Betrachtungstext: 3. Adventwoche - Mittwoch

Der Christ lebt vom Schatz der großen Hoffnung. - Gott in unserem Leben wirken lassen. - Das wunderbare Wirken Gottes durch uns.

DER HERR wird kommen und nicht zögern1. Der Advent ist eine Zeit der Hoffnung, weil das Heil nahe ist, unmittelbar bevorsteht. Seht, Gott, der Herr, kommt mit Macht2. Der Christ lebt vom Schatz der Hoffnung. Der heilige Autor definiert sie als sicheren und festen Anker der Seele (Hebr 6,19). Der Anker, versenkt in den Boden des Meeres, hält das Schiff in seiner Position; er verhindert, dass die Strömung es mitreißt oder es abdriftet. Die christliche Hoffnung gründet auf den Verheißungen Gottes, auf seiner unbedingten Liebe, und nicht so sehr auf unseren Kräften oder Möglichkeiten. Es ist eine neue, lebendige Hoffnung, die von Gott kommt. Sie ist nicht bloßer Optimismus, sie ist nicht ein Schulterklopfen oder eine freundliche Ermutigung, mit einem flüchtigen Lächeln. Nein. Sie ist eine Gabe des Himmels, die wir uns nicht selbst besorgen konnten3.

Als das jüdische Volk im Asyl in Babylonien lebte, hielten die Propheten die Hoffnung und den Mut der Vertriebenen mit der Ankündigung einer baldigen Befreiung aufrecht. In der ersten Lesung hören wir heute Worte des Propheten Jesaja, der das Volk aufruft, die Flamme einer auf Gott gegründeten Hoffnung brennend zu halten, denn nur er kann retten: Ich bin der Herr, und sonst niemand. (…) Denn ich bin Gott, und sonst niemand (Jes 45,6.22). Dank der Macht des Herrn bekommen alle Nachkommen Israels ihr Recht und erlangen Ruhm (Jes 45,25).

Die Tugend der Hoffnung bewahrt uns vor dem Auf und Ab der Mutlosigkeit und hält uns in den Momenten aufrecht, in denen das Unwetter alles mit sich zu reißen droht. Wenn das Herz von der Hoffnung lebt, versperrt es den Weg des unfruchtbaren Klagens und macht uns zu Erfolgen fähig, die unerreichbar schienen. Mit ihr können wir aus den größten Prüfungen heil hervorgehen. Der heilige Josefmaria schreibt: Schon vor Jahren, aus einer Überzeugung heraus, die von Tag zu Tag zunahm, hatte ich geschrieben: Erhoffe alles von Jesus: du hast nichts, bist nichts, kannst nichts. Er ist es, der wirkt, wenn du dich Ihm ganz überlässt. Seitdem ist viel Zeit vergangen, und diese meine Überzeugung ist noch fester, noch tiefer geworden. Ich habe gesehen, wie die Hoffnung auf Gott in vielen Menschen einen wunderbaren Brand der Liebe entfacht hat, dessen Feuer das Herz kräftiger schlagen lässt, so dass sie nicht zaudern, nicht nachlassen, auch wenn sie auf dem Weg leiden, manchmal sogar viel leiden müssen4.


DIE GROSSE HOFFNUNG zeigt sich im Wunsch, Gott in unserem Leben wirken zu lassen. Jesaja erinnert das Volk im Exil daran, dass Gott alle Dinge vollbringt: Der das Licht formt und das Dunkel erschafft, der das Heil macht und das Unheil erschafft, ich bin der Herr, der all dies macht (Jes 45,7). Der Auszug aus Babylon war nicht Folge eines Aufstands oder einer ausgeklügelten politischen oder militärischen Strategie. Gott öffnete die Wege, als die Zeit reif war.

Auf gleiche Weise geschieht es in unserem Leben. Es ist der Herr, der durch sein barmherziges Wirken das Heil auf unsere Erde bringt, denn der Herr gibt Gutes und Gerechtigkeit geht vor ihm her und bahnt den Weg seiner Schritte (Ps 85,13-14). Er ist der entscheidende Protagonist und der, der – mit unserer Freiheit rechnend – das Drehbuch unserer Geschichte schreibt. Gott will, dass wir unsererseits Einsatz und Begeisterung aufbringen, aber zugleich nicht vergessen, dass alles von ihm abhängt, denn getrennt von mir könnt ihr nichts vollbringen(Joh 15,5). Wenn du einmal den Eindruck hast, dass sich der Horizont schließt und sich die Erde mit dem Himmel vereint, dann schau auf den Himmel – riet der heilige Josefmaria. Denn so wirst du viel Gutes auf der Erde tun – indem du auf den Himmel schaust5.

Der Gründer des Werks sagte: Ich habe nichts erfunden; ein Anderer hat alles gemacht; ich habe versucht, fügsam zu sein und Ihm als Werkzeug zu dienen6. Diese Worte Kardinal Ratzingers anlässlich der Heiligsprechung von Josefmaria Escrivá fassen das Geheimnis der Heiligkeit zusammen: Gott wirken zu lassen, mit einer wirklichen Loslösung von den Aufgaben und Sorgen, indem wir zulassen, dass er uns auf den Wegen führt, die er bevorzugt. Mit dieser Verfügbarkeit öffnen sich die Tore der Welt, damit Gott gegenwärtig werden, wirken und alles verwandeln kann7.

Wenn man etwas oder jemanden erwartet, dann geschieht es, weil man die Hoffnung hat, dass dieser Wunsch in Erfüllung geht. Aber Warten verlangt Geduld und viel Vertrauen. Gott hat seine Zeiten, die nicht immer mit unseren übereinstimmen. Die Hoffnung geht Hand in Hand mit der Geduld, die keineswegs Apathie zeigt, sondern Äußerung der Stärke ist. Mit Worten des heiligen Augustinus: die Geduld ist gleichsam eine Spur Gottes in uns8, die uns befähigt zu ertragen, die unangenehmen Dinge des Lebens auf die Schultern zu nehmen, auch die Prüfungen; sie ist Fähigkeit, mit den Grenzen einen Dialog zu führen9.


ALS NACHRICHTEN über die Predigt Jesu ins Gefängnis gelangen, schickt Johannes zwei Jünger, um den Herrn zu fragen: Bist du der, der kommen soll, oder sollen wir auf einen andern warten? (Lk 7,19). Jesus empfängt sie und als Antwort weist er auf die Früchte des Wirkens Gottes in den Seelen hin: Blinde sehen wieder, Lahme gehen und Aussätzige werden rein; Taube hören, Tote stehen auf und Armen wird das Evangelium verkündet (Lk 7,22).

Johannes ist seine Sendung sehr klar bewusst – dem Messias den Weg zu bereiten –, und er vermutet, dass sein Ende nahe ist. Er will nicht im Mittelpunkt stehen. Er ist bereit, kleiner zu werden, damit Christus wächst (vgl. Joh 3,30). Er hat die tiefe Demut, auf Jesus, den wahren Gesandten Gottes, zu zeigen und selbst zurückzutreten, damit Christus wachsen kann, gehört werden kann und man ihm nachfolgen kann. (...) Das christliche Leben verlangt sozusagen das »Martyrium« der täglichen Treue zum Evangelium, also den Mut, Christus in uns wachsen zu lassen und an Christus unser Denken und unser Handeln auszurichten10. Auf diese Weise werden wir die heilende, verwandelnde und belebende Wirkung des göttlichen Handelns in unserer Seele erfahren und gute Werkzeuge in seinen Händen sein.

In einer Betrachtung sagte uns der heilige Josefmaria: Schaut auf das Vorbild des heiligen Johannes des Täufers, als er seine Jünger sandte, um den Herrn zu fragen, wer er sei. Jesus antwortet ihnen, indem er sie alle diese Wunder betrachten lässt. Ihr erinnert euch schon an diese Stelle; seit mehr als vierzig Jahren habe ich meine Kinder gelehrt, über sie zu meditieren. Diese Wunder vollbringt der Herr jetzt durch eure Hände: Menschen, die nicht sahen, und die jetzt sehen; Menschen, die nicht fähig waren, zu sprechen, weil sie vom stummen Teufel besessen waren, und die ihn jetzt hinauswerfen und sprechen; Menschen, die unfähig waren, sich zu bewegen, gelähmt für die Dinge, die nicht menschlich sind, und die diese Unbeweglichkeit durchbrechen und Werke der Tugend und des Apostolats vollbringen. Andere, die zu leben scheinen, aber tot sind, wie Lazarus: ’Iam foetet, quatriduanus est enim’.

Ihr bringt sie zu Gott und sie leben wieder – alles durch die Gnade Gottes und das Zeugnis eures Lebens und eurer Lehre, eurer klugen und unklugen Worte. Ihr dürft euch dann auch nicht wundern: denn ihr seid Christus, und Christus vollbringt diese Dinge durch euch11Alle die großen Dinge, die der Herr durch unsere Erbärmlichkeit wirken will, sind sein Werk (…). Die Frucht stammt nicht von uns (…): Die Ulme bringt keine Birnen hervor. Die Frucht stammt von Gott Vater, der so väterlich und großzügig gewesen ist, dass er sie in unsere Seele legte12.

Maria ist unsere Hoffnung. Wir nennen sie so, weil sie der sichere Weg ist, damit Gott weiter in unserer Welt seine Wunder wirkt. Die demütige Frau aus Nazaret führt weiter ihre Sendung vom Himmel aus fort und lädt uns ständig ein, die Gnade Gottes in unseren Herzen wirken zu lassen: Was er euch sagt, das tut! (Joh 2,5).


1 Eröffnungsvers, Mittwoch der dritten Adventswoche.

2 Ruf vor dem Evangelium, Mittwoch der 3. Adventswoche.

3 Papst Franziskus, Homilie in der Osternacht, 11.4.2020.

4 Hl. Josefmaria, Freunde Gottes, Nr. 205.

5 Ders., Aufzeichnungen von einer Betrachtung, 15.1.1959.

6 Kardinal J. Ratzinger, Dejar obrar a Dios, L’Osservatore Romano 6.10.2002.

7 Ebd.

8 Hl. Augustinus, De patientia, 1.

9 Papst Franziskus, Audienz, 12.2.2018.

10 Benedikt XVI., Audienz, 29.8.2012.

11 Hl. Josefmaria, En diálogo con el Señor, Ahora que comienza el año, Nr. 5.

12 Ebd.

Foto: Swapnil Dwivedi (unsplash)