Papst Benedikt XVI.: „Ut unum sint!“

Generalaudienz im Zeichen von Pfingsten und der Einheit der Christen

ROM, – Diese Tage der unmittelbaren Vorbereitung auf das Hochfest von Pfingsten regen uns dazu an, die Hoffnung auf die Hilfe des Heiligen Geistes zu beleben, um auf dem Weg der Ökumene voranzuschreiten. Wir haben die Gewissheit, dass uns Jesus, der Herr, auf der Suche nach der Einheit nie verlässt, da sein Geist unermüdlich am Werk ist, um unsere Bemühungen zu unterstützen, die darauf ausgerichtet sind, jede Spaltung zu überwinden und jeden Riss im lebendigen Gewebe der Kirche zu heilen.

Gerade dies versprach Jesus den Jüngern in den letzten Tagen seiner Sendung auf Erden, wie wir soeben im Abschnitt aus dem Evangelium gehört haben: Er sicherte ihnen den Beistand des Heiligen Geistes zu, den er schicken würde, damit dieser sie weiterhin seine Gegenwart spüren ließe (vgl. Joh 14,16-17). Diese Verheißung wurde Wirklichkeit, als Jesus nach der Auferstehung in den Abendmahlsaal kam, die Jünger mit den Worten „Friede sei mit euch“ begrüßte, sie anhauchte und zu ihnen sagte: „Empfangt den Heiligen Geist!“ (Joh 20,22). Er verlieh ihnen die Vollmacht, die Sünden zu vergeben. Der Heilige Geist tritt also hier als Kraft der Vergebung der Sünden, der Erneuerung unserer Herzen und unseres Daseins in Erscheinung; und so macht er die Erde neu und schafft Einheit dort, wo Trennung war. Am Pfingstfest zeigt sich der Heilige Geist dann durch weitere Zeichen: durch das Zeichen eines heftigen Windes und der Zungen wie von Feuer, und die Apostel sprechen in allen Sprachen. Das ist ein Zeichen dafür, dass die babylonische Verwirrung – Ergebnis des Hochmutes, der die Menschen trennt – im Geist überwunden wird, der die Liebe ist und in der Verschiedenheit Einheit spendet. Vom ersten Augenblick ihrer Existenz an, spricht die Kirche in allen Sprachen – dank der Kraft des Heiligen Geistes und der Feuerzungen – und lebt in allen Kulturen; sie zerstört nichts von den verschiedenen Gaben, von den unterschiedlichen Charismen, sondern sie fasst alles in einer großen und neuen Einheit zusammen, die versöhnt: Einheit und Vielfalt.

Der Heilige Geist, der die ewige Liebe ist, das Band der Einheit in der Dreifaltigkeit, eint die verstreuten Menschen mit seiner Kraft in der göttlichen Liebe und schafft so die vielgestaltige und große Gemeinschaft der Kirche in der ganzen Welt. In den Tagen nach der Himmelfahrt des Herrn bis zum Pfingstsonntag waren die Jünger gemeinsam mit Maria im Abendmahlsaal im Gebet vereint. Sie wussten, dass nicht sie es sein konnten, die die Kirche schaffen und organisieren: Die Kirche muss durch göttlichen Entschluss entstehen und von ihm organisiert werden; sie ist nicht unser Geschöpf, sondern Gabe Gottes. Und nur so schafft sie auch Einheit – eine Einheit, die wachsen muss. Die Kirche vereint sich im Geiste zu jeder Zeit, insbesondere in den neun Tagen zwischen Himmelfahrt und dem Pfingstfest, im Abendmahlsaal mit den Aposteln und Maria, um stets um das Ausgießen des Heiligen Geistes zu bitten. Getrieben von seinem heftigen Wind, wird sie so in der Lage sein, das Evangelium bis an die äußersten Grenzen der Erde zu verkünden.

Dies ist der Grund, weshalb die Christen trotz der Schwierigkeiten und Trennungen weder resignieren noch sich der Mutlosigkeit ergeben dürfen. Das fordert der Herr von uns: im Gebet verharren, um die Flamme des Glaubens, der Liebe und der Hoffnung lebendig zu erhalten, von der das Streben nach der vollen Einheit gespeist wird. „Ut unum sint!“, sagt der Herr. Immer hallt in unseren Herzen diese Einladung Christi wider; eine Einladung, die ich während meiner jüngsten Apostolischen Reise in die Vereinigten Staaten erneut aussprechen konnte, wo ich die zentrale Stellung des Gebetes in der ökumenischen Bewegung erwähnt habe. In dieser Zeit der Globalisierung und gleichzeitiger Zersplitterung „wären die ökumenischen Strukturen, Institutionen und Programme ohne das Gebet ihres Herzens und ihrer Seele beraubt“ (Ökumenische Begegnung in der Kirche Saint Joseph in New York, 18. April 2008). Danken wir Gott für die Ergebnisse, die dank des Wirkens des Heiligen Geistes im ökumenischen Dialog erreicht worden sind. Hören wir weiterhin fügsam seine Stimme, damit unsere von Gnade erfüllten Herzen ohne Unterlass den Weg beschreiten, der zur vollen Einheit aller Jünger Christi führt.

Im Brief an die Galater erinnert uns der heilige Paulus: „Die Frucht des Geistes aber ist Liebe, Freude, Friede, Langmut, Freundlichkeit, Güte, Treue, Sanftmut und Selbstbeherrschung“ (5,22-23). Das sind die Gaben des Heiligen Geistes, um die auch wir heute für alle Christen bitten, damit sie im gemeinsamen und großherzigen Dienst am Evangelium in der Welt Zeichen der Liebe Gottes für die Menschheit sein können. Richten wir vertrauensvoll den Blick auf Maria, den Tempel des Heiligen Geistes, und beten wir mit ihrer Hilfe: „Komm, Heiliger Geist, erfülle die Herzen deiner Gläubigen, und entzünde in ihnen das Feuer deiner Liebe“.

(ZENIT.org) 7.5.2008