Betrachtungstext: 17. Woche im Jahreskreis – Samstag

Die Herzensführung des Herodes – Beschützen, was wirklich wichtig ist – Eine innere Welt

HERODES hatte Johannes den Täufer in den Kerker werfen lassen und Herodias, die Frau seines Bruders, geheiratet. Der Prophet hatte diese Verbindung nicht gutgeheißen und wurde deshalb vom König hinter Gitter gesetzt. Herodias hätte den Täufer am liebsten aus der Welt geschafft, doch der König erkannte, dass er ein rechtschaffener und heiliger Mann war, und ließ ihn am Leben. Abgesehen davon, dass er ihm gerne zuhörte, fürchtete er, dass ein Todesurteil das Volk aufhetzen könnte. An seinem Geburtstag sah er die Tochter der Herodias tanzen. Und sie gefiel Herodes, sodass er mit einem Eid zusagte, ihr zu geben, was immer sie sich wünschte (Mt 14,6-7). Auf Betreiben ihrer Mutter forderte das Mädchen den Kopf des Täufers. Aus Furcht, seinen Eid zu brechen oder vor seinen Gästen schlecht dazustehen, ließ Herodes Johannes enthaupten.

Herodes fehlte es offensichtlich an guten und festen Überzeugungen, die seine unmittelbaren Impulse hätten zügeln können. Nach allem, was wir von ihm wissen, kann man sagen, dass er sich von dem leiten ließ, was er im Augenblick empfand. Weil er sich angezogen fühlte, nahm er sich die Frau seines Bruders, weil er ihn gerne hörte, ließ er Johannes im Kerker darben, und aus einer Euphorie heraus versprach er einem Mädchen, ihm jeglichen Wunsch zu erfüllen, selbst wenn es die Hälfte seines Königreichs wäre. Wenn einer sein Leben an etwas so Unbeständiges und Prekäres knüpft, wie es die unmittelbaren und oberflächlichen Neigungen sind, führt dies letztlich dazu, dass er nicht mehr weiß, wo das wahre Glück zu suchen ist. Er weiß auch nicht, wohin er geht, denn das Ziel, der Zweck des eigenen Handelns, der Grund, warum er etwas tut oder auch nicht, kann sich je nach Lust und Laune ändern. Dies führt zu chronischer Unruhe und Unzufriedenheit und möglicherweise ;– wie im Fall des Herodes ;– auch zu schrecklichen Ungerechtigkeiten, seinen Mitmenschen und sich selbst gegenüber.

Papst Franziskus sagte: „Viele Menschen leiden, weil sie nicht wissen, was sie von ihrem Leben wollen; wahrscheinlich sind sie nie mit ihrer tiefen Sehnsucht in Berührung gekommen, (…). Damit laufen sie Gefahr, das Leben mit Versuchen und Notlösungen verschiedener Art zu verbringen, ohne jemals irgendwo anzukommen, und vertun so wertvolle Chancen.“1 Wir bitten Gott, uns zu helfen, die tiefsten Sehnsüchte zu erkennen, die er selbst in unser Herz gelegt hat, um sie auf unserem Lebensweg zu läutern und zu unserem Wegweiser zu machen, der uns zum Glück mit ihm führt, auf Erden und im Himmel.


ALS HERODES die Bitte der Tochter der Herodias hörte, wurde er traurig (Mt 14,9). Er spürte, dass er in eine Situation geraten war, in der er etwas tun würde, was er eigentlich nicht wollte. Wegen der Leidenschaft, die dieses Mädchen in ihm geweckt hatte, und weil sein Herz nicht auf das Gute und Schöne ausgerichtet war, war er bereit, einen Menschen töten zu lassen, den er für ehrbar hielt. Diese Entscheidung erfüllte ihn mit Traurigkeit, denn er würde jemanden opfern, den er schätzte.

Wenn wir lernen, unser Herz auf das Wahre und Gute auszurichten, es für das Wertvolle hellsichtig zu machen und darin zu verankern, erfüllt uns dies mit Freude, weil es uns erlaubt, die beste Version unserer selbst sein zu können. Wir lernen, das zu genießen, was wirklich gut ist, weil wir uns mit der Gegenwart Gottes in den Menschen und in der ganzen Schöpfung immer besser austauschen. Die Erziehung unserer Sehnsüchte stärkt unsere Identität und schützt uns vor den Gefahren auf unserem Weg. Ein Herz wie das des Herodes opfert, was wirklich wertvoll ist – sei es eine Ehe oder das Leben eines Menschen –, für ein flüchtiges Vergnügen; ein reines Herz hingegen schwingt im Einklang mit dem, was wertvoll ist, erfreut sich daran und lässt sich nicht vom Vergänglichen oder Oberflächlichen an der Nase herumführen.

In diesem Sinn sagte der heilige Josefmaria, dass die Keuschheit „Kampf ist, aber nicht Verzicht. Wir antworten mit einem frohen Ja, mit einer freien und freudigen Hingabe. Dein Verhalten darf sich nicht darauf beschränken, bloß dem Sturz auszuweichen, bloß die Gelegenheit zu meiden; es darf keinesfalls nur ein kaltes, berechnendes Nein sein. Hast du dich davon überzeugt, dass die Keuschheit eine Tugend ist und dass sie als solche wachsen und sich vervollkommnen muss?“2 Keuschheit bedeutet nicht, unser Gefühlsleben zu ignorieren oder Gefühle zurückzuweisen. Obwohl es manchmal bedeutet, gegen unmittelbare Neigungen zu handeln, ist dies nicht das Hauptziel der Tugend. Vielmehr geht es darum, unser Herz zu erziehen, damit wir uns an höheren Gütern erfreuen können – an dem, was unsere Seele wirklich erfüllt.


VIELLEICHT haben wir alle schon einmal die Erfahrung gemacht, wie fesselnd es sein kann, einen Film, eine Serie oder ein Buch zu verfolgen. Unsere Sinne sind dann ganz auf das gerichtet, was unsere Aufmerksamkeit packt. In solchen Momenten können wir uns so sehr in die Handlung vertiefen, dass das, was um uns herum geschieht, oder die Sorgen, die uns früher beschäftigt haben, keine Bedeutung mehr haben. Der Wert von Formaten, die zur Unterhaltung beitragen, soll nicht geschmälert werden. Solche Erfahrungen können wir aber auch nutzen, um eine gute Herzenspflege zu betreiben, wie es der heilige Josefmaria vorschlägt: „Was musst du herumgucken, wenn du ,deine Welt‘ in dir trägst?“3 Wenn wir eine innere Welt pflegen, die aus bedeutenden Dingen besteht – sowohl menschlichen wie auch göttlichen –, auf die wir unsere Hoffnung setzen und welchen wir unsere Zeit widmen, werden Versuchungen gegen die Keuschheit trotz einer gewissen Anziehungskraft leichter zu bekämpfen sein: Sie werden als Bedrohung für die Harmonie der eigenen inneren Welt wahrgenommen, als Erschwernis, um mit Aufmerksamkeit das zu verfolgen, was uns wirklich interessiert.

Die Keuschheit ermöglicht es uns, eine tiefe emotionale Verbindung zu anderen Menschen aufzubauen und uns an allem zu erfreuen, was schön, edel und unterhaltsam ist. Wenn wir diese Tugend hingegen vernachlässigen, kann es schwierig werden, dass wir uns an den kleinen Dingen des Lebens und an persönlichen Beziehungen erfreuen, weil sie als unwichtig oder fade empfunden werden. Aus diesem Grund sagte der heilige Josefmaria auch: „Ich rede nicht gerne über die Unreinheit. Ich will vielmehr die Früchte der Mäßigung betrachten (…). Denn wenn [der Mensch] so lebt – mit Opfergeist –, befreit er sich von vielen Fesseln und kann im Innersten seines Herzens die ganze Liebe Gottes auskosten (…). Es wird ihm wieder möglich sein, sich um andere kümmern, sein Leben mit allen zu teilen und sich großen Aufgaben zu widmen.“4 Wir bitten die Jungfrau Maria, uns zu helfen, die Tugend der Keuschheit in unserer Seele wachsen zu lassen, damit wir den Wohlgeschmack eines Lebens mit ihrem Sohn wahrnehmen und genießen können.


1 Franziskus, Audienz, 12.10.2022.

2 Hl. Josefmaria, Freunde Gottes, Nr. 182.

3 Hl. Josefmaria, Der Weg, Nr. 184.

4 Hl. Josefmaria, Freunde Gottes, Nr. 84.