Meister der guten Laune

José Luis Soria lernte den heiligen Josefmaria 1953 kennen. Er war Arzt, wurde 1956 zum Priester geweiht und lebte und arbeitete von diesem Moment an bis zum Todestag des heiligen Josefmaria in Rom an dessen Seite. Für ihn hatte der hl. Josefmaria eine optimistische, frohe Haltung dem Leben gegenüber, die den Umgang mit ihm anziehend und positiv machte.

José Luís Soria, Kanada 2009

José Luis Soria lernte den heiligen Josefmaria 1953 kennen. Er war Arzt, wurde 1956 zum Priester geweiht und lebte und arbeitete von diesem Moment an bis zum Todestag des heiligen Josefmaria in Rom an dessen Seite. Zur Zeit verrichtet er seine priesterliche Arbeit in Kanada.

Ihrer Meinung nach ist einer der charakteristischsten Züge der Persönlichkeit des heilige Josefmaria seine gute Laune. Sie haben sogar ein Buch mit dem Titel: Meister der guten Laune geschrieben Wie zeigte sich dieses Merkmal bei ihm?

In der Tat erkläre ich in diesem Buch, was meiner Ansicht nach ein Charakteristikum der Persönlichkeit des hl. Josefmaria war. Auf der einen Seite war es seine optimistische, frohe Haltung dem Leben gegenüber, die den Umgang mit ihm so anziehend und positiv machte. Das war seine gute Laune, seine Freude im engeren Sinne, ein Teil seines Temperamentes, das verstärkt wurde durch seine ehrliche und radikale Art und Weise, sich als Kind Gottes zu wissen.

Auf der anderen Seite zeigt die Schnelligkeit, mit der er auf seine Gesprächspartner mit einem scherzhaften oder treffenden Kommentar reagierte, dass er auch einen besonders gut entwickelten Sinn für Humor besaß, was ja mehr ist als einfache Fröhlichkeit. Es ähnelte dem, was die Engländer wit nennen, das ist die Fähigkeit, direkt das Widersprüchliche, Zweideutige oder Unfeine zu bemerken und auf diese Gegebenheit mit einem unerwarteten und erheiternden Satz oder einer entsprechenden Geste zu reagieren. Der heilige Josefmaria war auch in dieser Hinsicht ein Meister. In einer familiären und entspannten Atmosphäre hatte man angesichts seine intelligenten und humorvollen Bemerkungen oft Anlass zu lächeln oder sogar offen zu lachen.

Der heilige Josefmaria hatte andererseits eine starke Persönlichkeit und einen ebensolchen Charakter, er sagte ohne Umschweife, was zu sagen war. Konnte das nicht manchmal zu Spannungen führen? Wie wies er zurecht?

Sicher hatte er eine direkte Art, die Dinge zu sagen und ein für die Aragonier typisches Temperament. Er pflegte zu sagen, dass Gott ihn unter anderem aus diesem Grund als Gründer des Opus Dei ausersehen hatte, da er bei der Aufgabe, das Opus Dei voranzubringen Schwierigkeiten und Hindernisse jeder Art überwinden musste. Das verursachte manchmal angespannte Situationen, zumal wenn die betroffene Person den heiligen Josefmaria nicht kannte oder selbst eher schüchtern war. Jede Korrektur tut weh, weil sich unsere Eigenliebe immer verletzt fühlt. Aber in den zweiundzwanzig Jahren kann ich mich nur an eine Gelegenheit erinnern, bei der der heilige Josefmaria mich ohne Anlass zurechtgewiesen hat. Sobald er es bemerkte, bat er mich um Verzeihung und zeigte mir mit Taten, dass er mich ohne Abstriche gern hatte.

Ich möchte erwähnen, dass jede Zurechtweisung, die er machte, von einer kleinen Geste der Zuneigung begleitet wurde, selbst wenn diese einem Beobachter von außen unbedeutend erschien. So erinnere ich mich zum Beispiel daran, was er zu tun pflegte, wenn er einen von denen, die mit ihm zusammen arbeiteten, während des Morgens hatte zurechtweisen müssen. Dann kam er manches Mal zum Beisammensein, das wir nach dem Mittagessen mit ihm hatten, mit einer – nur einem – Bonbon, das er zwischen Daumen und Zeigefinger der rechten Hand hielt. Wenn wir ihn so kommen sahen, wussten wir schon, dass der Empfänger der Süßigkeit derjenige sein würde, dem morgens ein Hinweis gegeben worden war. Immer übergab der heilige Josefmaria die Praline mit einem Lächeln und einem jener liebevollen Anreden, die er im Familienkreis benutzte: toma, melón; oder toma, ladrón (nimm, du Dummkopf, oder: hier, du Gauner).

War es schön, in seiner Nähe zu leben? Manchmal möchte man denken, dass das Leben mit einem Heiligen nicht leicht ist. Was sagen Sie dazu?

Der heilige Josefmaria äußerte genau diesen Gedanken mit anderen Worten, wenn er uns sagte – und dabei schloss er sich selbst mit ein –, wir müssten vermeiden, dass „man zwei Heilige braucht, um einen Heiligen zu ertragen“. Ich habe das immer als Ausdruck dafür interpretiert, dass es sehr schwierig ist, mit jemandem zusammen zu sein, der sich für heilig hält, denn dann können sich objektive Manien oder persönliche Meinungen fast in Glaubensdogmen verwandeln. Aber das passierte beim heiligen Josefmaria nicht, und zwar hauptsächlich aus zwei Gründen. Erstens, weil seine Heiligkeit – und daher seine Demut und seine Liebe – echt war. Das kirchliche Lehramt ist heute der oberste und endgültige Zeuge dieser Tatsache, obwohl der heilige Josefmaria von sich selbst als von „einem Sünder, der Jesus Christus liebt“, sprach. Und zweitens, weil er eine große Liebe zur persönlichen Freiheit hatte. Er erlegte keine Dogmen auf und korrigierte sich, wenn er merkte, dass er sich geirrt hatte. Außerdem verteidigte er glühend die Freiheit eines jeden im Werk.

In der Tat ist die gute Laune nicht nur vereinbar mit der Nächstenliebe, sondern sie kann eine ihrer einfühlsamsten Formen sein. Unter den Charismen, die Gott dem Gründer des Opus Dei geschenkt hat, gibt es eins, das für die, die ihn nicht kannten, fast unbemerkt bleiben konnten: die Menschen auf der leicht ansteigenden Ebene der guten Laune zu Gott zu führen. Im Weg hatte er geschrieben: Echte Tugend ist nicht traurig und unsympathisch. Sie ist froh und liebenswürdig. Und das versuchte er immer zu leben. Daher war es ungemein schön, mit ihm zusammen zu sein, auch wenn die Zeiten nicht fehlten, in denen sich Müdigkeit oder Krankheit im Familienleben bemerkbar machten. Sie konnten sehr hart sein, aber wir wussten alle, dass sie wie isolierte Klippen mitten in einem Meer von echter Zuneigung, Friede und Freude waren.

Rom, 23.4.1973

Wie reagierte er angesichts von objektiv schlimmen Ereignissen: Verleumdungen, fehlende Treue zu Christus, die schwere Krankheit oder der Tod eines geliebten Menschen?

Immer habe ich miterlebt, dass er sehr übernatürlich reagierte, als ein Mensch mit viel Herz und mit echten Glauben. Je nach Art der widrigen Umstände konnte er wohl traurig werden, wenn das Geschehen einen Mangel an Treue zu Christus implizierte, sei es nun eine Verleumdung oder mangelnde Großzügigkeit Gott gegenüber. Er wandte jedoch selbst die Formel an, die er uns immer anriet: beten, schweigen, lächeln, verzeihen. Ich erinnere mich an seinen Schmerz, der aber mit einem großen Frieden vereinbar war, als er die Nachricht von der Krankheit erhielt, an der José María Hernández Garnica, einer der ersten drei Priester des Opus Dei, litt (und an der er später starb). Er bat mich, ihm die ärztliche Diagnose, die in einer medizinischen Fachsprache verfasst war, detailliert zu erläutern. Nur wir beide befanden uns in dem Zimmer. Als ich die Bedeutung der ärztlichen Erläuterungen und der schwerwiegenden Prognose zu erklären begann, fing der heilige Josefmaria an, untröstlich zu weinen. Als ich fertig war, sagte er: Mein Sohn, verzeih mir dass ich dir schlechtes Beispiel gegeben habe, aber so hast du auch gesehen, dass der Vater ein Herz hat. Und dann betete er ganz langsam, wie um es auszukosten, das Gebete, das er in den Punkt 691 vom Weg eingeschlossen hatte: Es geschehe, es erfülle sich, gelobt und in Ewigkeit verherrlicht sei der über alles gerechte und über alles leibenswerte Wille des Herrn. – Amen. – Amen.

Und wie war das bei den Kleinigkeiten des Alltags, die recht mühsam und lästig sein können?

In dieser Hinsicht habe ich die Erfahrung gemacht, dass man normalerweise nicht merkte, ob diese Dinge – wie etwa technische Pannen oder Schäden, Lichtausfälle, persönliche gesundheitliche Unpässlichkeiten usw. – ihm etwas ausmachten. Die fehlenden Reaktionen – wie ich es mal nennen möchte – waren in Wirklichkeit das Ergebnis eines übernatürlichen Prozesses, in den unter anderem die Annahme des Willens Gottes, die Stärke angesichts der Unbequemlichkeit und die Loslösung von jeder Art persönlichen Komfort einflossen. Er war sich bewusst, dass es um eine passive Abtötung ging, die er guten Mutes annahm, da er den Wunsch hatte, das Kleine und Gewöhnliche zu heiligen – was ja ein spezifischer Zug der Spiritualität des Opus Dei ist.

Die Lage war etwas anderes, wenn die Widrigkeit aus einem menschlichen Faktor wie Mangel an Verantwortung, Nachlässigkeit, Faulheit usw. erwuchs. Meistens reagierte er dann, indem er die entsprechenden Person zurechtwies – manchmal recht energisch –, um ihr zu helfen, aber nicht, weil die Tatsache selbst ihn ärgerte, sondern weil sie vermutlich eine Beleidigung Gottes oder zumindest fehlende Liebe zu Gott darstellte.

Der hl. Josefmaria, Alvaro del Portillo; Guatemala, 19.2.1975

Was möchten Sie denen, die später zum Opus Dei gekommen sind, von Ihrer persönlichen Erfahrung mitgeben?

Ich möchte ihnen ans Herz legen, gut zu verstehen, warum der heilige Josefmaria so darauf bestand, die Frömmigkeitsübungen, die den geistlichen Lebensplan der Gläubigen der Prälatur bilden, zu erfüllen: Erfüllt mir die Normen, sagte er unaufhörlich. Aber es darf sich nicht um eine reine Erfüllung handeln, wie es auch Bischof Alvaro del Portillo, sein unmittelbarer Nachfolger an der Spitze des Opus Dei, betonte. Mit einem Wortspiel erklärte Don Alvaro, dass „cumplimiento“ (Erfüllung) nicht „cumplo-y-miento“ (erfüllen und gleichzeitig lügen) sein darf. Das würde bedeuten, die Normen als eine anstehende Aufgabe anzusehen, die man alle quantitativ exakt erfüllt, vielleicht jedoch ohne auf die Qualität zu achten. Der heilige Josefmaria lehrte, dass jede Norm eine Begegnung mit Christus darstellen soll; das heißt, sie ist nicht nur ein frommer Akt, den man aus Pflichtbewusstsein erfüllt wie jemand, der sich von einer Aufgabe befreit, um sich dann anderen Dingen zuzuwenden. Das ist meine persönliche Erfahrung: Die Gläubigen werden den heiligenden Wert jeder Andachtsübung entdecken, wenn sie sie treu, mit Liebe zu Gott und möglichst aufmerksam verrichten. Sie sollten sie so machen, dass das Niveau ihrer Gegenwart Gottes nach der Erfüllung einer Norm steigt. So, und nur so, werden sie am Ende kontemplative Menschen mitten in der Welt sein, wie es der heilige Josefmaria war.