Brief des Prälaten (April 2007)

Brief Bischof Echevarrías an die Gläubigen des Opus Dei. Im Monat April stellt der Prälat die Geschehnisse der Karwoche vor Augen und lädt dazu ein, Umgang mit Jesus Christus zu pflegen.

Heute beginnt die Karwoche, die wichtigste Woche im ganzen Jahr, da wir der zentralen Ereignisse unserer Erlösung gedenken. Möge jede und jeder von uns sie persönlich leben – oder besser, nachleben – und Jesus auf jedem seiner Schritte, die uns die Liturgie vor Augen führt, begleiten. Mit unserem Vater bitte ich Gott um die Gnade, daß uns diese Geheimnisse innerlich noch mehr erschüttern.

In den ersten Tagen nach dem triumphalen Einzug des Herrn in Jerusalem ist es leicht, Jesus bei seinem Kommen und Gehen von Betanien nach Jerusalem und von Jerusalem nach Betanien zu begleiten. Nehmen wir das Evangelium zur Hand, und versetzen wir uns in die Szenen, um ihm nahe zu sein und in allem seinem Schrittmaß zu folgen.

Haltet inne, um die Stunden zu betrachten, die er im Tempel verbringt, wo er versucht, die Schriftgelehrten und Pharisäer zu überzeugen, die zu der Stunde nur darauf aus waren, ihn umzubringen. Aber Jesus schenkt der offensichtlichen Erfolglosigkeit seiner Einladungen zur Bekehrung keine Beachtung. Bis zum letzten Augenblick hofft er – wir sehen es noch auf dem Golgota –, dass die Seele sich der Gnade öffnet und so das Heil empfängt. Er lehrt uns, im persönlichen Apostolat ein ums andere Mal zu insistieren, auch wenn es manchmal scheint, als sei alles umsonst. Die Frucht wird sicher kommen.

Vor seinem Leiden erzählt Christus ein Gleichnis, in dem in besonderer Weise der Seeleneifer zum Ausdruck kommt, der ihn verzehrt. Es ist das Gleichnis vom König, der „die Hochzeit seines Sohnes vorbereitete. Er schickte seine Diener, um die eingeladenen Gäste zur Hochzeit rufen zu lassen. Sie aber wollten nicht kommen.“1 Bei diesen Worten kann man sich die Sehnsucht des liebenswertesten Herzens Jesu vorstellen. Und wir staunen immer wieder über seine Beharrlichkeit: „Mein Mahl ist fertig, die Ochsen und das Mastvieh sind geschlachtet, alles ist bereit. Kommt zur Hochzeit.“2

Auch jetzt geschieht häufig das gleiche. Wenn wir uns wirklich bemühen, mit Christus eins zu werden, alter Christus, ipse Christus zu sein, dann ist es nur natürlich, dass – wie unser Vater es immer wieder sagte – das Leben Jesu auf die eine oder andere Art in unserem Leben neu Gestalt annimmt. „Was das Gleichnis von den zum Gastmahl Geladenen erzählt, wiederholt sich dauernd. Die einen haben Angst; die anderen sind zu beschäftigt; und viele flüchten sich in dumme Ausreden.

Sie entziehen sich … Und was bleibt ihnen schließlich? Abgestumpftheit, Lustlosigkeit, Langeweile, Verbitterung. Dabei ist es so leicht, die göttliche Einladung des einzelnen Augenblicks anzunehmen und froh und glücklich zu leben!3

Unsere Reaktion muss wie die des heiligen Josefmaria sein: uns dem Apostolat nicht weniger, sondern mehr zu widmen in der Überzeugung, dass kein Einsatz umsonst ist, auch wenn die Menschen Widerstand leisten.

Bestehen wir konkret auf dem Apostolat der Beichte. Im letzten Jahr erinnerte der Papst zu dieser Zeit daran, dass, „um das Osterfest so zu begehen, dass sie einen Nutzen daraus ziehen, die Kirche die Gläubigen bittet, in diesen Tagen das Bußsakrament zu empfangen, das für jeden von uns wie eine Art Tod und Auferstehung ist. (…)Lassen wir uns von Christus versöhnen“, fügte der Heilige Vater hinzu, „um intensiver die Freude auszukosten, die er uns durch seine Auferstehung vermittelt. Die Vergebung, die uns von Christus im Bußsakrament geschenkt wird, ist eine Quelle inneren und äußeren Friedens und macht uns zu Aposteln des Friedens in einer Welt, in der leider Spaltungen und Leid fortdauern, ebenso wie die Dramen der Ungerechtigkeit.“4

Im zweiten Teil der Woche feiern wir das österliche Triduum, das Herzstück des liturgischen Jahres. Feiern wir die Liturgie dieser Tage inbrünstig mit. Am Gründonnerstag danken wir Jesus während der Messe in Coena Domini für die Einsetzung der Eucharistie und des Priestertums sowie seine Fortführung bis zum Ende der Zeiten. Leisten wir ihm Gesellschaft in den Tabernakeln – den Monumenten –, wo das Allerheiligste bis zum Nachmittag des Karfreitag aufbewahrt wird. Das soll uns an die Stunden erinnern, die Jesus in Einsamkeit verbrachte: zuerst im Ölgarten und dann während des Scheinprozesses in jener traurigen und leidvollen Nacht. Seid gewiss, dass Jesus, wahrer Gott und wahrer Mensch, durch diese Wache beim Tabernakel in diesen so bitteren Stunden getröstet wurde.

Johannes Paul II., dem die Kirche und das Werk so viel verdanken, war jemand, der Jesus im Sakrament leidenschaftlich liebte. Der Tabernakel zog ihn an und er lud uns ein, oft zu ihm zu gehen. Er wird vor zwei Jahren seine Ankunft im Himmel so schnell vollzogen haben, wie er es immer tat, wenn er auf seinen apostolischen Besuchen und Reisen einen Tabernakel entdeckte.

Am Karfreitag, dem Gedächtnis des Todes Christi, wollen wir beispielhaft die Abstinenz und das für diesen Tag gebotene Fasten halten und andere daran erinnern und es ihnen erleichtern, dies auch zu tun. Suchen wir außerdem großzügig kleine Abtötungen in diesen Stunden, und bieten wir sie Gott an als Sühne für unsere Sünden und die der anderen. Bitten wir durch sie auch um Gnaden für viele Menschen – Tausende –, die sich entscheiden können, Christus aus der Nähe zu folgen. Haben wir keine Angst vor dem Kreuz, meine Töchter und Söhne, auch nicht vor der Kritik derer, die sich pharisäerhaft entrüsten, wenn sie sehen, dass die Christen sich voll Liebe an dieses Holz klammern, an dem der Herr unserem Tod den Todesstoß versetzte und uns für das ewige Leben freikaufte. Wie weit geht unsere Liebe zum Opfer? Lassen wir uns von falschen Rücksichten bestimmen?

Am Karsamstag gedenken wir der Grabesruhe Jesu; wir wollen der Muttergottes ganz nahe sein, zusammen mit den Aposteln und den heiligen Frauen, die ihn begleiteten. Diese wußten damals noch nicht, dass nach diesen Stunden der Finsternis der neue Tag der Auferstehung dämmern würde. Wir jedoch wissen es wohl. Seien wir also voller Hoffnung und Optimismus.

Nach dem Heiligen Triduum beginnt die österliche Zeit, die das zukünftige Leben darstellt, das wir von Gott zu erhalten hoffen. Jetzt schon können wir es in der Hoffnung verkosten, besonders weil uns in der Eucharistie ein Unterpfand und eine Vorwegnahme der versprochenen ewigen Glückseligkeit angeboten wird. Denken wir oft an den Himmel, vor allem, wenn uns Dinge gegen den Strich gehen, damit wir den übernatürlichen Frieden und die Freude wiederfinden? Gehen wir häufig zum Tabernakel, um dort bei Christus zu verweilen und unser religiöses Leben zu nähren? Die ersten Christen stellten die Tugend der Hoffnung durch einen Anker dar. Er sollte darauf hinweisen, dass sich unsere Sicherheit jenseits der veränderlichen Umstände unserer irdischen Existenz auf Jesus Christus gründet, der in den Himmel eingetreten ist und mit seiner lebendigen Menschheit zur Rechten des Vaters sitzt und dort immer für uns eintritt.5

„Christus lebt. Das ist die Wahrheit, die unseren Glauben mit Inhalt erfüllt. Jesus, der am Kreuz starb, ist auferstanden, er hat über den Tod gesiegt, über die Macht der Finsternis, über den Schmerz und die Angst, schreibt unser Vater. Und er fährt fort: Christus lebt. Jesus ist der Emmanuel: Gott mit uns. Seine Auferstehung bekundet uns, dass Gott die Seinen nicht im Stich läßt. Vergisst wohl ein Weib ihren Säugling, eine Mutter den Sohn ihres Schoßes? Mögen auch diese vergessen: Ich aber vergesse dich nicht (Jes 49, 14-15) hatte er verheißen. Und er hat seine Verheißung erfüllt.“6

In seinem letzten nachsynodalen Apostolischen Schreiben Sacramentum caritatis erinnert Benedikt XVI. unter anderem daran, dass „uns – speziell in der eucharistischen Liturgie – ein Vorgeschmack der eschatologischen Erfüllung gewährt wird, zu der jeder Mensch und die ganze Schöpfung unterwegs ist (vgl. Röm 8,19ff). Der Mensch ist für die wirkliche und ewige Glückseligkeit geschaffen, die allein die Liebe Gottes geben kann. (…) Diese letzte Bestimmung ist in Wirklichkeit Christus, der Herr, selbst, der Sieger über Sünde und Tod, der für uns in besonderer Weise gegenwärtig wird in der Eucharistiefeier. So haben wir, obwohl noch »Fremde und Gäste in dieser Welt« (1 Petr 2,11), im Glauben bereits Anteil an der Fülle des auferstandenen Lebens. Indem das eucharistische Mahl seine stark eschatologische Dimension offenbart, kommt es unserer Freiheit, die noch auf dem Wege ist, zu Hilfe.“7

Jesus ist der unsichtbare, aber reale Begleiter, der immer an unserer Seite ist und uns im Tabernakel erwartet, wo er uns seine Nähe deutlich werden läßt. Wie anders würden unsere Tage verlaufen, wenn wir in jedem Augenblick in der Sicherheit des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe lebten, die den heiligen Josefmaria mit Mut erfüllte! Wenden wir uns vertrauensvoll an seine Fürsprache, damit er uns antreibt, wirklich eucharistische Frauen und Männer zu sein. Am nächsten 23., dem Jahrestag seiner Erstkommunion, bietet sich uns dazu eine wunderbare Gelegenheit. Lernen wir, jeden Tag »Herr, ich liebe dich« zu sagen und es ihm mit Werken zu zeigen.

Beten wir viel für den Papst und seine Anliegen. Die Last auf seinen Schultern ist sehr schwer. Die göttliche Vorsehung rechnet mit unseren Gebeten und unseren Opfern, um ihn zu stärken und seinen Worten Wirksamkeit zu verleihen. Am kommenden 16. April wird er 80 Jahre alt, und am 19. wird der zweite Jahrestag seiner Wahl sein. Danken wir Gott für das Geschenk, das er der Kirche in der Person Benedikts XVI. gemacht hat.

Wir alle erinnern uns daran, wie der Heilige Vater in der Messe zu Beginn seines Pontifikats die Christen bat, ihn mit ihrem Gebet zu unterstützen. Und im Jahr 2006 erklärte er am ersten Jahrestag seiner Wahl zum Papst: „Ich spüre immer mehr, daß ich diese Aufgabe, diese Sendung allein nicht tragen könnte. Aber ich spüre auch, dass ihr sie mit mir tragt: So befinde ich mich in einer großen Gemeinschaft, und zusammen können wir die vom Herrn erhaltene Sendung voranbringen. Eine unersetzliche Hilfe ist mir der himmlische Schutz Gottes und der Heiligen; und eure Nähe, liebe Freunde, die ihr mir stets eure Nachsicht und Liebe schenkt, gibt mir Kraft. Von ganzem Herzen danke ich allen, die auf verschiedene Weise nah an meiner Seite stehen oder mich aus der Ferne im Geiste mit ihrer Zuneigung und ihrem Gebet begleiten. Ich bitte jeden von euch, mich auch weiterhin zu unterstützen und Gott zu bitten, dass er mich ein milder und standhafter Hirte seiner Kirche sein lasse.“8

Prüfen wir in der Gegenwart Gottes, wie es um unsere Einheit mit dem Papst bestellt ist – eine Einheit der Gebete, der Liebe und der Vorsätze. Beten wir täglich für die Anliegen des Heiligen Vaters? Bieten wir Gott die Opfer und die Verzichte an, die uns besonders schwerfallen? Bewegen wir andere Menschen, für den Papst zu beten und Zeiten der Arbeit und kleine Abtötungen aufzuopfern? Verbreiten wir seine Lehren – die die Lehre Christi sind –, und verteidigen wir sie, wenn sie in der Öffentlichkeit oder in privaten Gesprächen angegriffen werden?

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1 Mt 22, 2-3

2 Ebd., 4

3 Hl. Josefmaria, Die Spur des Sämanns, Nr. 67

4 Benedikt XVI., Ansprache in der Generalaudienz, 12.4.2006

5 Vgl. Hebr 4, 14; 7, 25

6 Hl. Josefmaria, Christus begegnen, Nr. 102

7 Benedikt XVI., Nachsynodales Apostolisches Schreiben Sacramentum caritatis, 22.2.2007, Nr. 30

8 Benedikt XVI., Ansprache in der Generalaudienz, 19.4.2006