Betrachtungstext: 3. Woche der Fastenzeit – Donnerstag

Die eigene Sünde eingestehen – Aufrichtigkeit bei der Gewissenserforschung – Unsere Freiheit zurückgewinnen

ER TRIEB einen Dämon aus, der stumm war. Es geschah aber: Als der Dämon ausgefahren war, da konnte der Mann reden. Alle Leute staunten (Lk 11,14). Ohne viele Worte führt uns Lukas mitten in die Szene. Das Schriftwort vom „stummen Dämon“ hat sich in der geistlichen Tradition der Kirche nach und nach etabliert, um ein Phänomen zu beschreiben, das jeden Christen betreffen kann: die Unaufrichtigkeit. Es ist eine Haltung, die in unserem Leben gelegentlich auftauchen mag: die Schwierigkeit, irgendeinen Aspekt unseres Lebens, den wir noch nicht mit Christus erfüllt haben, anzupacken und Hilfe für die Umkehr zu suchen.

Da der Teufel der Vater der Lüge ist, setzt er seine ganze Gerissenheit dafür ein, dass wir unsere Fehler nicht erkennen. Papst Franziskus wies in einer Predigt darauf hin: „Hier gibt es einen Aspekt, der uns täuschen kann. Wenn wir sagen: ,Wir sind alle Sünder‘, wie jemand, der ,guten Morgen‘ sagt, etwas Gewohntes, sogar Geselliges, haben wir kein wahres Sündenbewusstsein. Nein: ,Ich bin ein Sünder wegen diesem, diesem und diesem.‘ (...) Die Wahrheit ist immer konkret.“1 Aufrichtigkeit beginnt bei einem elbst. Und da wir von nichts Bösem ausgenommen sind, müssen wir uns an den Herrn wenden, um Heilung zu finden. Jesus selbst macht seinen Aposteln klar, dass eine gewisse Art von bösen Geistern nur durch Gebet ausgetrieben werden kann (Mk 9,29). Wenn wir uns aber Gott in aller Einfachheit nähern und den Heiligen Geist anrufen, wird uns die Gnade zuteil, uns selbst besser kennenzulernen, um mit Jesus Christus gleichförmiger werden zu können.


ALS DER heilige Josefmaria über die Folgen nachdachte, die dieser „stumme Dämon“, dieser Mangel an Aufrichtigkeit gegenüber uns selbst und gegenüber jenen, die uns helfen können, nach sich ziehen kann, fasste er diese mit einem vielleicht starken Wort zusammen: „Armseligkeiten2. In ihrem Ursprung sind diese die logische Folge eines Mangels an sauberer Luft, wie sie allein die Wahrheit hervorbringt. Dieser Mangel verfälscht unsere Fähigkeit, die Realität unseres eigenen Lebens, aber auch die Realität der Worte der anderen zu erkennen. Wir sehen dies bei jenen, die gerade erlebt haben, wie der Herr das Wunder wirkte. Statt von diesem unerhörten Ereignis überrascht zu sein, sagten einige Leute in der Volksmenge, Jesus treibe die Dämonen durch die Macht des Beelzebul aus. Andere gingen noch weiter und forderten vom ihm ein Zeichen vom Himmel (Lk 11,16), was paradox ist, weil sie gerade Zeugen eines wahren Wunders geworden sind.

Manchmal geschieht es, so sagte der heilige Josefmaria, dass der stumme Teufel alles verdirbt, „wenn er sich in eine Seele einschleicht,3, auch die guten Dinge des Lebens, wie die Wunder, die Gott vor unseren Augen wirkt. Der Betroffene manipuliert dann seine Fähigkeit, das Wirken des Herrn – bei sich selbst und bei anderen – zu erkennen, und verdreht sogar, wie im Evangelium, dessen Absichten. Daher ist es so wichtig, dass wir täglich Gewissenserforschung machen und uns in dieser kurzen Zeit, die Gebet ist, in die Gegenwart Gottes versetzen, mit der Bereitschaft, dass der Heilige Geist unser Gewissen erleuchte und uns anstoße, Gott täglich mehr zu lieben; dann werden wir die Tiefe seiner Liebe zu uns entdecken, weil er uns wie der Vater des verlorenen Sohns in seine Arme nimmt, wenn wir unsere Schwächen und Sünden in aller Einfachheit bekennen. Daher bittet die Kirche in ihrer Liturgie alljährlich: „Neige dein Ohr und erhöre unsere Bitten. Erleuchte die Finsternis unseres Herzens durch die Ankunft deines Sohnes.4


IN SEINER Verteidigung argumentiert Jesus auf eine für jedermann verständliche Weise: Jedes Reich, das mit sich selbst uneins ist, ist dem Untergang geweiht. Er wirke nicht mit der Macht des Teufels, sagt der Herr, denn es ergäbe keinen Sinn, wenn Beelzebul gegen sich selbst vorginge. Und dann eröffnet er ihnen den entscheidenden Punkt: Dieses Wunder ist in Wahrheit ein Zeichen dafür, dass das Reich Gottes gekommen ist. Und was diese Menschen erlebt haben, ist nichts anderes als die Verwirklichung dessen, was angekündigt war und was Lukas selbst zu Beginn seines Evangeliums darlegt: Jesus ist der Gesalbte Gottes, der gekommen ist, um den Gefangenen die Freiheit zu bringen.

Wir können uns jetzt fragen: den Gefangenen von wem? Von jenem, der stärker war als sie: vom Teufel. Darauf kommt der Herr nun auch zu sprechen, und zwar mit einem Bild: Solange ein bewaffneter starker Mann seinen Hof bewacht, ist sein Besitz sicher; wenn ihn aber ein Stärkerer angreift und besiegt, dann nimmt ihm der Stärkere seine ganze Rüstung, auf die er sich verlassen hat, und verteilt seine Beute (Lk 11,21-22). Mit der ersten Sünde hat der Teufel in der Menschheitsgeschichte Boden gewonnen. Es musste Jesus kommen, der stärker ist als er, um ihn zu besiegen und den Menschen ihren wertvollsten Schatz zurückzugeben: die Freiheit.

Den stummen Teufel zu erkennen und aus unserem Leben zu vertreiben heißt, dieses hohe Gut zu schützen, das der Herr uns geschenkt hat. Wie Jesus selbst sagt: Die Wahrheit wird euch befreien (Joh 8,32). Deshalb soll die Aufrichtigkeit gegenüber uns selbst, gegenüber Gott und den anderen ein integrierender Bestandteil jener Aufgabe sein, die wir alle haben: jeden Tag für die Rückgewinnung unserer Freiheit zu kämpfen. Die heilige Maria, die freie Frau schlechthin, voll der Gnade, wird uns helfen, in jedem Augenblick in der Freiheit zu leben, die den Kindern Gottes zu eigen ist.


1 Franziskus, Predigt, 29.4.2020.

2 Vgl. hl. Josemaría, Freunde Gottes, Nr. 188.

3 Ebd.

4 Advent: 3. Woche – Montag, Tagesgebet.