Betrachtungstext: 34. Woche im Jahreskreis – Dienstag

Unsere Sicherheit bei Gott suchen – Christus in der Eucharistie – Gott wohnt in jedem Christen

DER JERUSALEMER TEMPEL muss prachtvoll schön gewesen sein. Nebukadnezar zerstörte ihn – nach Ende des babylonischen Exils wurde er mit großem Glauben und unter erheblichem Einsatz des hebräischen Volkes neu errichtet. Dreihundert Jahre später wurde der Tempel beschlagnahmt, dem Kult des Zeus gewidmet und somit entweiht – der Presbyter Judas Makkabäus eroberte ihn zurück und weihte ihn neu. König Herodes schließlich ließ den Tempelkomplex umgestalten und vergrößern. Für die Juden war der Tempel stets ihr ganzer Stolz und ein Symbol der Treue zum Bund mit Gott.

Umso größer war der Schock, als Jesus ankündigte, dass der Tempel in wenigen Jahren vollständig zerstört werden würde. Diese Worte aus dem Mund des Herrn zu hören, löste Verwirrung und Furcht aus. Papst Franziskus kommentierte das Geschehen: „Wir können uns vorstellen, wie diese Ankündigung auf die Jünger Jesu wirkte! Doch Jesus wollte den Tempel nicht herabsetzen, sondern seinen Jüngern – und auch uns heute – verdeutlichen, dass menschliche Bauwerke, selbst die heiligsten, vergänglich sind und keine absolute Sicherheit bieten können. Wie viele Dinge in unserem Leben schienen unerschütterlich und haben sich schließlich als vergänglich erwiesen!1

Im Schutz des Allerhöchsten zu wohnen, mit Gott zu leben, darin liegt die kühne Sicherheit des Christen“, predigte der heilige Josefmaria. „Unser Herz findet erst dann Frieden, wenn wir davon überzeugt sind, dass Gott uns hört und für uns sorgt. Mit Gott zu leben, ist aber auch ein Wagnis, denn der Herr begnügt sich nicht mit einem Teil, er will alles. Ihm näherkommen heißt, bereit sein für eine erneute Bekehrung, für eine Neuordnung des Lebens und für ein aufmerksames Hinhören auf seine Eingebungen und die heiligen Wünsche, die er in unserer Seele weckt.2


MIT DER GRÜNDUNG der Kirche wurde der Ort der Gottesbegegnung neu definiert: An die Stelle des Tempels, wo man Gott anbetete, rückte nun der Leib Christi, der in der Eucharistie gegenwärtig ist. Die heilige Kommunion wird zum „Ort“, an dem Christus auf uns wartet. Der heilige Augustinus fasst die tiefe Einheit zwischen Jesus und den Gläubigen zusammen: „Das Brot, das ihr auf dem Altar seht, ist, geheiligt durch das Wort Gottes, der Leib Christi. Der Kelch, oder besser: das, was der Kelch enthält, ist, geheiligt durch das Wort Gottes, Blut Christi. Mit diesen Zeichen wollte Christus, der Herr, uns seinen Leib und sein Blut anvertrauen, die er für uns zur Vergebung der Sünden vergossen hat. Wenn ihr beides in rechter Weise empfangen habt, seid ihr selbst das, was ihr empfangen habt.“3

In diesem Licht betonte der heilige Papst Johannes Paul II.: Die Kirche lebt von der Eucharistie. Diese Wahrheit bringt nicht nur eine alltägliche Glaubenserfahrung zum Ausdruck, sondern fasst auch den Kern des Mysteriums der Kirche zusammen. Mit Freude erfährt sie unentwegt, dass sich auf vielfältige Weise die Verheißung erfüllt: Seid gewiss: Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt (Mt 28, 20). In einzigartiger Intensität erlebt die Kirche diese Gegenwart in der heiligen Eucharistie, wo Brot und Wein in Christi Leib und Blut verwandelt werden.4

Wir erleben die eucharistische Gegenwart Jesu wie einen Vorgeschmack auf die Ewigkeit, besonders in diesem Monat, in dem wir der Verstorbenen gedenken und sehnsüchtig an den Himmel denken – jenen Ort, an dem uns Gott, die Jungfrau Maria, alle Heiligen und unsere geliebten Verstorbenen erwarten. Der Empfang der Kommunion und die Momente der Danksagung danach können uns einen Abglanz dieser Freude schenken.


AUCH IM HERZEN DES CHRISTEN wohnt der Herr. Als Tempel des Heiligen Geistes tragen wir Gott in uns, sodass wir in gewisser Weise nirgendwo hingehen müssen, um uns an ihn zu wenden. Diese Nähe zu Gott schenkt uns eine tiefe innere Sicherheit. Nichts kann uns ängstigen, nicht einmal die Möglichkeit, ihn zu beleidigen. Selbst wenn uns unsere Fehler schmerzen, leben wir nicht in Angst, denn Gottes Vergebung ist uns sicher. Seine Liebe ist so groß, dass er bereitwillig vergibt und unsere Verfehlungen vergisst.

Die Freude über die vielen „Orte“ seiner Gegenwart lässt uns unseren inneren Frieden wahren, selbst wenn uns schwere Prüfungen oder Schmerz begegnen. Ist Gott für uns, wer ist dann gegen uns? (Röm 8,31), rief der schwer geprüfte heilige Paulus aus. Die Gelassenheit und Stärke, die wir in schwierigen Momenten erfahren, entspringen der Gewissheit, dass der Herr uns nahe ist. Alles, was wir erleben, können wir in Gebet verwandeln, das wir vertrauensvoll vor ihn bringen.

„Wir sind beschauliche Menschen“, sagte einmal der heilige Josefmaria, „die in einem ständigen Dialog mit dem Herrn stehen – vom ersten Gedanken des Tages bis zum letzten in der Nacht. Weil wir von Liebe erfüllt sind und aus ihr leben, richten wir unser Herz beständig auf Christus, unseren Herrn. Durch die Mutter Gottes gelangen wir zu ihm, und über ihn zum Vater und zum Heiligen Geist.“5


1 Franziskus, Angelus-Gebet, 13.11.2016.

2 Hl. Josefmaria, Christus begegnen, Nr. 58.

3 Hl. Augustinus, Sermo 227.

4 Hl. Johannes Paul II., Enz. Ecclesia de Eucharistia, Nr. 1.

5 Hl. Josefmaria, Briefe 2, Nr. 59b.