Jesu letzte Geste – Wegweiser durch die Zeit

Zum Hochfest Christi Himmelfahrt eine Betrachtung von Josef Arquer

Am Anfang eines Abenteuers

Wieder das Staunen, wie vierzig Tage davor am Ostersonntag. Damals war der Herr plötzlich da – bei verschlossenen Türen. Jetzt ist er da – mitten in einer grünen Landschaft, auf freiem Felde.

Damals gebar das Staunen jubelnde Gewissheit: Der Gekreuzigte und Begrabene lebt, seine Wunden "leuchten in Herrlichkeit" (Ostervigil, Bereitung der Osterkerze). Jetzt folgen dem Staunen widerstreitende Gefühle: Trauer und Freude, Ratlosigkeit und Begeisterung, Ungewissheit und Zuversicht. Denn der Herr hat die Seinen diesmal ins Freie hinausgeführt, nicht um sie durch Gleichnisse zu belehren, sondern um sie in eine völlig neue Situation zu versetzen: "Ihr werdet meine Zeugen sein". (Apg 1,8) Die Jünger werden Jesu Worte mit Bange gehört haben. Denn sein Auftrag schließt mit ein, dass sie sich nicht mehr an den Meister werden wenden können, wenn sie einmal den Überblick verlieren. Unverhofft stehen sie am Anfang eines Abenteuers.

Der Auftrag: alles und alle umfassend

"Er erhob seine Hände und segnete sie. Und während er sie segnete, verließ er sie und wurde zum Himmel emporgehoben" (Lk 24,50–51).

Ein Segen ist die letzte Geste des Herrn auf Erden. Sie besiegelt wirkmächtig den Auftrag – weit, breit, universal wie die ausgebreiteten Arme Jesu: "Mir ist alle Gewalt gegeben im Himmel und auf Erden…." Was dann folgt, ist umfassend, absolut: zu allen Völkern sollen sie gehen, und alle Menschen zu Jüngern machen, und sie alles lehren… Und ein letztes Alles: "Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt" (vgl. Mt 28, 18-20).

"Er wurde vor ihren Augen emporgehoben, und eine Wolke nahm ihn auf und entzog ihn ihren Blicken" (Apg 1,8–9). Natürlich ist dies kein räumliches Geschehen, kein Eintritt in eine andere Räumlichkeit "über den Wolken" oder "jenseits" der Wolken, kein Flug nach oben. Das Bild der Wolke ist "ein uraltes Bild alttestamentlicher Kulttheologie: Zeichen der Verborgenheit Gottes, der gerade in seiner Verborgenheit der Nahe und der Mächtige ist, der allzeit über uns und dennoch immerfort in unserer Mitte ist, der sich all unserem Greifen- und Verfügenwollen entzieht und eben darin über uns alle verfügt. Durch dieses Bild der Wolke wird die Erzählung von der Himmelfahrt eingefügt in die ganze Geschichte Gottes mit Israel, beginnend mit der Wolke am Sinai und über dem Bundeszelt in der Wüste bis zu der lichten Wolke, die auf dem Berg der Verklärung die Nähe Gottes verkündete" (J. Ratzinger, Dogma und Verkündigung, S. 362).

Die "Erhöhung des Herrn" – so die eigentliche liturgische Bezeichnung des Festes – ist das letzte fassbare Geschehen im Leben Jesu auf Erden, die Krönung des erlösenden österlichen Geheimnisses. Der Herr tritt ein in eine neue, uns von der Natur her unerreichbare Dimension. Nicht Raum und Maß bestimmten sie, sondern Weite und Vollendung: Leben, Licht, Erkenntnis, Wahrheit, Schönheit … – und Freude in Fülle.

Jesus kehrt zum Vater heim, nicht um uns Menschen zu verlassen, er gibt den Gliedern seines Leibes die Hoffnung, ihm dorthin zu folgen, wohin er als erster vorausging (Präfation). Wir sind alle gerufen, an diesem Leben in Fülle teilzuhaben. Über der Vergänglichkeit unserer Geschichte erhöht, thront er zur Rechten des Vaters. Er wird wiederkommen in Macht und Herrlichkeit am Ende der Zeiten.

Die Zeit der Kirche beginnt

Erst das Wort der Engel reißt die Jünger aus ihrem Staunen: "Ihr Männer von Galiläa, was steht Ihr da und schaut zum Himmel empor? "(Apg 1, 11) Vielleicht schwingt da zwischen mitfühlend und sachlich ein leiser Unterton mit, als hieße es: Versteht Ihr nicht, dass Ihr jetzt selbst dran seid? Merkt doch, dass jetzt die Zeit der Kirche beginnt, die Zeit eures Zeugnisses! "Das heutige Fest erinnert uns daran, dass der Eifer für die Seelen ein liebenswertes Gebot des Herrn ist, der uns bei seiner Himmelfahrt in die ganze Welt hinaus sendet". (Josefmaria Escrivá, Christus begegnen, 122)

Die Jünger kehrten "in großer Freude nach Jerusalem zurück" (Lk 24, 52). Inzwischen kannten sie ihre Grenzen und wussten: Nicht aus der eigenen Begeisterung wird die Kraft aufbrechen, um den Auftrag zu erfüllen, sondern aus der Höhe: "Ihr werdet die Kraft des Heiligen Geistes empfangen, der auf euch herabkommen wird; und ihr werdet meine Zeugen sein (...) bis an die Grenzen der Erde" (Apg 1,8).

Wie die Jünger damals, im Obergemach mit Maria versammelt (vgl. Apg 1,14) rufen viele Betenden besonders an den zehn Tagen bis Pfingsten mit stürmischem, eindringlichem Ruf: Veni, Sancte Spiritus – Komm Heiliger Geist! Veni, Creator Spiritus – Komm Schöpfer Geist! Erneuere uns und erneuere das Angesicht der Erde, unserer Erde.