Betrachtungstext: 34. Woche im Jahreskreis – Dienstag

Unsere Sicherheit auf Gott setzen – Christus in der Eucharistie – Gott wohnt auch in jedem Christen

DIE PRACHT des Jerusalemer Tempels erweckte die Bewunderung in der zivilisierten Welt jener Zeit. Er war von Nebukadnezar zerstört, nach Beendigung des babylonischen Exils dank des Glaubens des hebräischen Volkes unter großer Anstrengung jedoch wieder auferbaut worden. Der neue Tempel stammte aus dem Jahr 536 v. Chr. Im Buch der Makkabäer wird berichtet, wie er nach den Entweihungen für die Anbetung des Herrn zurückgewonnen wurde. Zur Zeit Jesu hatte König Herodes den Tempelkomplex bereits umgestalten und vergrößern lassen. Für die Juden war der Tempel trotz aller Wechselfälle der Geschichte eine Quelle des Stolzes und der Treue zum Bund mit Gott.

Daher war die Jüngerschar vor den Kopf gestoßen und verängstigt, als Jesus ihnen offenbarte, dass der Tempel in einigen Jahren erneut dem Erdboden gleichgemacht werden würde. Diese Ankündigung noch dazu aus dem Munde des Herrn zu hören, war für die Zuhörer umso mehr Grund zur Besorgnis. „Wir können uns die Wirkung dieser Worte auf die Jünger Jesu vorstellen!“, kommentierte Papst Franziskus die Episode. „Jesus will jedoch nicht über den Tempel herziehen, sondern seine Jünger und auch uns heute verstehen lassen, dass menschliche Bauwerke, auch die heiligsten, von begrenzter Dauer sind und uns keine absolute Sicherheit bieten können. Von wie viele vermeintliche Gewissheiten in unserem Leben schienen endgültig und haben sich dann als vergänglich erwiesen!1

Im Schutz des Allerhöchsten zu wohnen, mit Gott zu leben, darin liegt die kühne Sicherheit des Christen“, predigte der heilige Josefmaria. „Unser Herz wird sich nur dann mit Frieden erfüllen, wenn wir davon überzeugt sind, dass Gott uns hört und für uns sorgt. Doch mit Gott zu leben, ist auch ein Wagnis, denn der Herr gibt sich nicht damit zufrieden, zu teilen, er will alles. Ihm näher zu kommen bedeutet daher, zu einer neuen Umkehr und Begradigung des Lebens bereit zu sein, zum aufmerksameren Hinhören auf seine Eingebungen und auf die heiligen Wünsche, die er in unserer Seele weckt.2


MIT DER GRÜNDUNG der Kirche wurde der Tempel, den man aufsuchte, um Gott anzubeten, der Leib Christi selbst, besonders in seiner eucharistischen Gegenwart. Die heilige Kommunion wird zum „Ort“, an dem Christus auf uns wartet. „Das Brot, das ihr auf dem Altar seht“, wird der heilige Augustinus über die tiefe Einheit zwischen Jesus und uns sagen, „ist, geheiligt durch das Wort Gottes, der Leib Christi. Der Kelch, oder besser: das, was der Kelch enthält, ist, geheiligt durch das Wort Gottes, Blut Christi. Mit diesen [Zeichen] wollte Christus, der Herr, uns seinen Leib anvertrauen und sein Blut, das er für uns zur Vergebung der Sünden vergossen hat. Wenn ihr beides in rechter Weise empfangen habt, seid ihr selber das, was ihr empfangen habt.“3

In diesem Sinne betonte der heilige Papst Johannes Paul II.: Die Kirche lebt von der Eucharistie. Diese Wahrheit drückt nicht nur eine alltägliche Glaubenserfahrung aus, sondern enthält zusammenfassend den Kern des Mysteriums der Kirche. Mit Freude erfährt sie unaufhörlich, dass sich auf vielfältige Weise die Verheißung erfüllt: Seid gewiss: Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt (Mt 28, 20). In einzigartiger Intensität erfreut sie sich dieser Gegenwart jedoch in der heiligen Eucharistie, bei der Brot und Wein in Christi Leib und Blut verwandelt werden. Seitdem die Kirche, das Volk des Neuen Bundes, am Pfingsttag ihren Pilgerweg zur himmlischen Heimat begonnen hat, prägt dieses göttliche Sakrament unaufhörlich ihre Tage und erfüllt sie mit vertrauensvoller Hoffnung.4

Die sakramentale Gegenwart Jesu erleben wir wie ein Vorzimmer zur Ewigkeit, besonders in diesem Monat, in dem wir vermehrt der Toten gedenken und vom Himmel träumen, in dem Gott, die heilige Jungfrau Maria, alle heiligen Männer und Frauen sowie so viele geliebte Menschen uns erwarten. Der Empfang der Kommunion und die Momente der Danksagung nach der Kommunion können ein Vorgeschmack auf diese Freude sein. Die nächtliche Beleuchtung der Städte, aus der Himmelsperspektive betrachtet, gleicht jenen Lichtpunkten, die nie erlöschen, wo der Herr im Tabernakel verborgen ist: jeder strahlend in einzigartiger Helligkeit.


IM HERZEN DES CHRISTEN wohnt der Herr. Wir wissen, dass auch wir Tempel des Heiligen Geistes sind und daher in gewisser Weise nirgendwo hingehen müssen, um uns an Gott zu wenden. Nichts vermag uns zu ängstigen. Selbst wenn uns die Möglichkeit, Gott zu beleidigen, betrübt, führt dies nicht dazu, dass wir in Furcht vor ihm leben, denn wir haben immer die Möglichkeit, Vergebung zu erfahren. Die Liebe Gottes ist so groß, dass er unsere Verfehlungen bereitwillig vergisst und uns vergibt.

In der ständigen Freude über alle „Orte“ der Gegenwart Gottes wird uns nichts den Frieden rauben, auch wenn die Schwierigkeiten sehr groß und wahrhaft schmerzhaft werden können. Ist Gott für uns, wer ist dann gegen uns? (Röm 8,31). Die innere Gelassenheit, die Stärke inmitten von Widrigkeiten, sind ein Geschenk, das aus der Erfahrung der ständigen Nähe des Herrn resultiert. Alles, was um uns herum geschieht, wird zu einem ständigen Anlass, es vor den Herrn zu bringen.

„Wir sind beschauliche Menschen“, sagte einmal der heilige Josefmaria, „die einen ständigen Dialog führen, im steten Umgang mit dem Herrn – vom ersten Gedanken des Tages bis zum letzten Gedanken in der Nacht. Weil wir verliebte Menschen sind und aus der Liebe leben, haben wir unser Herz beständig auf Christus, unseren Herrn, gerichtet, kommen zu ihm über die Mutter Gottes und gelangen über ihn zum Vater und zum Heiligen Geist.“5


1 Franziskus, Angelus-Gebet, 13.11.2016.

2 Hl. Josefmaria, Christus begegnen, Nr. 58.

3 Hl. Augustinus, Sermo 227.

4 Hl. Johannes Paul II., Enz. Ecclesia de Eucharistia, Nr. 1.

5 Hl. Josefmaria, Briefe 2, Nr. 59b.