Betrachtungstext: 2. Adventwoche – Montag

Glauben und hoffen auf die Heilsmacht Gottes – Freude und Vertrauen – Den anderen durch die Überwindung der Schwierigkeiten Freude und Vertrauen vermitteln

DAS HEUTIGE EVANGELIUM zeigt uns Jesus in Kafarnaum, wahrscheinlich im Haus des Petrus. Dort hatte sich eine große Menschenmenge versammelt, um die Predigt des Meisters zu vernehmen. Auch Pharisäer und Gesetzeslehrer saßen dabei; sie waren aus allen Dörfern Galiläas und Judäas und aus Jerusalem gekommen (Lk 5,17). Der Evangelist Lukas, selbst Arzt, fügt hinzu: Die Kraft des Herrn war mit ihm, sodass er heilen konnte (Lk 5,17). Lukas leitet damit die Schilderung eines außergewöhnlichen Ereignisses ein, und die Kirche legt uns diese Stelle in der zweiten Adventswoche vor, um uns zu ermutigen, auf Gottes Allmacht zu vertrauen und Heilung zu erhoffen.

Das Haus war zum Bersten voll, als plötzlich ein unerhörtes Geschehen in Gang kam: Einige Männer brachten auf seinem Bett einen Menschen, der gelähmt war. Sie wollten ihn ins Haus bringen und vor Jesus hinlegen. Weil es ihnen aber wegen der Volksmenge nicht möglich war, ihn hineinzubringen, stiegen sie aufs Dach und ließen ihn durch die Ziegel auf dem Bett hinunter in die Mitte vor Jesus hin (Lk 5,18-19). Dieser mutige Entschluss zeugt von der großen Liebe der Männer zu ihrem Freund. Gleichzeitig offenbart die Bereitschaft des Gelähmten, sich auf diese Weise helfen zu lassen, seinen tiefen Glauben an die heilende Macht Jesu. Er nahm das Risiko auf sich, überzeugt davon, dass auch ihm ein Wunder widerfahren kann, wie es in der Region bereits viele erlebt hatten.

Die unerwartete Aktion hätte auch Missfallen erregen können, doch Jesus reagierte ganz anders. Beeindruckt vom Glauben der Männer, sagte er zum Gelähmten: Mensch, deine Sünden sind dir vergeben (Lk 5,20). Der Herr wollte also zunächst die Seele heilen. Papst Benedikt XVI. erklärt hierzu: „Der Gelähmte ist ein Sinnbild für jeden Menschen, den die Sünde daran hindert, sich frei zu bewegen, den Weg des Guten zu gehen, sein Bestes zu geben. Wenn das Böse die Seele ergreift, fesselt es den Menschen mit den Banden von Lüge, Zorn, Neid und anderen Sünden und lähmt ihn mehr und mehr.1 Deshalb begann Jesus mit der Vergebung der Sünden und sorgte dadurch für Aufregung unter den Schriftgelehrten.


DIE BARMHERZIGKEIT des Herrn ist der tiefste Grund für unsere Freude und unser Vertrauen in ihn. Der heilige Josefmaria bringt dies mit beeindruckender Klarheit zum Ausdruck: „Denkst du, deine Sünden seien zahlreich und der Herr könne dich nicht erhören? Das ist nicht der Fall, denn sein Herz ist voller Barmherzigkeit. (…) Schau, was Matthäus berichtet, als man den Gelähmten zu Jesus brachte. Der Kranke spricht nicht ein Wort: Er liegt einfach da, in der Gegenwart Gottes. Und Christus, bewegt von dieser Zerknirschung, von diesem Schmerz eines Menschen, der weiß, dass er nichts verdient, zögert nicht, seine Barmherzigkeit zu zeigen: Sei getrost, mein Sohn, deine Sünden sind dir vergeben (Mt 9,2).2

Die Reaktion der Schriftgelehrten und Pharisäer ist erwartungsgemäß. Statt sich über das Wunder zu freuen, fragen sie sich voller Misstrauen: Wer ist dieser, der Lästerungen ausspricht? Wer kann Sünden vergeben außer Gott allein? (Lk 5,21). Mit etwas Demut hätten sie wie die Jünger denken können: Wenn dieser Mann Sünden vergibt, dann muss Gott mit ihm sein. Doch in ihrer Verblendung und ihrem Bestreben, an ihrer eigenen Macht festzuhalten, verschließen sie sich den göttlichen Plänen. Jesus jedoch, der ihre Gedanken erkennt, antwortet: Was überlegt ihr in euren Herzen? Was ist leichter, zu sagen: Deine Sünden sind dir vergeben! oder zu sagen: Steh auf und geh umher? Damit ihr aber erkennt, dass der Menschensohn die Vollmacht hat, auf der Erde Sünden zu vergeben – sprach er zu dem Gelähmten: Ich sage dir: Steh auf, nimm dein Bett und geh in dein Haus! (Lk 5,22-24).

Jesus betont, dass das wichtigste Werk des Messias die Vergebung der Sünden ist. Um dies zu bekräftigen, schenkt er dem Gelähmten auch noch die körperliche Heilung. Doch das weitaus größere Geschenk – und so erlebte es auch der Geheilte – war die innere Freude, die Wiederherstellung seiner Beziehung zu Gott durch die Vergebung. In diesem Moment erfüllen sich die Worte des Propheten Jesaja, die wir in der heutigen Lesung hören: Stärkt die schlaffen Hände und festigt die wankenden Knie! Sagt den Verzagten: Seid stark, fürchtet euch nicht! Seht, euer Gott! Die Rache kommt, die Vergeltung Gottes! Er selbst kommt und wird euch retten. Dann werden die Augen der Blinden aufgetan und die Ohren der Tauben werden geöffnet. Dann springt der Lahme wie ein Hirsch und die Zunge des Stummen frohlockt, denn in der Wüste sind Wasser hervorgebrochen und Flüsse in der Steppe (Jes 35,3-6).

Der Advent ist eine Zeit der Freude, die uns einlädt, unsere Seele mit der Kraft Gottes zu stärken. Don Javier Echevarría, der frühere Prälat des Opus Dei, betont die überwältigende Liebe des Herrn: „Wie wunderbar ist die Liebe unseres Herrn Jesus Christus, (...). Nie werden wir ganz erfassen, was wir Menschen im Laufe der Geschichte an Bösem begangen haben (…). Doch auf all dieses Böse, das ihn unbeschreibliches Leid an Seele und Leib kostete, antwortet Jesus mit einer Fülle an Liebe, die jenen Sturzbach an Armseligkeit auflöst: Mensch, deine Sünden sind dir vergeben (Lk 5,20).3


IN SEINEM KOMMENTAR zum heutigen Evangelium sagte Papst Benedikt zu der Stelle, an der Jesus den Gelähmten mit seiner Bahre nach Hause schickt: „Die Botschaft ist eindeutig: Der von der Sünde gelähmte Mensch bedarf des Erbarmens Gottes, und Christus ist gekommen, um ihm diese Barmherzigkeit zu schenken, damit er, im Herzen geheilt, in seinem ganzen Dasein neu aufblühen kann.“4

Die Reaktion des Geheilten ist bemerkenswert: Und sogleich stand er vor ihren Augen auf, nahm das Bett, auf dem er gelegen hatte, und ging Gott preisend in sein Haus (Lk 5,25). Wer die göttliche Barmherzigkeit erfährt – sei es durch die Vergebung der Sünden oder die Heilung von einer Krankheit – empfindet das Bedürfnis, diese Freude mit anderen zu teilen. Der Geheilte kehrt voller Dankbarkeit zu seiner Familie zurück, um Zeugnis abzulegen von dem, was Gott an ihm gewirkt hat. Weder die Widerstände seines Umfelds noch die Kritik der Schriftgelehrten und Pharisäer hielten ihn davon ab. Der heilige Josefmaria erinnert uns daran, dass „Christus die Wirksamkeit unseres Bemühens, andere mitzureißen, normalerweise an das innere Leben knüpft“, und rät: „Wir sollten uns dies sehr gegenwärtig halten, wenn wir die Zeit nicht sinnlos vergeuden wollen – auch nicht mit falschen Ausreden wegen der Widerstände des Umfelds, die seit Beginn des Christentums nie gefehlt haben.5

Widerstände und Herausforderungen, so lehrt er, sind kein Hindernis, sondern eine Gelegenheit, unseren Glauben und unsere Treue zu vertiefen. Manchmal kommen diese Widerstände aus unserem eigenen Inneren – in Form von Schwächen oder Versuchungen, die uns glauben lassen, dass das, was Gott von uns verlangt, unmöglich sei. In solchen Momenten kann uns der Rat des heiligen Josefmaria Kraft schenken: „Wir werden Wunder wirken wie Christus, wie die ersten Apostel. Vielleicht sind diese Wunderwerke an dir, an mir schon geschehen: Vielleicht waren wir blind oder taub oder lahm oder verbreiteten schon den Geruch des Todes, und dann hat uns das Wort des Herrn aus unserer Kraftlosigkeit aufgerichtet. Wenn wir Christus lieben und ihm aufrichtig folgen, wenn wir nicht uns selbst suchen, sondern allein ihn, dann werden wir in seinem Namen anderen Menschen das umsonst geben können, was wir umsonst empfangen haben.6

Unsere heiligste Mutter tritt vor ihrem Sohn für uns ein, damit sich, wie vor einundzwanzig Jahrhunderten, als Frucht unseres Zeugnisses auch heute wiederholt: Da gerieten alle außer sich und priesen Gott (vgl. Lk 5,26).


1 Benedikt XVI., Angelus-Gebet, 19.2.2006.

2 Hl. Josefmaria, Freunde Gottes, Nr. 253.

3 Javier Echevarría, Getsemani, Planeta, Barcelona 2005, VII, 12 (auf Deutsch bisher nicht verfügbar)

4 Benedikt XVI., Angelus-Gebet, 19.2.2006.

5 Hl. Josefmaria, Freunde Gottes, Nr. 5.

6 Ebd., Nr. 262.

Foto: pasja1000 (pixabay)