Betrachtungstext: 22. Woche im Jahreskreis – Donnerstag

Eine ungelegene Bitte – Petrus vertraut auf Jesu Wort – Die Größe und die Schwäche berühren

PETRUS kehrt nach einer durchwachten Nacht ans Ufer zurück – all seine Anstrengungen waren umsonst gewesen, denn er hatte nichts gefangen. Nach der Beschreibung des Lukas können wir uns gut vorstellen, wie Petrus, Andreas, Jakobus und Johannes erschöpft, müde und enttäuscht ihre Netze reinigen. Es ist einer dieser Momente, in denen die Sorgen der Zukunft drückend werden, sich die Müdigkeit mit schlechter Laune paart und die Hoffnungslosigkeit sich breitmacht. Vielleicht haben sie innerlich sogar begonnen, Gott Vorwürfe zu machen, weil er ihnen bei ihrer Arbeit nicht geholfen hat. Ihre Familien waren auf den Fischfang angewiesen – wie sollten sie sie ernähren, wenn die ganze Nacht über keinerlei Beute ins Netz gegangen ist? Könnte Gott, der sich immer um sein Volk gekümmert hat, nicht hin und wieder zum See Gennesaret hinblicken?

Genau in diesem Moment erscheint Jesus und stellt eine Bitte, die zunächst völlig ungelegen kommt. Da die Menschenmenge am Ufer sehr groß ist und er keinen Platz findet, um zu sprechen, bittet er Petrus, mit dem Boot ein Stück weit vom Land wegzufahren, damit er von dort aus predigen kann (Lk 5,3). Die Fischer waren vermutlich überrascht – nach einer schlaflosen Nacht, die nichts gebracht hatte, erschien nun auch noch dieser Lehrer mit einer ungewöhnlichen Bitte.

Manchmal tritt der Herr in unser Leben mit Forderungen, die im ersten Moment unbequem erscheinen: Jemand braucht unsere Hilfe, obwohl wir selbst gestresst sind; im Gebet oder in der geistlichen Begleitung erkennen wir ein Licht, das wir nicht ganz verstehen; ein Ereignis oder eine Aussage bringt unsere innere Welt durcheinander. Es scheint fast so, als ob Christus in solchen Momenten mit uns spielt. Er möchte, dass wir lernen, unsere kleinen Schwierigkeiten und Sichtweisen loszulassen, damit er die Führung in unserem Leben übernehmen kann. In der Person, die unsere Hilfe benötigt, in dem Hinweis, den wir nicht verstehen, oder in dem unerwarteten Ereignis hat Jesus eine Botschaft für uns. Der heilige Josefmaria betete: „Wie groß du bist, o Herr! Bist es immer, mich aber rührt besonders, wenn du dich herablässt, uns nachzusteigen und in der Geschäftigkeit des Lebens zu suchen. Herr, gewähre uns die Einfachheit des Geistes, den klaren Blick, den hellen Verstand, damit wir dich erkennen, wenn du ohne äußere Zeichen deiner Herrlichkeit zu uns kommst.“1


PETRUS kennt Jesus bereits gut. Er hatte ihm in der Synagoge zugehört, ihn in sein Haus eingeladen und dort erlebt, wie er seine Schwiegermutter heilte. Zudem war er Zeuge gewesen, wie Jesus bei Sonnenuntergang alle Kranken in Kafarnaum heilte, die zu ihm gebracht wurden (vgl. Lk 4, 38-44). Obwohl Petrus weiß, wer Jesus ist, erklärt er sich vielleicht mehr aus Dankbarkeit für die Heilung seiner Schwiegermutter als aus echtem Interesse an einer weiteren Predigt bereit, Jesus zu helfen. Und er steigt ins Boot und rudert es langsam vom Ufer weg. Aufgrund seiner Erschöpfung hat Petrus wahrscheinlich kaum die Kraft, den Worten Christi zu folgen. Als die Rede endlich endet, hofft er vermutlich, endlich nach Hause gehen zu können. Doch stattdessen wird er mit einer weiteren unerwarteten Bitte Jesu konfrontiert: Fahr hinaus, wo es tief ist, und werft eure Netze zum Fang aus! (Lk 5,4). Da versuchte Petrus zu argumentieren: Wir haben die ganze Nacht gearbeitet und nichts gefangen (Lk 5,5). Und er hätte hinzufügen können: Wenn wir in der Nacht nichts gefangen haben, sind die Chancen, am helllichten Tag etwas zu fangen, noch geringer. Doch angetrieben vom Blick Jesu und der Erinnerung an die Wunder, die er miterlebt hatte, entscheidet er sich anders: Auf dein Wort hin werde ich die Netze auswerfen (Lk 5,5).

Das zukünftige Oberhaupt der Kirche hat erlebt, wie mächtig Jesu Wort ist, und vertraut ihm. Auch wenn das, was der Herr verlangt, nicht viel Sinn ergibt, folgt Petrus nicht der rein menschlichen Logik, sondern vertraut auf Jesu Wort. Er handelt sofort: Das taten sie und sie fingen eine große Menge Fische; ihre Netze aber drohten zu reißen (Lk 5,6). Dieses Vertrauen auf das Wort Jesu wird eine Konstante in Petrus' Leben bleiben: Er tut, was in seiner Macht steht, und der Meister kümmert sich um den Rest. Papst Franziskus sagte dazu: „Es war keine geeignete Zeit zum Fischen – es war helllichter Tag. Doch Petrus vertraut Jesus. Er verlässt sich nicht auf die Strategien, die er als Fischer bestens kennt, sondern auf die Neuheit, die Jesus bringt. Auf dieses Staunen, das ihn dazu bewegt, zu tun, was Jesus ihm sagt. Und das gilt auch für uns: Wenn wir den Herrn in unser Boot steigen lassen, können wir in See stechen. Mit Jesus fährt man frei von Angst über das Meer des Lebens, ohne der Enttäuschung nachzugeben, wenn wir nichts fangen, und ohne mit einem ,Da kann man halt nichts machen‘ zu kapitulieren. (…) Nehmen wir die Einladung also an: Vertreiben wir Pessimismus und Misstrauen und stechen wir mit Jesus in See! Auch unser kleines leeres Boot wird einen wunderbaren Fischfang erleben.“2


DIE SZENE vom wunderbaren Fischfang zeigt eindrucksvoll, dass Jesus, wenn wir auf sein Wort vertrauen, unsere Erwartungen weit übertreffen kann. „So handelt er mit jedem von uns“, sagte Papst Franziskus: „Er bittet uns, ihn in das Boot unseres Lebens aufzunehmen, um mit ihm neu zu beginnen und ein Meer zu durchqueren, das sich voller Überraschungen offenbart. Seine Einladung, auf die offene See der Menschheit unserer Zeit hinauszufahren, um Zeugen der Güte und Barmherzigkeit zu sein, verleiht unserem Dasein einen neuen Sinn, denn oft läuft es Gefahr zu verflachen, weil wir nur uns selbst sehen.“3

Die Wunder, die Gott in uns wirken kann, stehen nicht im Widerspruch zu unserer eigenen Schwäche. Als Petrus die Fülle des Fangs sah, warf er sich vor Jesus nieder und sagte: Geh weg von mir; denn ich bin ein sündiger Mensch, Herr! (Lk 5,8). Der heilige Josefmaria erlebte etwas Ähnliches und kommentierte einmal: „Ich versichere euch, dass ich im Laufe meines Lebens so viele Wunder der Gnade, gewirkt durch Menschenhand, erlebt habe, dass ich mich jeden Tag mehr gedrängt fühle auszurufen: Herr, geh nicht weg von mir, denn ohne dich kann ich nichts Gutes tun.“4

Die Erfahrung unserer eigenen Zerbrechlichkeit mag im Gegensatz zu dem stehen, wozu Gott uns beruft. Doch anstatt uns zu entmutigen, sollte uns diese Erkenntnis motivieren, uns noch enger an denjenigen zu binden, der unser Leben mit Größe erfüllt. „Erschrick nicht, wenn du die Last deines armen Leibes und der menschlichen Leidenschaften spürst“, schrieb der heilige Josefmaria. „Es wäre töricht und naiv, wenn du jetzt erst entdecktest, dass es ,das‘ gibt. Deine menschliche Schwachheit ist kein Hindernis, sondern ein Ansporn, um dich noch mehr mit Gott zu vereinen und ihn beharrlich zu suchen. Denn er macht uns rein.“5 Christus weist Petrus nicht zurück, als er ihm seine Sünde bekennt. Im Gegenteil, er ruft ihn zu einem Leben an seiner Seite: Fürchte dich nicht! Von jetzt an wirst du Menschen fangen (Lk 5,10). Und im Vertrauen auf Jesu Wort – wie es unsere Mutter mit ihrem fiat bekundete –, zogen sie die Boote an Land, verließen alles und folgten ihm nach (Lk 5,11).


1 Hl. Josefmaria, Freunde Gottes, Nr. 313.

2 Franziskus, Angelus-Gebet, 6.2.2022.

3 Franziskus, Angelus-Gebet, 10.2.2019.

4 Hl. Josefmaria, Freunde Gottes, Nr. 23.

5 Hl. Josefmaria, Die Spur des Sämanns, Nr. 134.