Betrachtungstext: 17. Woche im Jahreskreis – Donnerstag

Die Kirche, ein Schleppnetz – Heiligkeit, die das Antlitz Jesu widerspiegelt – Offene Türen

EINIGE DER APOSTEL waren Fischer am See Genesaret. Da Jesus mit ihnen zusammen lebte, wurde er mit der Plackerei ihres Berufes zunehmend vertraut; oder er kannte sie auch schon von früheren Aufenthalten in anderen Küstenstädten. Viele von denen, die kamen, um seine Predigt zu hören, lebten in den umliegenden Dörfern rund um den See. Daher ist es nicht überraschend, dass der Meister seine Lehren mit Beispielen von Booten, Netzen und Fischen illustriert: Wiederum ist es mit dem Himmelreich wie mit einem Netz, das ins Meer ausgeworfen wurde und in dem sich Fische aller Art fingen. Als es voll war, zogen es die Fischer ans Ufer; sie setzten sich, sammelten die guten Fische in Körbe, die schlechten aber warfen sie weg (Mt 13,47-48).

Jesus vergleicht sein Reich mit einem Netz, das Fische aller Art einfängt. Die Apostel wussten, dass es im See viele Arten von Fischen gab, doch nicht alle von gleicher Qualität waren. Wenn sie die Netze auswarfen, hielten sie sich jedoch nicht damit auf, die Fische zu sortieren: Das würden sie später tun, wenn sie wieder am Ufer waren. Dann ließen sie die Netze auf dem Sand liegen und begannen mit der Trennung: Die brauchbaren Fische wurden in Körben gesammelt, die minderwertigen weggeworfen.

Das Schleppnetz ist in gewisser Weise ein Bild für die Kirche, die einen bedeutenden Anteil daran hat, das Reich Gottes auf die Erde zu bringen. Auch in der Kirche finden sich alle Arten von Fischen nebeneinander, und das wird bis zum Ende der Zeit so sein. Wir selbst ringen darum, auf dem Weg der Demut nicht zu jener Gruppe zu gehören, die weggeschmissen wird. Die Kirche ist „ein heiliges Volk, bestehend aus Geschöpfen mit Fehlern und Schwächen: dieser scheinbare Widerspruch kennzeichnet einen Aspekt des Geheimnisses der Kirche“, betonte der heilige Josefmaria. „Die Kirche ist göttlich, aber auch menschlich, denn sie besteht aus Menschen, und wir Menschen haben Fehler: Wir sind alle Staub und Asche.“1 Gleichzeitig wissen wir, dass diese Schwächen nicht das endgültige Bild des Gottesvolkes ausmachen. Durch seine Gnade können wir in den Menschen, die uns umgeben und auf die wir uns stützen, stets Zeichen der Heiligkeit erkennen; sie zeigen uns, wie Papst Franziskus schrieb, „das schönste Gesicht der Kirche“2.


DIE KIRCHE ist heilig, da ihr Gründer, Christus, heilig ist. Das II. Vatikanische Konzil schrieb über Jesu Gründung: „Er hat sich für sie hingegeben, um sie zu heiligen, er hat sie als seinen Leib mit sich verbunden und mit der Gabe des Heiligen Geistes reich beschenkt zur Ehre Gottes.“3 Ihre Kinder lieben sie, weil in ihr Jesus ist und wir in ihr die Mittel der Heiligung, die Lehre und die Sakramente finden.

Als Christen sind auch wir zu dieser Heiligkeit berufen. Dabei geht es nicht darum, ein perfektes, makelloses Leben zu führen; tatsächlich ist die Kirche heilig, auch wenn sich in ihrem Schoß Menschen mit Schwächen finden. Entscheidend für die Heiligkeit ist nicht so sehr die Abwesenheit von Fehlern, was ohnehin unmöglich ist, sondern der lebendige Wunsch, mit Christus vereint zu bleiben, damit er die Zügel unseres Lebens in der gleichen Weise in die Hand nimmt, wie er die Kirche leitet.

Papst Benedikt sagte: „Das Maß der Heiligkeit ist durch das Format gegeben, das Christus in uns erlangt, dadurch, wie sehr wir in der Kraft des Heiligen Geistes unser ganzes Leben nach seinem Leben formen.“4 Jeder Heilige spiegelt das Antlitz Jesu wider. Deshalb bedeutet Heiligkeit in ihrem Kern, wie Papst Franziskus schrieb, „in Einheit mit ihm die Geheimnisse seines Lebens zu leben. Sie besteht darin, sich auf einzigartige und persönliche Weise mit dem Tod und der Auferstehung des Herrn zu verbinden, ständig mit ihm zu sterben und mit ihm aufzuerstehen. Sie kann aber auch beinhalten, in der eigenen Existenz verschiedene Aspekte des irdischen Lebens Jesu nachzubilden.“5 Die Betrachtung dieser Geheimnisse des Lebens Christi wird uns helfen, sie in unserem täglichen Leben zu Tage zu bringen, angepasst an unser Temperament und unser Wesen und diese zugleich läuternd. Durch die häufige Lektüre des Evangeliums können wir das Wesen Christi in uns aufnehmen und sein Bild in uns herausmeißeln, um es in der Welt widerzugeben.


IN DER KIRCHE koexistieren die Schönheit der Heiligkeit und die Hässlichkeit der Sünde; die Größe der großzügigen Herzen und die Niedertracht anderer; die Stärke bis hin zum Heldentum und die Schwäche bis hin zum Verrat. Deshalb ist unsere Mutter heilig und in ihren Gläubigen zugleich immer läuterungs- und bekehrungsbedürftig. In jedem Fall sollten wir uns nicht nur demütig um unsere eigene Heiligkeit bemühen, sondern „wenn der Herr menschliche Schwäche zulässt, sollten wir so reagieren, als ob wir unsere Mutter krank oder missachtet sähen: sie mehr lieben, ihr mehr äußere und innere Zeichen der Zuneigung zukommen lassen. Wenn wir die Kirche lieben, wird in uns niemals jenes krankhafte Interesse aufkommen, das Elend einiger Kinder als Schuld der Mutter anzuprangern.“6

Jesus Christus hat bei zahlreichen Gelegenheiten gepredigt, dass er nicht gekommen sei, um die Gesunden zu heilen, sondern die Kranken. Durch seine Worte und Gesten zeigte er, dass er sich mehr für die Sünder als für diejenigen interessierte, die sich bereits für gerechtfertigt hielten. Deshalb zögerte der Meister in seinem täglichen Leben nicht, auf diejenigen zuzugehen, die äußerlich weit von Gott entfernt zu sein schienen: Er richtete an sie sein Wort und lud sie ein, mit ihm zu leben und ihm zu folgen.

Die Familie, die Jesus mit seinen Jüngern bildete, war keine in sich geschlossene Gemeinschaft von perfekten Männern und Frauen. Deshalb ist auch die Kirche berufen, ein Haus mit offenen Türen zu sein, damit alle, die eintreten wollen, ohne Unterschied eintreten können, denn Gottes Barmherzigkeit will, dass alle Menschen gerettet werden (1 Tim 2,4). Ihre Türen werden immer für alle offen sein, damit jeder seinen Durst nach Gott stillen kann. Bitten wir Maria, die Mutter der Kirche, dass wir in unserem Leben das Antlitz des heiligen Gottesvolkes widerspiegeln.


1 Hl. Josefmaria, Liebe zur Kirche, Nr. 23.

2 Franziskus, Gaudete et exsultate, Nr. 9.

3 Lumen Gentium, Nr. 39.

4 Benedikt XVI., Audienz, 13.4.2011.

5 Franziskus, Gaudete et exsultate, Nr. 20.

6 Hl. Josefmaria, Liebe zur Kirche, Nr. 24.