Betrachtungstext: 7. Januar

Christus, das Licht von oben, zieht alle Menschen an – Licht und Leben – Zu Weihnachten gibt es Licht, der eigenen Berufung zu folgen

GESTERN haben wir das Fest der Erscheinung des Herrn gefeiert. Weise Männer aus dem Orient ‒ in der Tradition als die Heiligen Drei Könige bekannt ‒, haben beschlossen, sich in Ausübung ihres Berufes auf die Suche nach dem Licht der Welt zu machen. Sie hatten den Stern des Königs der Juden aufgehen sehen und sind ihm gefolgt, bis sie den neugeborenen König der Juden an einem bescheidenen Ort fanden, in Bethlehem, wie die Propheten das vorhergesagt haben: Du, Betlehem im Gebiet von Juda, bist keineswegs die unbedeutendste unter den führenden Städten von Juda; denn aus dir wird ein Fürst hervorgehen, der Hirt meines Volkes Israel (Mt 2,6). Auch wenn die Umstände und der Ort nach menschlichen Maßstäben keineswegs eine königliche Atmosphäre der Fülle an Gütern und Macht vermitteln, wussten die Weisen, wie man ihn erkennt. Der Prophet Jesaja hatte viel von diesem Licht gesprochen, das alle Finsternis vertreiben und die tiefsten Hoffnungen, die in jedem menschlichen Herzen schlummern, Wirklichkeit werden lassen würde. Denn siehe, Finsternis bedeckt die Erde und Dunkel die Völker, doch über dir geht strahlend der Herr auf, seine Herrlichkeit erscheint über dir. Nationen wandern zu deinem Licht und Könige zu deinem strahlenden Glanz. (...) Deine Söhne kommen von fern, deine Töchter werden auf der Hüfte sicher getragen. Da wirst du schauen und strahlen, dein Herz wird erbeben und sich weiten (Jes 60,2-5). Das Evangelium der heutigen Messe erzählt uns erneut von diesem Licht: Das Land Sebulon und das Land Naftali, die Straße am Meer, das Gebiet jenseits des Jordan, das heidnische Galiläa: Das Volk, das im Dunkel saß, hat ein helles Licht gesehen; denen, die im Schattenreich des Todes wohnten, ist ein Licht erschienen (Mt 4,14-16) – und identifiziert dieses Licht mit Jesus, der sich im heidnischen Galiläa, in Kafarnaum, niederlässt, um diejenigen zu erleuchten, die in ihrem Land noch im Dunkel lebten (vgl. Mt 4, 16).


LICHT ist die Voraussetzung für Leben. Und diese natürliche Beobachtung sowie die Beobachtung der Sterndeuter, die seinen Stern gesehen haben1spricht zu uns von einer Wirklichkeit, die über das bloß Natürliche und unmittelbar Existentielle hinausgeht. In Galiläa hatte man heidnische Götter verehrt. Aber diese Götter waren nicht in der Lage, Leben zu schenken, Licht zu bringen, die Herzen zu befriedigen. Sie hielten alle Götzenbilder der Völker für Götter ‒ heißt es im Buch der Weisheit ‒, Götter, die weder ihre Augen gebrauchen können, um zu sehen, noch ihre Nase, um die Luft einzuatmen, noch ihre Ohren, um zu hören, noch die Finger ihrer Hände, um zu tasten, und deren Füße nicht gehen können (Weish 15,15). Die Abwesenheit des wahren Gottes, des lebendigen Gottes, stürzt uns immer in eine Dunkelheit, die, auch wenn sie als Licht erscheint, uns in Wirklichkeit in uns selbst verschließt, es ist ein trügerisches Licht. Im Licht der Auferstehung hingegen, von dem das Geheimnis der Geburt Jesu seinen Ausgang nimmt, können wir die Weihnachtstage gut nützen, um erneut die Schönheit des Glaubens an unsere eigene Auferstehung mit Christus (vgl. Röm 6,8) neu zu entdecken: Erneuere deine heilige Freude darüber, dass im Gegensatz zu dem Menschen, der ohne Christus verwest, sich der Mensch erhebt, der in Christus auferstanden ist2, lädt uns der hl. Josefmaria ein. Christus kam, um uns den Weg des Lebens zu zeigen, und er tat dies mit Zeichen und Worten, mit Heilungen, die zu Zeichen werden für das neue Leben in Freiheit und Herrlichkeit. Wie voller Licht sind die Berichte im Evangelium über die Heilungen, für die Jesus alle seine menschliche und übernatürliche Kraft einsetzt. Was ist denn leichter, zu sagen: Deine Sünden sind dir vergeben! oder zu sagen: Steh auf und geh umher? (Mt 9,5). Das ist das Licht des Lebens, das die Grenzen von Krankheit und das Dunkel der Sünde hinter sich lässt, und mit der Kraft des Evangeliums heilt. Deshalb brachte man alle Kranken mit den verschiedensten Gebrechen und Leiden zu ihm, Besessene, Mondsüchtige und Gelähmte, und er heilte sie (Mt 4,24).


WEIHNACHTEN ist eine besonders geeignete Zeit, um sich auf das Entscheidende zu konzentrieren, das Licht, das wir in Bethlehem sehen. Die Berufung ist das erste; bevor wir überhaupt wissen, wie wir uns an Ihn wenden können, liebt Gott uns schon und schenkt uns die Liebe, mit der wir Ihm antworten können3 und alles andere zu relativieren, auch wenn das manchmal mit Unverständnis und Gleichgültigkeit unserer Umgebung verbunden sein wird. Erfahren wir diese Haltungen von nahestehenden Personen, kann das als besonders schmerzhaft empfunden werden. Der Blick auf das Leben der Heiligen kann uns dann helfen; oftmals haben sie so etwas wie eine allgemeine Mobilmachung gegen jene erlebt, die sich entschlossen haben, ihr ganzes Leben in den Dienst für Gott und den Nächsten zu stellen4, teilt der hl. Josefmaria seine Erfahrung als Seelsorger, der viele Personen auf den Weg ihrer Berufung mitten in der Welt geführt hat. Denn, das war seine glasklare Überzeugung, unser Herr richtet sich an alle Menschen, damit sie Ihn suchen, damit sie heilig seien. Er ruft nicht nur die Könige aus dem Morgenland, die weise und mächtig waren. Vorher bereits hatte Er zwar keinen Stern, doch einen seiner Engel zu den Hirten gesandt (vgl. Lk 2,9). Aber alle, ob arm oder reich, ob weise oder weniger weise, müssen in ihrer Seele die demütige Bereitschaft wachhalten, auf die Stimme Gottes zu hören5. Das Wort Gottes ist Licht, das in die Welt kommt. Es gibt die Nahrung, die verwandelt, die Leben schenkt. Im Wort, das in der heiligen Messe verkündet wird, erfahren wir die Kraft des Evangeliums, die die Herzen öffnet, die den Verstand erleuchtet, die den Willen stärkt, die uns mit Hoffnung erfüllt, die uns zur Nächstenliebe antreibt. Es ist ein Wort, das in seiner bescheidenen Erscheinung die ganze Macht Gottes enthält. Die Weisen aus dem Morgenland achteten auf die Zeichen und fanden das Licht durch Befragung eines Herrschers, dem die Wissenschaft dazu diente, Unrecht zu tun. Als Christen haben wir die sichere Lehre, den Gnadenstrom der Sakramente; und sicher hat Gott es in seiner Güte gefügt, dass es Menschen gibt, die uns den Weg weisen, uns leiten und uns ständig an den rechten Weg erinnern. Uns steht ein unendlicher Wissensschatz zur Verfügung6. Achtsame Aufmerksamkeit, Bekehrung des Herzens beim Hören des Wortes Gottes und das Beispiel der Heiligen lässt uns diesen Schatz heben. Denn die tiefste Auslegung der Schrift kommt in der Tat von jenen, die sich durch das Wort Gottes – im Hören, im Lesen und in der ständigen Betrachtung – formen ließen. (...) Jeder Heilige ist wie ein Lichtstrahl, der vom Wort Gottes ausgeht7.

Das Licht Gottes im Leben und in den Lehren der Heiligen ist anziehend; es gibt uns den Mut, die göttliche Berufung zur Liebe und aus Liebe zu entdecken und ihr zu folgen. Die Berufung bedeutet ja, mit Vertrauen in Gott zu leben anstatt in der eigenen Sicherheit den Blick immer weiter einzugrenzen und sich am Ende in einer falschen Sicherheit abzukapseln. Über die Heiligen Drei Könige aus dem Orient sagt Johannes Chrysostomus: Nachdem sie aber Persien verlassen hatten, erblickten sie die "Sonne der Gerechtigkeit"; aber sie hätten den Stern wohl bald nicht mehr sehen können, wenn sie nicht mutig von dort aufgebrochen wären8. Diese Feststellung ist für jeden inspirierend. Es ist gewiß kein Zufall ‒ bemerkt Benedikt XV. –, dass die großen Spiritualitäten, welche die Kirchengeschichte gezeichnet haben, aus einer ausdrücklichen Bezugnahme auf die Schrift heraus entstanden sind9.

Genau dazu sind wir heute eingeladen. Ein Herz, rein und voller Sehnsucht nach dem Großen, kann im Hören auf das Wort aufbrechen, dem Licht begegnen, das ihm entgegenkommt, und ihm großherzig folgen. Maria lädt uns dazu in ihr Haus ein, zu beten und vor Jesus, dem in der Menschheit verborgenen Gott uns nieder zu knien.Wir wiederholen vor Ihm, dass wir sein göttliches Rufen niemals mehr überhören und uns nie wieder von Ihm trennen wollen; dass wir auf unserem Weg alles beseitigen wollen, was der Treue hinderlich ist; dass wir den aufrichtigen Wunsch haben, seinen Eingebungen zu folgen.10


1 Messe vom Hochfest ‘Erscheinung des Herrn’, Ruf vor dem Evangelium.

2 Hl. Josefmaria, Im Feuer der Schmiede, Nr. 476.

3 Hl. Josefmaria, Christus begegnen, Nr. 33.

4 Ebd.

5 Ebd.

6 Ebd.

7 Benedikt XVI., Nachsynodales apostolisches Schreiben Verbum Domini, Nr. 48.

8 Hl. Johannes Chrysostomus, In Matthaeum hom. VII, 5 (PG 57, c.78).

9 Benedikt XVI., Nachsynodales apostolisches Schreiben Verbum Domini, Nr. 48.

10 Hl. Josefmaria, Christus begegnen, Nr. 35.

Foto: Simon Berger (unsplash)