesellschaft zu leisten. „Hast du diese Geheimnisse jemals betrachtet? Werde klein! Komm mit mir, und – das ist der Kern meines vertrauensvollen Gesprächs mit dir – wir werden das Leben von Jesus, Maria und Josef leben. Täglich werden wir ihnen erneut zu Diensten stehen. Wir werden ihre familiären Gesprächen hören, den Messias aufwachsen sehen, die dreißig Jahre seines verborgenen Lebens bestaunen ... Wir werden bei seinem Leiden und Tod zugegen sein ... und zur Herrlichkeit seiner Auferstehung aufblicken ... Mit einem Wort: Aus Liebe verrückt (es gibt keine andere Liebe als die Liebe) werden wir jeden einzelnen Augenblick des Lebens Jesu Christi betrachten.“5

Das beschauliche Leben ermöglicht es uns, jedes Ereignis mit größerer Tiefe zu erleben, mehr zu genießen, mitfühlender und verständnisvoller zu sein, so wie jemand, der Gott sehr nahe hat. Es ist nicht dasselbe, einen Sonnenuntergang nur zu sehen oder – ihn zu betrachten; jemand kann an einem Kunstwerk vorbeigehen und einfach nur einen flüchtigen Blick darauf werfen oder – die Elemente, die seine Schönheit ausmachen, ehrfürchtig staunend betrachten. Eine solche Lebensart führt dazu, dass wir nicht oberflächlich oder äußerlich bleiben, sondern uns auf alles einlassen, was die Realität uns bietet, insbesondere im Umgang mit den Menschen. Und wir können diese Beschaulichkeit auch leben, wenn wir den Rosenkranz beten.

In diesem Sinne geht es beim Rosenkranzgebet nicht so sehr darum, Ave-Marias zu wiederholen, ohne viel nachzudenken, sondern darum zu entdecken, was sich hinter diesen Gebeten verbirgt: Durch sie vereinen wir uns mit dem Leben Jesu, Marias und des Engels Gabriel, und zwar durch ihre eigenen Worte. Wir möchten, dass ihr Leben nach und nach Teil unseres Lebens wird, kurz, dass wir mit ihnen und mit Gott atmen, wie Papst Franziskus sich ausdrückt: „Betrachten ist nicht so sehr ein Tun, sondern ein Sein: kontemplativ sein. Kontemplativ sein hängt nicht von den Augen, sondern vom Herzen ab. Und hier kommt das Gebet ins Spiel, als Akt des Glaubens und der Liebe, als ,Atem‘ unserer Beziehung zu Gott. Das Gebet läutert das Herz und erhellt damit auch den Blick, indem es erlaubt, die Wirklichkeit von einem anderen Gesichtspunkt her zu begreifen.“6


ES KOMMT oft vor, dass wir den Rosenkranz nicht so beten und betrachten, wie wir es gerne tun würden, sei es aus mangelnder Zeit oder wegen mangelnder Konzentration. Wir versuchen, über die Ave-Marias, aus welchen die Geheimnisse bestehen, nachzudenken, doch unsere Gedanken schweifen zu anderen Dingen ab, die uns beschäftigen. Dann können uns die Worte des heiligen Josefmaria trösten und ermutigen: „Versuche die Ablenkungen zu vermeiden, aber sorge dich nicht, wenn du immer wieder abgelenkt bist. Siehst du nicht, wie im natürlichen Leben selbst die verständigsten Kinder mit dem, was sie umgibt, spielen und sich amüsieren, oft ohne darauf zu achten, was der Vater ihnen sagt? – Das kommt nicht aus mangelnder Liebe oder Achtung, sondern einfach daher, dass Kinder schwach und klein sind.“7

Daher sollte sich der Kampf beim Rosenkranzgebet nicht nur darum drehen, Ablenkungen zu vermeiden; sondern wir werden diese nutzen, um unser Gebet zu nähren und die Gedanken in Marias Hände zu legen. So haben es die Heiligen im Laufe der Geschichte gemacht. „Das Rosenkranzgebet hat mich in Momenten der Freude und der Bedrängnis begleitet“, schrieb beispielsweise der heilige Johannes Paul II. „Viele meiner Sorgen habe ich in dieses Gebet hineingelegt und darin stets Kraft und Trost gefunden.“8

Von all den Anliegen, die dem Rosenkranzgebet anvertraut werden können, haben die Päpste in letzter Zeit zwei besonders betont. Einerseits den Frieden, denn, wie Johannes Paul II. schrieb, „übt das Rosenkranzgebet (...) auf den Beter selbst einen friedensstiftenden Einfluss aus. Es disponiert ihn für das Empfangen und das Erfahren seines Seins in der Tiefe und macht ihn bereit, den wahren Frieden (...) in seiner Umgebung weiterzuschenken.“9 Und zweitens die Familie: „Eine Familie, die vereint betet, bleibt eins. Seit altersher wird der Rosenkranz in besonderer Weise als Gebet gepflegt, zu dem sich die Familie versammelt. Indem die einzelnen Familienmitglieder ihren Blick auf Jesus richten, werden sie befähigt, sich stets aufs Neue in die Augen zu schauen, miteinander zu sprechen, füreinander einzustehen, sich gegenseitig zu vergeben und in einem durch den Heiligen Geist belebten Liebesbündnis wieder neu zu beginnen.“10 Diese beiden Anliegen wollen wir Maria anvertrauen: Familien zu sein, die Frieden verbreiten, wo immer sie sind.


1 Hl. Johannes XXIII., Il religioso convegno, 29.9.1961.

2 Hl. Josefmaria, Die Spur des Sämanns, Nr. 475.

3 Benedikt XVI., Ansprache, 3.5.2008.

4 Hl. Johannes Paul II., Rosarium Virginis Mariae, Nr. 10.

5 Hl. Josefmaria, Der Rosenkranz, Prolog.

6 Franziskus, Audienz, 5.5.2021.

7 Hl. Josefmaria, Der Weg, Nr. 890.

8 Hl. Johannes Paul II., Rosarium Virginis Mariae, Nr. 2.

9 Ebd., Nr. 40.

10 Ebd., Nr. 41.

Foto: Francesco Alberti (unsplash)