Die Kirche umarmt Benedikt XVI.

Klaus Klein-Schmeink (34) ist Priester der Diözese Münster. An der Päpstlichen Universität vom Heiligen Kreuz zu Rom studiert er zur Zeit Kommunikationswissenschaften. Hier lesen Sie, wie er persönlich den Tag erlebt hat, an dem Benedikt XVI. zum Papst gewählt wurde.

Ich hatte heute ab 15.30 Uhr Vorlesung. Und natürlich lief in einem der Büros ein Fernseher, falls der Rauch aufsteigen sollte.

Irgendwann kam ein Professor in den Vorlesungssaal und rief: „Fumata bianca, fumata bianca!“ „Weißer Rauch!“ Natürlich war die Vorlesung beendet. Wir versammelten uns vor dem Bildschirm und sahen Rauch. War er weiß, oder doch eher grau? Wo bleiben die Glocken. Die Glocken sollten doch läuten, wenn es soweit wäre. Je länger wir den Rauch im Fernsehen anstarrten, umso weißer kam er uns vor.

Wir verließen das Uni-Gebäude. Überall Menschen, die in Richtung Petersplatz gingen, zum Teil sogar rannten. In der Nähe des Petersplatzes brach der Verkehr zusammen. Ich weiß nicht, wie so viele Menschen sich so schnell an einem einzigen Ort versammeln können!

Der Platz war schon fast voll, als ich mit einigen Freunden, Professoren und Studenten ankam. In dem Meer aus Köpfen und Flaggen sah ich auch ganz vorn einige deutsche Fahnen wehen.

Überall hörte man Vermutungen, wer es sein könnte. Ich habe nicht mehr hinhören können nach all den Tagen. Ab und zu brauste Applaus auf, als ob die Menge den neuen Papst auf die Loggia herausklatschen wollte. Eine Kapelle der Carabinieri marschierte mit Blasmusik auf. Spannung unter den Menschen. Wie immer in den letzten Tagen, waren viele junge Menschen darunter. Es war wirklich das Volk Gottes: bunt, jung, alt, international, Priester, Laien, Ordensleute, Familien mit Kinderwagen. Es waren wieder alle da, für die Johannes Paul II. da war.

Tosender Applaus als sich der Vorhang der Loggia öffnet. „Silenzio!“ höre ich oder „Pssst!“. Alle Augen sind auf die Loggia gerichtet.

„Habemus Papam!“ Ein Jubelsturm bricht los. Wie Waisenkinder, die einen neuen Vater verkündet bekommen. „Josephus“ – Der Platz scheint den Atem anzuhalten. Eine Pause entsteht. Viele sind überrascht. Ich auch. „Ratzinger“ Ich kann nicht mehr an mich halten und schreie meine Freude heraus. Neben mir auch viele andere. Einige, sehr wenige bleiben stumm. „Benedictus XVI“ – der Papstname geht im Applaus fast unter. Es wird häufig nachgefragt.

Meine Freunde klopfen mir auf die Schulter oder umarmen mich. „Glückwunsch! Ich bin froh!“ sagen mir viele. Eine etwa vierzigjährige Frau neben mir fragt mich, ob ich etwa Deutscher sei. Als ich dies bejahe, drückt sie mir einen dicken – und ziemlich lauten – Kuß auf die Wange. Es sollte nicht der letzte heute sein.

Schneller als erwartet tritt Benedikt XVI. auf die Loggia. Ein Meer von Fahnen und freundlicher Applaus begrüßt ihn. Irgendwie wirkt er fast schüchtern. Jugendliche skandieren rhythmisch seinen Namen, so wie sie es mit dem Namen seines Vorgängers machten. Die Jugendlichen auf dem Platz haben ihn schon ins Herz geschlossen. Seine Rede ist einfach. Er will ein treuer Nachfolger Johannes Pauls II. sein. Er weiß sich ungeeignet. Er verspricht sich ein- bis zweimal. Er ist nervös, aber auch bewegt. Als er die Gläubigen um ihr Gebet bittet, weiß jeder, dass er es ernst damit meint.

Nach dem Segen verlässt ein großer Teil den Petersplatz. Mittlerweile habe ich mindestens schon 15 SMS empfangen. Alle freuen sich. Kommilitonen entdecken mich. Und wieder gibt es Glückwünsche, Umarmungen und Küsschen. (Hätte nicht gedacht, dass die Deutschen so beliebt sind...) Der Direktor meiner Universität, ein Argentinier, kommt auf mich zu, und gratuliert mir von Herzen. Wir vereinbaren, dass ich morgen ein kleines Fässchen deutsches Bier zur Uni bringe.

Die Busse sind alle pickepacke voll. Also gehe ich zu Fuß nach Hause. Ein Weg von 40 Minuten. Ja, ich bin froh, dass Joseph Kardinal Ratzinger unser Papst Benedikt XVI. geworden ist. Er wird das Werk seines Vorgängers fortführen. Er wird zum Weltjugendtag kommen. Ganz klar. Auf der Loggia wirkte er auf mich zwar ein wenig schüchtern, aber überhaupt nicht ängstlich. Er weiß, dass er nun ein sehr schweres Kreuz zu tragen hat. Sehr, sehr schwer. Aber weil er demütiger ist als viele seiner Kritiker, wird er dieses Kreuz tragen. Für die Kirche insgesamt. Für die Jugendlichen. Für die Kirche in Deutschland. Ich bin überzeugt, dass bei seiner Wahl der Heilige Geist geweht und gewirkt hat. Und ich kann mir gut vorstellen, dass sich Johannes Paul II. im Himmel über diese Wahl sehr freut. Er wird seinem Nachfolger beistehen. Hoffentlich werde ich genug für ihn beten. Versuchen will ich es. Er hat darum gebeten und es verdient.

In meiner Residenz angekommen, werde ich wieder gedrückt und beglückwünscht. Außerdem holt Schwester Angela Bier aus dem Keller. Ansonsten gibt es eigentlich abends nur Wein. Italienischen. „Heute gibt es Bier für unseren deutschen Papst!“ sagt sie. „Und wir werden für ihn beten.“ Es tut gut, so etwas zu hören. Morgen früh werde ich der Kommunitätsmesse vorstehen. Wir sind 25 Priester aus 18 Nationen. Ich bin der einzige Deutsche. „Du hast das Recht, Klaus, als erster von uns den Namen Benedikt XVI. im Hochgebet zu sprechen.“, sagt mir der Direktor. Eigentlich war ein anderer als Hauptzelebrant vorgesehen. Ich empfinde es als Ehre.

Ich hoffe, dass der neue Papst überall so freundlich empfangen wird, wie hier. Er hätte, er hat es verdient.