„Ihr Rezept hat mir geholfen“

Julia Lörinczy ist im kommunistischen Ungarn groß geworden. Viele Jahre lebte sie als Atheistin. 1974 fand die Klavierlehrerin zusammen mit ihrem Mann Lorand, der Opernsänger war, Arbeit in Deutschland. Und hier begann auch ihr Weg zurück zu Gott.

Das Klopfen hatte sie nicht gehört. Aber plötzlich stand ein schwarz gekleideter Mann vor ihr. Ein Priester. „Er wollte wissen, wie lange ich den Raum noch brauche“, erinnert sich Julia Lörinczy. Die aus Ungarn stammende Klavierlehrerin unterrichtet seit vielen Jahren Klavierschüler im Gemeindezentrum Pernickelmühle. Ein Raum, den ihr die Dompfarrei Osnabrück zur Verfügung stellte. Kostenlos. Und als Dankeschön. Denn Julia Lörinczy und ihr im Januar 2006 verstorbener Mann Lorand konnten selbst keine Kinder bekommen. Die beiden wollten aber Gutes für Kinder tun. Seit 22 Jahren fließt daher das Geld, das Julia Lörinczy montags von ihren Klavierschülern in der Pernickelmühle einnimmt, über die Dompfarrei an die Weltkindermission.

An diesem Montag dauerte der Unterricht länger als sonst. Und im Flur wartete Dr. Cesar Martinez, ein Priester des Opus Dei, der einmal monatlich einen Besinnungsabend für Frauen in der Pernickelmühle hielt. „Er wollte wissen, wann der Raum frei sei und erzählte mir von dem Abend. Und weil ich neugierig war, fragte ich, ob ich dazu kommen könnte.“ Das war der erste Kontakt, den die heute 73-jährige Ungarin zu Mitgliedern des Opus Dei hatte. Etwa drei Jahre später bat sie selbst um Aufnahme in das Opus Dei.

„Für mich war diese erste Begegnung sehr wichtig. Es ging um das Gebet. Und dazu gab es sehr praktische Anregungen - etwa jeden Tag eine bestimmte Zeitspanne für Gott fest in den Terminkalender einzuplanen. Das hat mir gefallen.“

Die Musikerin erzählt, dass sie in ihrer Beziehung zu Gott damals Nachholbedarf hatte. „Ich bin zwar katholisch getauft, habe aber viele Jahre nicht an Gott geglaubt und völlig atheistisch gelebt.“ In ihrer kommunistischen Heimat gab es keinen Religionsunterricht in den Schulen. Die Mutter gehörte der Reformierten Kirche an, ihr Vater war katholisch.

„Nach dem Studium begannen für Lorand und mich Zeiten großer Not. Wir hatten nicht einmal eine Wohnung und lebten zwei Jahre im Klassenzimmer einer Schule, die saniert werden sollte.“ In unmittelbarer Nähe dieser Schule gab es aber eine Kirche. „An einem Tag hörte ich Orgelmusik aus dieser Kirche.“ Julia Lörinczy fühlt sich von der Musik angezogen und als sie in die Kirche ging, stand sie vor einer Figur der Muttergottes. „Ich habe sie um Hilfe gebeten.“ Und die kam schnell. „Lorand und ich lernten ein Ehepaar aus Deutschland kennen. Sie vermittelten uns Kontakte zu einer Künstleragentur in Frankfurt.“ Bis die Lörinczys ausreisen durften (das kommunistische Ungarn wollte die beiden nur in die DDR entlassen), war aber noch so mancher Nervenkrieg zu bestehen. Dann klappte es.

1974 ging es zunächst nach Bremerhaven. Drei Jahre später fand Lorand eine bessere Stelle als Opernsänger am Osnabrücker Theater. Hier arbeitete er 15 Jahre lang. Julia hatte bis zu ihrer Pensionierung eine halbe Stelle als Klavierlehrerin am Konservatorium in Osnabrück. Daneben unterrichtete sie privat. Bis heute.

Den Weg zurück zu Gott fand Julia Lörinczy vorwiegend durch evangelische Mitchristen. „In Bremerhaven sprach ein befreundeter Musikprofessor viel über Gott. Ich fing an religiöse Bücher zu lesen.“ Nur wenige Jahre später fiel der Ungarin im Osnabrücker Dom auch ein Buch des Gründers des Opus Dei, des 2002 heilig gesprochenen Josefmaria Escriva de Balaguer, in die Hand. Es war „Der Weg“, ein kleines Taschenbuch. „Dieses Buch hatte ich seit mindestens zwei Jahren oft gelesen. Anfangs fand ich es ziemlich streng. Und manche Worte darin haben mir fast den Atem verschlagen“. Aber eben dieses Buch sah Julia Lörinczy auch beim ersten Besinnungsabend in der Pernickelmühle - in der Hand des Priesters, der daraus zitierte. „Da wusste ich sofort, wo ich bin.“

Ihre Berufung zum Opus Dei habe nicht dazu geführt, dass ihre persönliche Beziehung zu Gott von diesem Zeitpunkt an immer mühelos gewesen sei, betont die 73-Jährige. „Aber ich war nicht mehr alleine. Und ich konnte Gott jetzt jeden Tag dort begegnen, wo ich ihn gefunden habe: beim Klavierspielen.“ Genau durch diese Tätigkeit arbeitet Julia Lörinczy nun gleich in mehrerer Hinsicht für Gott. „Insbesondere Kinder und Jugendliche sind ansprechbar für Christus“, ist sich die Ungarin sicher. So mancher Teenager mag sich vielleicht dennoch gewundert haben. Energisch kann die „alte Dame“ nämlich auch werden. Vor allem, wenn ihre Schüler nicht fleißig genug üben. So wie die 15-jährige Lisa. Die staunte wohl nicht schlecht, als ihre Klavierlehrerin plötzlich wissen wollte: „Glaubst du an Gott?“ Das junge Mädchen bejahte die Frage. Und erhielt folgende Antwort: „Dann bitte Gott, dass er dir hilft, mit mehr Fleiß zu üben. So geht es jedenfalls nicht weiter.“ Der Hinweis war nicht umsonst. In der nächsten Woche beherrschte Lisa ihr Stück. Julia Lörinczy konnte ihr Erstaunen über diesen Wandel nicht verbergen. Worauf Lisa lächelte: „Ihr Rezept hat mir geholfen“.

von Rebekka Zumloh