AM FREITAG, dem 14. Februar 1930, ging der heilige Josefmaria frühmorgens in Madrid in ein kleines Oratorium, um die Messe zu feiern. Kurz nachdem er unseren Herrn empfangen hatte, entstand etwas Neues in ihm. Manchmal kommt es vor, dass während der Messe der Wunsch aufkommt, sich näher mit Jesus zu identifizieren, eine Sehnsucht nach Heiligkeit, eine Erleuchtung über das Geheimnis Gottes... Aber dieses Mal war es etwas viel Größeres als sonst: Er verstand, dass von nun an viele Frauen von Gott berufen sein würden, sich der Sendung des Opus Dei anzuschließen, das vor etwas mehr als einem Jahr gegründet worden war. Anlässlich des fünfzigsten Jahrestages dieses Ereignisses wies Don Alvaro del Portillo, der erste Nachfolger des heiligen Josefmaria an der Spitze des Werkes, darauf hin, dass in der Heiligen Messe, dieser immerwährenden Vergegenwärtigung des Opfers Jesu Christi, dieser Funke der göttlichen Liebe entspringt, der in so vielen Herzen ein Feuer der Liebe entzünden wird1.
Durch göttlichen Willen geschah im Jahr 1943 etwas sehr Ähnliches. Der heilige Josefmaria hatte die Messe in einem Haus seiner Töchter, ebenfalls in Madrid, gefeiert. Am Ende der Feier, so der Gründer, zeichnete ich das Siegel des Werkes ‒ das Kreuz Christi, das die Welt umarmt, eingesenkt in ihr Inneres ‒ und konnte von der Priestergesellschaft vom Heiligen Kreuz sprechen. Dankt Gott für alle diese seine Wohltaten2.
Der Geist des Werkes ist vor allem ein Geschenk Gottes, immer wieder neu. Wie der heilige Josefmaria sagte, handelt es sich nicht um ein Projekt, das von menschlichen Köpfen entworfen wurde, um Probleme der Vergangenheit oder eines bestimmten Ortes zu lösen3. Das Werk wird mit jeder Person, die dazu berufen ist, es im Leben zu verwirklichen, immer wieder neu geboren: Es wohnt im ewigen Heute des Auferstandenen4. Deshalb können wir uns an den 2. Oktober 1928 und die anderen Gründungsdaten erinnern, um mit der gleichen Kühnheit Gottes in die Zukunft zu gehen. Auf diese Weise können wir in jedem Alter jene mitreißende Lawine5 wiederentdecken, die der Heilige Geist für uns und für die Menschen um uns herum vorbereitet hat.
EIN WESENTLICHER TEIL der Aufgabe, die Gott dem heiligen Josefmaria an jenen Gründungstagen und später so vielen Menschen durch ihn gegeben hat, ist es, einer Familie Leben zu geben. In diesem Plan Gottes kommt der Präsenz von Frauen im Werk eine besondere Bedeutung zu. Mit dieser Präsenz ist eine notwendige Voraussetzung dafür gegeben, dass im Opus Dei tatsächlich ein Familiengeist herrscht6. In der Tat ist das Werk vor allem eine große Familie mit Männern und Frauen jeden Alters, in die jeder und jede seine oder ihre eigene Art zu sein, seine oder ihre Talente und Interessen einbringt. Das bedeutet, dass jeder einzelne Mensch im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit und der Gebete aller steht, vor allem dann, wenn er oder sie aus irgendeinem Grund in besonderer Not ist. Der Psalmist sagt: Siehe, wie gut und wie schön ist es, wenn Brüder miteinander in Eintracht wohnen. (...) Denn dorthin hat der Herr den Segen entboten, Leben bis in die Ewigkeit (Ps 133,1.3). Die Aufgabe einer Familie besteht darin, einen idealen, fruchtbaren Raum zu schaffen, in dem jedes Mitglied einen Platz findet, an dem es Wurzeln schlagen und sich voll und ganz wohlfühlen kann. Gleichzeitig war der heilige Josefmaria der Meinung, dass die apostolischen Aktivitäten des Opus Dei ‒ also die Bereiche Ausbildung und Leitung ‒ für Männer und Frauen getrennt durchgeführt werden sollten. Dies steht natürlich nicht im Widerspruch zu der tiefen Einheit, die die Herzen aller bewegt.
Eine über die ganze Erde verstreute Familie kann in der Tat durch die Gemeinschaft der Heiligen geeint werden, die sich der Gründer des Opus Dei bildlich als die Fähigkeit vorzustellen pflegte, dass man dasselbe arterielle Blut teilt. Die selige Guadalupe Ortiz de Landázuri erlebte diese Art der Einheit in vielerlei Hinsicht. Am Mittwoch, dem 4. Juni 1958, hatte Don Alvaro den eucharistischen Jesus zum ersten Mal im Tabernakel des Zentrums des Werkes in Madrid gelassen, wo sie lebte. In einem Brief an den heiligen Josefmaría, der sich zur selben Zeit viele Kilometer von dort im entfernten Italien aufhielt, berichtete Guadalupe von diesem Ereignis: [Don Álvaro] sprach zu uns über Rom, und es schien uns, dass wir dort ganz in der Nähe des Vaters waren, wie wir es in Wirklichkeit immer sind, und wir wollen es immer mehr sein, auch wenn wir, wie jetzt, weit weg sind7. Diejenigen, welche die echte Liebe, ein Widerspiegeln der göttlichen Liebe, erlebt haben, wissen, dass die räumliche Trennung, die physische Entfernung sehr relativ sind, wenn es darum geht, anderen Menschen nahe zu sein, besonders zum Datum eines besonderen Jahrestages.
NACH dem Zweiten Vatikanischen Konzil richtete die Kirche diese Worte an alle Frauen: Die Stunde ist gekommen, in der sich die Berufung der Frau in ihrer Fülle vollendet (...). Aus diesem Grund können Frauen, die vom Geist des Evangeliums durchdrungen sind, in dieser Zeit, in der die Menschheit einen so tiefgreifenden Wandel erlebt, viel beitragen8. Es ist ein Prozess, der immer im Gange ist und in dem die Frauen des Opus Dei aufgerufen sind, all ihren geistlichen und menschlichen Reichtum in den Dienst des Dialogs mit den Menschen unserer Zeit [zu] stellen9. Dies ist genau die göttliche Sendung, die dem heiligen Josefmaria 1928 übertragen wurde: den Veränderungen in der Gesellschaft von innen her das Gesicht Christi zu geben, indem man Hauptakteur der Geschichte ist.
Meine Töchter, sagte der Gründer des Opus Dei an einem 14. Februar, ich möchte, dass ihr heute begreift, wie viel der Herr, die Kirche und die ganze Menschheit von der weiblichen Abteilung des Opus Dei erwarten; und dass ihr, indem ihr die ganze Größe eurer Berufung erkennt, sie jeden Tag mehr liebt10. Die Berufung der Frauen im Opus Dei ist eine apostolische Berufung, ein Licht, das der Herr entzündet hat, damit es auf den Leuchter (Lk 11,33) gestellt werden kann, damit sein Licht und seine Wärme alle erreichen. Von der Heiligkeit der Frauen hängt zu einem großen Teil die Heiligkeit der Menschen ihrer Umgebung ab11.
Jeder 14. Februar ist ein Tag des dankbaren Gebets zu Gott und des Feierns. Zum einen, weil in Kontinuität mit dem 2. Oktober an diesem Tag ein Weg wahrer christlicher Freude für viele Frauen und damit für alle eröffnet wurde, und zum anderen, weil Gott seine Kirche weiterhin durch die Priester des Werkes reich segnet, die alle Straßen der Erde mit Heiligkeit erfüllen, indem sie Christus ihre Stimme und ihre Hände leihen. Im Tagebuch des Zentrums, in dem viele Frauen des Opus Dei in Rom, in der Nähe des heiligen Josefmaria lebten, ist zum Jahrestag dieses Datums vermerkt: Heute ist ein großer, glücklicher Tag, voller Freude für uns. Es ist ein Tag, an dem alle Glocken in Rom läuten, ein Tag, an dem man den ganzen Tag damit verbringt, Gott zu danken. Und es ist auch ein Tag zum Feiern, denn es ist so, als ob es jedermanns Namens- und Geburtstag wäre12. Diese Freude ist dazu imstande, alle jene zu erreichen, die in den Genuss der Wärme des Werkes kommen und mit denen wir gemeinsam mit der heiligen Maria für alle Gaben danken, die Gott seiner Kirche geschenkt hat.
1 Sel. Alvaro del Portillo, Hirtenbrief, 9. Januar 1980, 6.
2 Hl. Josefmaria, Notizen von einem Familientreffen, 14. Februar 1958.
3 Vgl. hl. Josefmaria, Instruktion über den übernatürlichen Geist des Werkes Gottes, Nr. 15.
4 Papst Franziskus, Gaudete et exsultate, Nr. 173.
5 Hl. Josefmaria, Brief 32, Nr. 41.
6 Prälat Fernando Ocáriz, Die Berufung zum Opus Dei als Berufung in der Kirche, in Das Opus Dei in der Kirche, Bonifatius, Paderborn, 1997, S. 147.
7 Sel. Guadalupe Ortiz de Landázuri, Brief an den hl. Josefmaria, 4.6.1958, in: Letras a un santo II.
8 Hl. Paul VI., Botschaft an die Frauen zum Abschluss des Zweiten Vatikanischen Konzils, 8. Dezember 1965, 3. und 4.
9 Prälat Fernando Ocáriz, Brief, 5. Februar 2020.
10 Hl. Josefmaria, Danksagung nach der hl. Messe, 14. Februar 1956.
11 Prälat Fernando Ocáriz, Brief, 5. Februar 2020.
12 Villa Sacchetti Tagebuch, 14. Februar 1950.