Täglicher Umgang mit einem unauslotbaren Geheimnis

Anregungen von Josef Arquer zum Hochfest der Allerheiligsten Dreifaltigkeit

Vor seinem Leiden und seiner Verherrlichung hatte der Herrn seinen Jüngern im engen Raum des Abendmahlsaals verheißen: „Der Beistand aber, der Heilige Geist, den der Vater in meinem Namen senden wird, der wird euch alles lehren und euch an alles erinnern, was ich euch gesagt habe“. (Joh 14,26). Nun hat sich diese Verheißung für uns alle erfüllt, die wir seine Jünger in der Weite der ganzen Welt sein dürfen. Nach dem jubelnden Halleluja von Ostern und Pfingsten sind wir in den Alltag des Kirchenjahres zurückgekehrt und finden in der Liturgie einiges von jenem „Alles“ vor, das der Herr damals versprochen hatte. Durch die Liturgie „setzt Christus, unser Erlöser und Hoherpriester, in seiner Kirche, mit ihr und durch sie das Werk unserer Erlösung fort.“ (KKK 1069). Sie entfaltet vor uns ein Panorama von unauslotbaren Geheimnissen, damit wir jedes einzelne anbetend betrachten: Am Sonntag nach Pfingsten die Allerheiligsten Dreifaltigkeit. Dann Fronleichnam. Und schließlich das Fest vom Herzen Jesu, gleichsam als symbolisch fassbares Bild des „Für euch“, in dem der Herr sein Erlösungswerk vollzieht.

Quelle, Ziel, Vollendung des Lebens

Lassen wir die drei wesentlichen Aussagen der Glaubenslehre zur Allerheiligsten Dreifaltigkeit auf uns wirken: „Die Trinität ist eine. Wir bekennen nicht drei Götter, sondern einen einzigen Gott in drei Personen: die „wesensgleiche Dreifaltigkeit“. Die göttlichen Personen teilen die einzige Gottheit nicht untereinander, sondern jede von ihnen ist voll und ganz Gott. Die drei göttlichen Personen sind real voneinander verschieden. „Vater“, „Sohn“ und „Heiliger Geist“ sind nicht einfach Namen, welche Seinsweisen des göttlichen Wesens bezeichnen. Die göttliche Einheit ist dreieinig. Die drei göttlichen Personen beziehen sich aufeinander. Weil die reale Verschiedenheit der Personen die göttliche Einheit nicht zerteilt, liegt sie einzig in den gegenseitigen Beziehungen. (vgl. KKK 253-255)

Wer am Rande oder an der Schwelle des Glaubens steht und das liest, wird sich vielleicht eingeschüchtert fühlen. Zum leidenden Herrn am Kreuz und zur heiligen Hostie in der Monstranz findet man nach einiger Zeit betender Einstimmung mit Sinnen und Gemüt einen Zugang. Da kann man so reagieren, wie bei der Begegnung mit einem Freund, einer Freundin. Anders ist es, wenn sich jemand der Allerheiligste Dreifaltigkeit nähern möchte. Die Aussagen des Katechismus vernimmt er wohl: Die Allerheiligste Dreifaltigkeit ist das zentrale Geheimnis des christlichen Glaubens und Lebens, das Mysterium des inneren Lebens Gottes, der Urgrund aller anderen Glaubensmysterien und das Licht, das diese erhellt (vgl. KKK 234). Und er will sich wirklich dem Glauben öffnen, dass der dreieinige Gott Quelle, Ziel und Vollendung seines Lebens ist – des natürlichen wie des übernatürlichen Lebens. Aber das Mysterium bleibt ihm entzogen. Er findet keinen Zugang, weder mit den Sinnen in seinem unmittelbaren Empfinden, noch im Ringen seines Verstand.

Aber Eines leuchtet da ein, und dies wird vielleicht zum ersten Schritt der Öffnung hin auf den Glauben: Dass der Herr diesem konkreten Menschen, der sich Gedanken über den Sinn seines Lebens macht, das Geheimnis nun einmal nicht so offenbaren will, dass dieser „sachlich informiert“ würde, wie er sonst Kenntnis erhält von interessanten Dingen. Vielmehr will er diesen Menschen in der Weise mit sich bekannt machen – das heißt mit einer Realität, die diesen bis in die Tiefen seiner Existenz angeht, dass der Mensch ahnen kann, zu welcher Fülle und Klarheit Gott ihn beruft. Paulus schreibt den Korinther: „Wir verkündigen, wie es in der Schrift heißt, was kein Auge gesehen und kein Ohr gehört hat, was keinem Menschen in den Sinn gekommen ist: das Große, das Gott denen bereitet hat, die ihn lieben“ (1 Kor 2,9).

Deswegen ist das Geheimnis des einen und dreifaltigen Gottes noch unergründlicher als alle anderen Geheimnisse des Glaubens wie die Menschwerdung oder die Eucharistie. Denn es bezieht sich unmittelbar auf das Innenleben Gottes, auf das, was das Ziel unseres Wanderns ist – nicht nur auf die Art und Weise, wie wir unseren Weg auf Erden gehen um zum Ziel zu gelangen.

Innerliche Vertrautheit des Betens

Wie leichthin machen wir oft genug das Kreuzzeichen, wie gedankenlos sprechen wir dabei vielleicht die heiligen Worte „im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes“! Jedesmal ist es ja ein Bekenntnis zu Gott dem Einen und Dreifaltigen. Und doch: Wie schwer hat sich die Theologie getan, wie lange hat sie gebraucht, um eine Ausdrucksweise zu finden, die das Geheimnis wahrt und für die Vernunft tragbar ist! Formulierungen aus der philosophisch-theologischen Sprache mögen schwerfällig sein, sie sind aber doch notwendig, um die Spannung der ganzen Wahrheit zu erhalten und sie vor dem Entweder-Oder menschlicher Logik zu bewahren und womöglich zu befreien. Im Gegensatz zum aufklärerischen Vorurteil, ist die trockene Klarheit des Dogmas keine Fessel: „Die Wahrheit macht das Gebet kräftig, durchströmt es mit jener herben, erhaltenden, belebenden Energie, ohne die es weichlich wird... Der dogmatische Gedanke macht frei von der Knechtschaft des Gemütes, von der Verschwommenheit und Trägheit des Gefühls" (Romano Guardini, Vom Geist der Liturgie).

Der eigentliche Zugang zum Geheimnis öffnet sich aber erst in der betenden Erfahrung derer, die mit dem Herrn Jesus Christus den „Vater, Herr des Himmels und der Erde“, preisen, weil er „all das den Weisen und Klugen verborgen, aber den Unmündigen offenbart“ hat (Mt 11,25).

Aus der Einsicht vor Gott ein unmündiges Kind zu sein erwachsen das dankbare Staunen und die innerliche Vertrautheit des Betens, in welcher das Herz gar nicht mehr anders kann, „als jede einzelne der drei göttlichen Personen zu kennen und anzubeten. Das ist für die Seele wie eine neue Entdeckung im übernatürlichen Leben, so wie ein kleines Kind nach und nach die Welt entdeckt. Die Seele hält liebende Zwiesprache mit dem Vater, dem Sohn und dem Heiligen Geist; sie unterwirft sich gern dem Wirken des lebenspendenden Trösters, der, ganz ohne unser Verdienst, in uns Einzug hält und uns die übernatürlichen Gnadengaben und Tugenden schenkt.“ (Josefmaria Escrivá, Freunde Gottes, Nr. 306).