Betrachtungstext: 29. Juni – Hll. Apostel Petrus und Paulus

Eine durch die Begegnung mit Christus befreite Kirche – Petrus: Die Schwachheit Gott schenken – Paulus: Ein Herz ohne Grenzen

Die Apostel Petrus und Paulus haben die Kirche begründet; sie haben den Kelch des Herrn getrunken, nun sind sie Gottes Freunde.1 Mit diesen Worten führt uns die Liturgie in das heutige Hochfest ein: Die Apostel Petrus und Paulus werden als die Grundsäulen der Christenheit gesehen. Petrus ist der Fels, über welchem Jesus seine Kirche gebaut hat, und Paulus, mit seinen Reisen und Schriften, der Apostel der Weltkirche. Durch ihren Märtyrertod haben sie die Einheit und Universalität des neuen Gottesvolkes bekräftigt.

Das Leben der beiden war nicht vorrangig von ihren Eigenschaften bestimmt, sondern von ihrer persönlichen Begegnung mit Jesus: Er war es, der sie heilte und in Apostel für andere verwandelte. Petrus wurde von seiner Skepsis und Unsicherheit befreit. Auch wenn er stark und ungestüm war, musste er die Niederlage hinnehmen, dass sie nichts gefangen hatten, obwohl sie die ganze Nacht durchgearbeitet hatten. Angesichts der leeren Netze konnte er versucht sein, missmutig alles hinzuwerfen. Doch im Vertrauen auf die Worte Jesu ‒ Fahr hinaus, wo es tief ist, und werft eure Netze zum Fang aus! (Lk 5,4) ‒ erkannte er, dass er das Ganze nochmals in Angriff nehmen sollte: Er war sich sicher, dass die Mühe nicht umsonst war, solange er mit Christus im selben Boot war.

Paulus hingegen wurde, wie Papst Franziskus sagte, „von dem religiösen Eifer befreit, der ihn zu einem glühenden Verfechter der überkommenen Traditionen gemacht hatte (vgl. Gal 1,14).“2 In seiner eisernen Gesetzestreue war er nicht offen dafür, in Jesus den erwarteten Messias zu erkennen, und verschloss sich so auch der göttlichen Liebe. Doch nach seinem Sturz auf dem Weg nach Damaskus begann er mit der tiefen Überzeugungskraft eines Menschen zu lehren, der „die Freude, Gott anzugehören, intensiv ausgekostet hat“3, wie der heilige Josefmaria sagte. Sein Leben, das sich bis dahin vielleicht allein um die Befolgung des Gesetzes gedreht hatte, verwurzelte sich in dieser persönlichen Begegnung mit Christus. Papst Franziskus kommentierte: „Petrus und Paulus übermitteln uns das Bild einer Kirche, die unseren Händen anvertraut ist, die jedoch vom Herrn mit Treue und Zärtlichkeit geleitet wird (...); einer schwachen Kirche, die durch die Gegenwart Gottes jedoch stark ist; das Bild einer befreiten Kirche, die der Welt jene Befreiung bietet, die sie sich selbst nicht geben kann.“4


JESUS warf einmal vor den versammelten Jüngern die Frage auf: Für wen halten die Menschen den Menschensohn? (Mt 16,13). Da zählten sie einige Namen auf, die sie in der Stadt so gehört hatten: Johannes der Täufer, Elija, Jeremia, einer der Propheten ... Doch dann wollte Jesus, dass jeder von ihnen eine persönliche Antwort zu geben versuchte: Ihr aber, für wen haltet ihr mich? Simon Petrus antwortete und sprach: Du bist der Christus, der Sohn des lebendigen Gottes! (Mt 16,15-16).

Angesichts dieser Antwort teilte Jesus Simon mit, dass er der Fels sein wird, auf den er seine Kirche bauen wird. Er fügt jedoch hinzu, dass seine Stärke nicht von seinen persönlichen Qualitäten abhängen werde – nicht Fleisch und Blut haben dir das offenbart (Mt 16,17) –, sondern von der Macht Gottes, des Vaters im Himmel. Und so sehen wir, wie Petrus, kaum dass wir ihn als Felsen betrachtet haben, vom Herrn zurechtgewiesen wird: Ein Ärgernis bist du mir, denn du hast nicht das im Sinn, was Gott will, sondern was die Menschen wollen (Mt 16,23). Genau diese Spannung zwischen dem, was Gott gibt, und dem, was der Mensch vermag, kennzeichnet das Leben nicht nur des heiligen Petrus, sondern auch der Kirche und eines jeden von uns. Auf der einen Seite Licht und Kraft, die von oben kommen, auf der anderen Seite die menschliche Schwachheit, die Gottes Handeln jedoch zu verwandeln vermag, wenn es auf ein demütiges Herz trifft.

Papst Benedikt führt aus: „Die Kirche ist nicht eine Gemeinschaft von Vollkommenen, sondern von Sündern, die zugeben müssen, dass sie der Liebe Gottes bedürfen, dass sie es nötig haben, durch das Kreuz Jesu Christi gereinigt zu werden.“5 Petrus verwandelte sich nicht von einem Tag auf den anderen. In seinem Leben würde er fortwährend Gottes Gaben und seine persönlichen Schwächen erfahren. So war er der Fels der Kirche: Er spürte ständig seine Unzulänglichkeiten, doch er wusste sich in der Liebe Christi zu verankern.


DER HEILIGE PAULUS gilt als Apostel der Heiden, das heißt all derer, die nicht dem jüdischen Volk angehörten. Mit Abstand betrachtet liegt gerade darin etwas Paradoxes: Er, der mit solchem Eifer die getauften Juden verfolgte, weil sie das Judentum nicht ausreichend streng befolgten, zeichnete sich später dadurch aus, dass er den Heidenvölkern das Heil Gottes verkündete. Den Schwachen bin ich ein Schwacher geworden, um die Schwachen zu gewinnen. Allen bin ich alles geworden, um auf jeden Fall einige zu retten (1 Kor 9,22), schrieb er an die Korinther. Gottes Pläne sind immer viel größer, als wir uns vorstellen können.

Es gibt kein Hindernis, das einen Christen von seinen Brüdern trennen könnte. Alles, was Paulus von den anderen Menschen unterschieden hatte, löste sich in Nichts auf, als er dem Herrn begegnete. Benedikt XVI. sagte: „Das hat sein Herz geweitet, es offen für alle gemacht. (...) Er ist zu einem umfassenden Dialog mit allen fähig geworden.“6 Der heilige Josefmaría erklärte dazu: „Des Menschen Herz vermag sich wunderbar zu weiten. Wenn es liebt, dann sprengt es, in einem Crescendo der Liebe, alle Fesseln. Wenn du Gott liebst, dann findet jedes Geschöpf in deinem Herzen einen Platz.7 Zu einer solchen Weitung des Herzens kam es beim heiligen Paulus, als er Christus persönlich begegnete.

Maria, die Mutter der Kirche, will alle ihre Kinder vereint wissen. Der heilige Josefmaria wies darauf hin: „Es ist kaum möglich, die Jungfrau authentisch zu verehren, ohne sich zugleich den übrigen Gliedern des mystischen Leibes enger verbunden zu fühlen, auch mit dem sichtbaren Haupt dieses Leibes, dem Papst.“8 Wie dem Petrus möge sie auch uns helfen, angesichts unserer Unzulänglichkeiten nicht die Hoffnung zu verlieren und uns im Felsen, der Gott ist, zu verankern. Und wie dem Paulus möge sie auch unsere Herzen weiten, damit wir die Brüderlichkeit entdecken, die uns mit der ganzen Menschheit verbindet.


1 Schott Messbuch, Eröffnungsvers, Hochfest Peter und Paul.

2 Franziskus, Predigt, 29.6.2021.

3 Hl. Josefmaria, Notizen von einem Familientreffen, 25.8.1968.

4 Franziskus, Predigt, 29.6.2021.

5 Benedikt XVI., Predigt, 29.6.2012.

6 Benedikt XVI., Audienz, 3.9.2008.

7 Hl. Josefmaria, Kreuzweg, VIII. Station, Nr. 5.

8 Hl. Josefmaria, Christus begegnen, Nr. 139.