Der heilige Josefmaria und sein Verständnis der menschlichen Freiheit

In der Gedankenwelt und im Leben des heiligen Josefmaria hat die Freiheit einen ungemein revolutionären und radikalen Charakter und ist als solche ungeheuer anziehend. Was er dazu sagt, ist nicht nur für die Ohren seiner Zeitgenossen in Kirche und Gesellschaft bestimmt, sondern für die Männer und Frauen aller Zeiten.

In der Gedankenwelt und im Leben des heiligen Josefmaria hat die Freiheit einen ungemein revolutionären und radikalen Charakter und ist als solche ungeheuer anziehend. Was er dazu sagt, ist nicht nur für die Ohren seiner Zeitgenossen in Kirche und Gesellschaft bestimmt, sondern für die Männer und Frauen aller Zeiten. Sein Verständnis von dem, was Freiheit bedeutet, wird immer aktuell sein, da es in Gott wurzelt, der stets aktueller ist als wir alle, wie ein klassischer Ausspruch zu sagen pflegte.

Josemaría Escrivá verstand die Freiheit als eine Gabe Gottes, was ihr in seinen Augen eine leuchtende Transparenz gab. In allen Geheimnissen des katholischen Glaubens klang ihm das Lied der Freiheit nach. Er war vollkommen davon überzeugt, daß nur auf einem katholischen Feld eine sinnvolle Freiheit blühen und gedeihen könne.

Diese seine Liebe zur Freiheit verkündete er immer und überall. Manches Mal nannte er sich „den letzten Romantiker“, weil er sich stets von neuem auf die Suche nach der erträumten Freiheit machte und sie dennoch nirgends auf der Welt fand.

Es beunruhigte ihn ein wenig, wenn er auf seinem Lebensweg Menschen begegnete, die mit Mißtrauen auf die Freiheit schauten, als hegten sie den Verdacht, daß die Verteidigung der Freiheit ihren Glauben in Gefahr brächte.

Er jedenfalls trat ohne Unterlaß und ohne Unterschied als Verteidiger der Freiheit aller Menschen, aller Christen und aller seiner Kinder auf, vor den Mächtigen dieser Welt und vor dem Mann aus dem Volk, mit seinem Gebet, seiner Feder und seiner Zunge.

Um der richtig verstandene Freiheit eine Stütze zu geben, fügte er zwei Wörter zusammen, die in seinem Leben und Denken zu einer unauflöslichen Einheit verschmolzen: Freiheit und Verantwortung. Die persönliche Freiheit jedes Menschen geht immer zusammen mit einer ebenso persönlichen Verantwortung.

Mit einem für ihn typischen Ausdruck. „Im Zweifelsfall für die Freiheit!“ erhob er die Freiheit zu einem Prinzip, das sein Denken und Handeln erklärte. Seinen Kindern, denen er getreu weiterzugeben bereit war, was er von Gott selbst erhalten hatte, wollte er als menschliches Vermächtnis – so pflegte er zu sagen – eine große Liebe zur Freiheit und gute Laune hinterlassen. Dem heiligen Josefmaria war jeder selbstgenügsame Begriff von Freiheit, also einer Freiheit, die sich nicht an der Wirklichkeit orientiert, sondern ihr Ziel in sich selbst sieht und so, ziel- und richtungslos, einem Kompaß ohne Nadel gleicht, suspekt. Auch teilte er nicht die Auffassung von Freiheit als reinem Gefühl, als Instinkt oder als einer Art zweiten Haut, die den Menschen zwar begeistert: Freiheit! Freiheit! rufen läßt, die jedoch aufgrund der fehlenden Untermauerung brüchig und leicht zerbrechlich ist. Ebensowenig machte er sich zum Anwalt einer in sich starren, unbeweglichen Freiheit, die nicht willens ist, sich zu engagieren und daher letztlich von jeder Stömung mitgerissen wird. Seiner Ansicht nach reicht es auch nicht, Freiheit als Abwesenheit von Zwang zu definieren, wobei er ebenso vermied, unserer Freiheit auf der Erde eine Fülle und Vollkommenheit zuzusprechen, die niemand während seines irdischen Weges je erreicht.

Den Blick des Galubens fest auf Gott gerichtet, versteht der heilige Josefmaria die Freiheit als etwas höchst Sinnvolles, als „die Freiheit und Herrlichkeit der Kinder Gottes“ (Röm 8, 21). Diese Freiheit hat ihren irdischen Ursprung in einer von Christus selbst verkündeten Wahrheit, die gleichzeitig ein Versprechen ist: „Die Wahrheit wird euch befreien“ (Joh 8, 32).

Die Wahrheit, welche der Freiheit erst ihren vollen Sinn gibt und alle ihr innewohnenden Möglichkeiten freisetzt, faßt der heilige Josefmaria mit bewegender Einfachheit zusammen. Diese Wahrheit, die den Weg in die Freiheit eröffnet, ist, „zu wissen, daß wir aus Gott stammen, daß wir von der Allerheiligsten Dreifaltigkeit geliebt werden, daß wir Kinder des erhabensten Vaters sind“ (Freunde Gottes, 26).

Es ist also letztendlich die Gotteskindschaft, die der menschlichen Freiheit ihren Sinn gibt und ihr damit auch ihr Ziel aufzeigt. Im Denken des heiligen Josefmaria hat die den Menschen geschenkte Freiheit das Ziel, daß sie als Kinder Gottes innerlich frei sond, sich frei fühlen und auch so leben. So ist die Gotteskindschaft die innerste Wahrheit der Freiheit. Immer wieder überkam ihn ungläubiges Staunen angesichts des Geschenkes der Freiheit, das Gott den Menschen gemacht hat.“Nichts hätte ihn daran gehindert – so schreibt er -, uns unfähig für die Sünde zu erschaffen, mit einer unwiderstehlichen Neigung zum Guten.“ Aber Gott tat es nicht, weil er „keine unfreien Knechte, sondern freie Söhne will“ (Ebd., 33).

Diese göttliche Logik will „Jas“, die frei und mit Einsatz gewählt und niemals mechanisch oder resigniert gesprochen werden, sondern immer aus der Liebe und dem Zartgefühl eines Gotteskindes kommen. Sie würde auf die gesamte Gedankenwelt des heiligen Josefmaria einen starken Einfluß haben.

Er vertrat überall einen gesunden Pluralismus: im gesellschaftlichen und geistlichen Leben, hinsichtlich der Spontaneität, mit der die Christen handeln sollen, bezüglich der Gewissensfreiheit und der Freiheit der Christen in all dem, was der freien Meinung überlassen ist. Tyrannen, ob große oder kleine, liebte er überhaupt nicht. Er setzte auf Verschiedenheit und auf die Achtung vor der Persönlichkeit jedes einzelnen, die er selbst als erster zu respektieren bereit war. Er konfrontierte alle ohne Ausnahme mit ihrer persönlichen Verantwortung vor Gott und den Menschen. Seelen oder Persönlichkeiten in Serie waren seine Sache nicht, und nie hat er Gewalt als ein Mittel angesehen, durch das man andere besiegt oder überzeugt. Er war ein Freund des klaren Wassers, der sauberen Luft und der offenen Räume, die die Menschen zu einem Kontakt von Du zu Du mit Gott einladen – je eher, je häufiger und je direkter, desto besser.

Der Autor war zum Zeitpunkt seines Vortrags Professor für Informationsethik und ehemaliger Dekan der Fakultät für Kommunikationswissenschaften der Universität von Navarra.

Aus den Dokumenten des internationalen Kongresses "Die Größe des Alltags", Bd. 12: Kommunikation und Bürgersinn