Priester sein heißt Hostie werden

Der Dienst des Priesters ist kein „Job“, der beliebig gewechselt werden könnte.

„Ich bitte Gott, den Herrn“, so betete der heilige Josefmaria Escrivá, „er möge uns allen, die wir Priester sind, die Gnade schenken, heiligmäßig das Heilige zu tun, die Gnade, auch in unserem Leben die Wundertaten seiner Größe widerzuspiegeln“(1). Der Heilige zitiert dann Gregor den Großen, der sagt: „Die wir die heiligen Geheimnisse des Leidens des Herrn feiern, haben dem nachzueifern, was wir vollziehen. Dann wird die Hostie unseren Platz vor Gott einnehmen, wenn wir selbst zur Opfergabe werden“(2). Christus, der sich selbst in der Hostie zum Opfer bringt, bestimmt also den Platz der Priester vor Gott als solche, die hineingenommen sind in sein Kreuzesopfer. Das braucht hier und jetzt nicht schon die Gestalt anzunehmen, wie sie zum Ausdruck kommt in dem, was mir vor Jahren ein Mitbruder anvertraute; es schließt aber auch solche Konsequenzen nicht aus. 

Ein Lebenszeugnis

Dieser Mitbruder war noch am Tag des Mauerbaus von Berlin, am 13. August 1961, über die innerdeutsche Grenze von Westen nach Osten gegangen als Seminarist, der bald die Weihen empfangen sollte. Er spürte die Not unserer Glaubensbrüder im Osten und wollte eher dort, als im gesicherten Westen mit all seinen Bequemlichkeiten seinen späteren Priesterdienst erfüllen. Er wurde dann im Osten zum Priester geweiht. Er leistete eine sehr wirksame und intensive pastorale Arbeit und baute eine ganze Gemeinde auf. Er verstand es, über für die damaligen Verhältnisse recht ungewöhnliche und manchmal riskante Wege viel Hilfe aus dem Westen einzuschleusen. Eines Tages erkrankte er an Leukämie, noch keine 35 Jahre alt. Er kam aus einer sehr frommen, soliden und kinderreichen rheinischen Familie und lebte ganz aus dem Glauben. Dabei war er ein sehr aktiver Mensch, immer mit neuen Projekten befasst. Weil man ihn im Osten beim fortgeschrittenen Stadium seiner Krankheit nicht so gut behandeln konnte, hatten gute Freunde ihn, trotz eines gewissen Widerstrebens seinerseits, zurückgebracht in den Westen. Nun lag er in Köln in der Lindenburg, der Universitätsklinik, und litt ziemlich an den höchst unangenehmen Begleiterscheinungen seiner Krankheit: Schmerzen, eiternde Wunden usw. Zwei Tage vor seinem Tod sagte er mir: „Weißt du, jetzt, wo ich hier liege und nichts tun kann, kann ich doch viel mehr tun für meine Gemeinde.“

Das Leben Christi im Leben des Priesters

Bis zum letzten Atemzug braucht der Herr den Priester an seinem Platz, als Hostie. Darin wird vor allem deutlich, was das Konzil von den Priestern sagt: Sie haben nicht nur in der Person des Hauptes Christus zu handeln (3), sondern das Konzil spricht ausdrücklich davon: „Presbyteri personam Christi gerunt“(4). Das ist keineswegs leicht zu übersetzen. Sie haben also das Leben Christi zu führen. Die Identifikation erfasst sie bis in die letzten Fasern ihres Seins. Nichts ist davon ausgenommen. Priestertum ist also kein „Job“, keine „Funktionswahrnahme“, deren Subjekt beliebig ausgewechselt werden könnte. Die Aufgabe der Priester in dieser Welt ist nicht mehr und nicht weniger als die Erfüllung dessen, was der Herr sagt: „Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch“ (Joh 20,21), gekennzeichnet von Tod und Auferstehung des Herrn. Weshalb und mit welchem Auftrag hat der Vater den Sohn gesandt? – Jesus gibt die Antwort: „Gott hat die Welt so sehr geliebt, dass er seinen einzigen Sohn dahingab.“  

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(1) J. Escrivá, Priester auf ewig, S. 29.

(2) Gregor d.Gr., Dialogus 4,59 - PL 77,428.

(3) Vgl. II. Vat.Konzil, Dogm. Konstitution Lumen gentium, 10, Dekret Presbyterorum ordinis, 2.

(4) II. Vat. Konzil, Missionsdekret Ad gentes, 39. 

 

von Klaus M. Becker