Wahre Begebenheiten

Artikel über das Leben im kölner Studentenheim Schweidt, erschienen in der Zeitung "Haus und Grund"

Das Studentenheim Schweidt in Ehrenfeld Ecke Weinsberg-/Piusstrasse ist im November 2003 40 Jahre alt geworden.

Uns allen ist klar, dass wir das geistige Korsett unseres Landes stärken müssen. Aber wo soll man anfangen? Im eigenen Umfeld tut jeder das, was er kann. Wo nun gibt es in Köln Initiativen, die geistige Werte vermitteln, die aufbauen, die positiv von Köln in die Welt wirken? Eine davon möchten wir heute vorstellen. Das gemeinnützige Studentenheim Schweidt in Ehrenfeld wird diese Tage 40 Jahre alt. Aus diesem Anlass war Hanns Schaefer vom Kölner Haus und Grundbesitzerverein eingeladen, sich über die Bildungsarbeit mit Deutschen und Ausländern zu informieren. Im Anschluss haben wir Hartwig Bouillon von der Leitung des Hauses gebeten, uns etwas über das Leben dort zu erzählen.

Die Zeit "zwischen den Jahren" hat ihren besonderen Reiz. Es ist ruhiger, man kann Dinge tun, für die man sonst keine Zeit findet. Zwischen den Jahren in unserem internationalen Studentenheim heißt aber auch: Die Pförtnerinnen haben ein paar Tage wohlverdienten Urlaub. Die in Köln gebliebenen Studenten kümmern sich um Telefon und Pfortendienst. Bei einem dieser Telefondienste kam Alexander, 32, Doktorand aus der Ukraine, Jude, ins Gespräch mit Saleh, 22, einem Palästinenser aus der Nähe von Nazareth. Schnell merkte er: Saleh spricht noch nicht gut genug deutsch für die Aufnahmeprüfung der Universität. Er bot ihm an, sich jeden Tag drei Stunden an der Pforte zu treffen und dabei deutsche Grammatik zu pauken. Gesagt, getan. – Die Aufnahmeprüfung kurz danach bestand Saleh mit 67 Punkten. Mit 66 hätte er zurückkehren müssen. Zurück in eine hoffnungslose Situation ohne Aussicht auf Arbeit und ohne die Möglichkeit, seinen Traum zu verwirklichen: Medizin zu studieren, denn in Palästina gibt es zu wenig Ärzte.

Saleh hat etwas aus seiner Zeit in Köln gemacht: Er absolvierte das Studienkolleg der Uni Köln, für viele Bewerber aus dem Ausland die Voraussetzung eines Studiums. Und er war immer ansprechbar, wenn irgendwo jemand mit geschickten Händen gebraucht wurde. Ob bei einer kleinen Autoreparatur, einem defekten Kabel, beim Verteilen der Pakete der Rundschau-Altenhilfe: auf Saleh war Verlass. Jetzt hat er einen Medizinstudienplatz in München bekommen. Dass er aber zu Weihnachten und zum Karneval wieder in die Domstadt am Rhein kommen wird, ist schon klar.

Felix Yun, ein chinesischer Wirtschaftsstudent, für einige "unser Pandabär", fasste seine Beobachtungen über Schweidt so zusammen: "Hier gibt’s ja einen Kreislauf! Karsten korrigiert die Doktorarbeit von Giovanni, der gibt mir Italienisch-Unterricht und ich mach´ den Internet-Auftritt von www.schweidt.de !

Jeder, der mit einem wachen Auge durch Köln geht, weiß, dass solidarisches Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher Kulturen zwar gern zitiert wird, aber alles andere als selbstverständlich ist.

Willi beim Sprachunterricht für Tito, Marco und Felix Yun.

So führt denn Alexander die gute Stimmung auch auf den Einsatz der Berufstätigen der katholischen Prälatur Opus Dei zurück, die das Haus ehrenamtlich leiten: "Die haben es verstanden, im Haus eine hohe Beziehungskultur aufzubauen." Was er hier im Alltag erlebe, habe sein Bild von den Christen jedenfalls positiv korrigiert. " Ich kann mir schon vorstellen, dass man da Spaß am Glauben kriegt", meint er mit seinem leicht hintergründigen Lächeln. Ihn, den jüdischen Agnostiker, beeindruckt, dass das Katholische in Schweidt zwar präsent ist, "aber niemanden erdrückt."

Sven schätzt das Bodenständige am Haus: "Es gefällt mir hier. Die Leute sind nett. Ich finde es gut, daß es im Haus eine Kapelle gibt und es auf ungezwungene Weise möglich ist, auch über den Glauben zu sprechen. Es gibt eine ruhige Studienatmosphäre und ein familiäres Miteinander, auch durch die gemeinsamen Mahlzeiten." Sven ist 25, stammt aus dem Oberbergischen und macht gerade sein Examen in Physik und Mathematik. Durch einen Kommilitonen ist er auf Schweidt aufmerksam geworden. Inzwischen kümmert sich der angehende Lehrer um Kinder und Jugendliche in einem befreundeten Jugendclub.

All das wird - wie so oft - zusammengehalten von Frauen. Sie sorgen in der neben dem Studentenheim liegenden Hauswirtschaftlichen Ausbildungsstätte Schweidt für gute Kost und eine angenehme und wohnliche Familienatmosphäre. Das schafft im ganzen Haus das gewisse Wohlfühlklima, in dem es leichter fällt, seine Talente zu entfalten und die charakterlichen und kulturellen Unterschiede zwar gelten zu lassen, aber nicht als belastend zu empfinden. Das fällt auf. Viele Kölner haben in den vergangenen Jahren zu den allfälligen Renovierungsarbeiten beigetragen. Beeindruckt von der Atmosphäre in Schweidt zeigte sich auch bei einem Besuch der Chef des Kölner Haus und Grund, Hanns Schaefer:

Jin-Woo aus Korea, Giovanni aus Italien und Saleh aus Palästina beim Ausflug im Siebengebirge

Zum Nulltarif ist das alles nicht zu haben, auch nicht für 5 Euro fünfzig. 35 neue Doppelfenster in dem großen Haus müssen rein. Die kosten Geld. Wo sich nicht Vater Staat oder Mutter Kirche um alles kümmern, ist Bürgerinitiative gefragt. Aber was unsere "Vorfahren" vor 40 Jahren mit viel Klinkenputzerei bei Kölner Bürgern und Firmen angefangen haben, kann doch heute nicht so viel schwerer sein. Wer macht sich stark für ein Doppelfenster für 1.000 Euro?

Mutter Theresa sagte einmal: "Liebe ist, wenn es weh tut". Uns allen ist klar, dass diejenigen geben werden, die auch bei anderen guten Werken großzügig sind. Daher haben wir sehr präzise dieses Projekt vorgestellt. – Jeder kann mitmachen. Sie können sich vor Ort unsere Arbeit ansehen und mit den Studenten sprechen: Telefon 52 50 61. Kto: 1963-509 bei der Postbank Köln (BLZ: 370 100 50)

Zum Schluss eine persönliche Erfahrung: Vor 13 Jahren war ich als Rundfunkkorrespondent in Korea. Kurz bevor ich wieder nach Deutschland zurückkehrte, in mein inzwischen geeintes Land, rief mich der Präsident der koreanischen Patentanwaltsvereinigung an. Er wolle mich zu einem Abendessen einladen. Als ich ihn dabei etwas verwundert fragte, warum er für ein Abendessen extra seinen Familienurlaub an der Ostküste unterbrochen habe, antwortete er: "Ich habe in diesem Kölner Studentenheim Schweidt zwei wichtige Jahre meines Lebens gewohnt. Für das, was ich dort mitbekommen habe für mich und für meine Familie, wollte ich mich bedanken. Wenn Sie irgendwann so etwas wie Schweidt in Seoul anfangen, können sie auf mich bauen."

Haus und Grund, Februar 2004