Ein Notfall

D. M., Spanien

Ich befand mich auf dem Rückweg nach Saragossa. Ich hatte zuvor einige Tage in El Masbou (Barcelona) verbracht hatte, wo ich versuchte das Haus - einen Neubau - einzurichten, damit meine Mutter mit einem meiner Brüder dort einziehen könnte. Auf halber Strecke bei der Rückfahrt erreichte mich ein Anruf, dass meine Mutter infolge eines Sturzes auf der Treppe, der eine Gehirnblutung ausgelöst hatte, in kritischem Zustand ins Krankenhaus eingeliefert worden war. Die Sache sah sehr schlecht aus.

Ich fuhr sofort von der Autobahn ab und machte mich in Richtung Vic auf den Weg. Dort hatte meine Mutter den Sommer verbracht. Ich weiß nicht wie viele Gebetszettel man innerhalb von einer Strecke von 200 km beten kann. Ich betete so viele, wie ich nur konnte. Auch meine Geschwister beteiligten sich daran.

Als ich im Krankenhaus ankam, traf ich meine Mutter bei Bewusstsein an; sie schien mir aber sehr viel älter geworden und stand unter Schock. Wir konnten nicht verstehen, was sie sagte, es schien uns aber, dass sie Gebete murmelte. Ich fragte sie, ob sie die Krankensalbung empfangen wollte. Kurze Zeit darauf erschien der Krankenhausseelsorger, der ihr in Anwesenheit aller ihrer Kinder die Krankensalbung spendete. Sie war in der Lage, den Gebeten zu folgen. Uns allen erschien sie jetzt ruhiger.

Die Ärzte klärten uns darüber auf, dass man jetzt nichts mehr machen könne, da sich bei der Scanner-Untersuchung verschiedene Narben von früheren Blutergüssen gezeigt hatten - eine davon sehr ausgedehnt, die sich über den ganzen Kopf erstreckte, die andere mehr eingegrenzt. Es sei im Momente nicht möglich zu operieren, um die Blutung einzudämmen. Wahrscheinlich würde sie das Ganze nicht überleben.

Nach der Nacht erschien sie uns am nächsten Morgen schon besser auszusehen. Man stellte noch weitere Untersuchungen an; ein neurologischer Test ergab, dass sie wider Erwarten doch recht gut dran war und sie daher auf die Normalstation verlegt werden konnte. Außer der Hirnblutung hatte sie verschiedene Blutergüsse am ganzen Körper, die ihr große Schmerzen bereiteten, und die eine Morphiumbehandlung erforderlich machten.

Ihr Zustand wurde stabil

Im Verlauf der nächsten Tage stabilisierte sich ihr Gesamtzustand, obwohl sie sich noch kaum bewegen konnte und die neurologischen Funktionen nicht ganz wiederhergestellt waren. Nach Verlauf einer Woche rieten die Ärzte zu einer Verlegung in ein Therapiezentrum, das sich in derselben Stadt befindet und besonders auf die Wiederherstellung solcher Kranker spezialisiert ist. Sie machten uns aber nicht viel Hoffnung auf großartige Besserung, die bedingt durch ihr Alter und die Schwere des Sturzes nicht zu erwarten sei. Sie rieten uns, schon nach einer dauerhaften Unterbringung Ausschau zu halten, da sie sich kaum eine definitive Besserung vorstellen konnten. Es sei sicher schwierig, sie zu Hause zu haben, da sie nicht gehen und sich auch nicht aufrecht halten konnte. Sie konnte nicht sprechen und erkannte niemanden außer ihren Kindern. Sie hatte ebenfalls Schwierigkeiten beim Schlucken. Ihre Beweglichkeit war weitgehend wiederhergestellt. Wir führten das auf eine Verminderung der Schmerzen zurück, die sie sich an allen Gliedmaßen beim Sturz zugezogen hatte,. Es gelang ihr aber noch nicht die Bewegungsabläufe zu kontrollieren.

Nach zweimonatigem Aufenthalt in dem Rehabilitationszentrum machte uns die Sozialarbeiterin darauf aufmerksam, dass ein längerer Aufenthalt im Zentrum nicht möglich sei, da sie keine Fortschritte in der Beweglichkeit mache und es auch in ihrem Zustand nicht zu erwarten sei. Sie riet uns, eine Betreuungseinrichtung in der Nähe von Barcelona zu suchen und sie dorthin zu verlegen.

Es war offensichtlich, dass der Zustand meiner Mutter praktisch unverändert geblieben war; sie hatte viel abgenommen, da sie kaum etwas zu sich nahm und den Tag praktisch zwischen ihrem Bett und dem Sessel ihres Zimmers verbrachte. Sie hegte aber wohl den Wunsch, mit dem Rollstuhl durch den Garten gefahren zu werden; sie erkannte jetzt die Besucher und hatte weniger Schmerzen. So war der Stand der Dinge, als wir Geschwister uns trafen, um eine Entscheidung zu treffen. Wir entschieden uns sie in ein Zentrum in der Nähe von Barcelona verlegen zu lassen, wo wir uns abwechselnd um sie kümmern könnten.

Das Ganze war für uns ein schwerer Schlag, was sich von selbst versteht; da wir von jetzt auf gleich handeln mussten und meine Mutter in sehr schlechter Verfassung war. Für sie bedeutete es eine totale Veränderung ihrer Pläne. Das neue Haus, das sie unter Investition ihres Vermögens und dem meines Bruders erworben hatte, um dort zusammen zu leben, schien jetzt völlig nutzlos. Man sollte die Umbauarbeiten schnellstmöglich beenden und es dann verkaufen. Mit diesem neuen Panorama mussten wir jetzt fertig werden. Deshalb vereinbarten wir, bevor wir uns verabschiedeten, wenigstens täglich einen Gebetszettel zum hl. Josefmaria zu beten, um so die Besserung ihres Zustandes bis zum 24. September zu erbitten. Das ist der Tag der „Muttergottes von der Barmherzigkeit“, an dem sie ihren Namenstag feiert. Schon während ihres Aufenthalts im Allgemeinen Krankenhaus hatten wir ihr einen Gebetszettel mit Reliquie unter das Kopfkissen gelegt.

Für Ende August war ihre Verlegung nach Can Torres, einem Gesundheitszentrum in Masnou selbst vorgesehen, und wir richteten uns darauf ein, sie dort mehr betreuen zu können, obwohl dort eine rundum Pflege möglich war. Der Arztbericht klärte über den Krankheitsverlauf auf. Ihre neurologische Situation entsprach dem 5. Grad im Test Washington. Erst ab dem 45. Grad stuft dieser Test jemanden für die Möglichkeit ein, selbständig zu leben.

Die ersten Tage in Masnou verbrachte meine Mutter im Bett. Bald darauf bat sie uns darum, sie mit dem Rollstuhl nach draußen zu fahren. Einige Tage später konnte sie schon stehen, besser essen, ihre Sprache verbesserte sich, und sie konnte ihre Bewegungen besser koordinieren. Sie aß alleine und trank, ohne den Strohhalm zu benutzen. Sie konnte sogar ein paar Schritte gehen. Kurz vor dem 24. September fing sie an zu laufen, indem sie einige Schritte alleine nur mit Hilfe eines Stocks zurücklegte.

Wir sahen mit ziemlichem „Bangen“ dem festgelegten Termin entgegen. Wir wollten nichts übereilen und wagten nicht eine Namenstagsfeier vorzusehen. Wir wollten jede Übereilung vermeiden und sie lieber dort in Ruhe lassen. Es war vorgesehen, dass Marta, ihre älteste Tochter, bei ihr den Morgen über sein sollte .Die anderen würden Hand anlegen bei den letzten Kleinigkeiten, um das Haus fertigzustellen, um dann am Nachmittag mit ihr zusammen zu feiern. Am 24. waren wir alle im Haus beschäftigt, als uns ein Telefonanruf meiner älteren Schwester überraschte. Sie teilte uns mit, dass sie mit meiner Mutter bei sich zu Hause sei. Als sie im Heim meiner Mutter aufgetaucht sei, hätte man ihr mitgeteilt, dass ihre Mutter heute hier nicht zum Essen angemeldet sei. Jemand hätte um Erlaubnis für sie nachgesucht, dass sie außerhalb essen dürfe. Der Arzt hätte dem zugestimmt.

Jetzt wo ich diese Zeilen schreibe ist meine Mutter noch weiter im Gesundheitszentrum, allerdings nicht auf Grund ärztlichen Anratens. Als die Ärzte uns damals sagten, dass eine Rückkehr in ihr Zuhause möglich sei, hatten wir den Mietvertrag rückgängig gemacht. Jetzt ist das neue Haus bezugsfertig und wir warten nur noch auf die Bewohnbarkeitsbescheinigung. Sie ist erforderlich um an das Gas und Elektrizitätsnetz angeschlossen zu werden, so wie warmes Wasser und Heizung zu haben.