Josemaría Escrivás Vertrauen in die Jugend

Allein die Tatsache, daß Institutionen wie das Opus Dei in der heutigen Zeit sich halten oder gar wachsen können und zudem bei Jugendlichen stets Anklang gefunden haben und weiterhin finden, löst bei manchen Zeitgenossen Erstaunen und gelegentlich Nervosität aus. Aber die Jugend ist für die ganze Kirche eine lebenswichtige Frage, denn hier stehen die Zahl und Qualität der geistlichen Berufe sowie die Entstehung christlicher Familien in einem engen Zusammenhang.

Allein die Tatsache, daß Institutionen wie das Opus Dei in der heutigen Zeit sich halten oder gar wachsen können und zudem bei Jugendlichen stets Anklang gefunden haben und weiterhin finden, löst bei manchen Zeitgenossen Erstaunen und gelegentlich Nervosität aus. Die Prälatur hat viele Entwicklungen nicht durchgemacht, die für andere Institutionen nach dem Konzil geradezu typisch waren. Das hängt unter anderem wohl auch damit zusammen, daß sich das Opus Dei durch die Aussagen des Konzils in seiner Spiritualität und in seinen Zielsetzungen bestätigt sah. Der Gründer des Opus Dei hat ab dem 2. Oktober 1928 unermüdlich verkündet, daß alle Getauften und Gefirmten zur Heiligkeit, zu einer Nachfolge Christi mit allen Konsequenzen und zu einer aktiven Teilnahme an der Sendung der Kirche berufen seien. Gerade im Zusammenhang mit dem Laienapostolat war das Opus Dei wegbereitend für wichtige Neueinsichten, die sich dann in den Dokumenten des II. Vatikanischen Konzils niedergeschlagen haben. Das Opus Dei konnte daher nach dem Konzil, ohne Verunsicherung und ohne Identitätsprobleme, ermutigt und bestärkt seine Arbeit fortsetzen. Das ist wohl ein Grund, warum sich das Opus Dei über die siebziger und achtziger Jahre hindurch gesund entfaltet hat und sogar beachtlich wachsen konnte.

Besonderes Augenmerk verdient das Apostolat mit jungen Menschen, die das Opus Dei bzw. seine Mitglieder weltweit verwirklichen. Wenn von einigen wenigen Exmitgliedern, aber auch von Eltern mancher Jugendlicher, die dem Opus Dei beigetreten sind, behauptet wurde, Jugendliche seien zu stark gedrängt, zu früh zu einer Lebensentscheidung, für die sie noch nicht reif waren, genötigt worden, muß man gleichzeitig die Tatsache entgegenhalten, daß gerade aus seinen Reihen viele Persönlichkeiten – Priester und Laien – hervorgehen, die nicht nur gesund und normal sind, sondern offenbar sowohl in Kirche als auch in Gesellschaft in positivem Sinne wirksam. In vielen Ländern wie z.B. in Italien, Spanien, Portugal, Frankreich hat sich – inmitten einer stark säkularisierten Gesellschaft – eine beachtlich breite und fruchtbare Arbeit mit Jugendlichen entwickelt. Im mitteleuropäischen Raum wie z.B. Deutschland, Österreich, Schweiz oder Holland ist die Arbeit trotz manch heftiger Angriffe in der Öffentlichkeit in den letzten Jahren ebenfalls fruchtbar.

Die Jugend ist für die ganze Kirche eine lebenswichtige Frage, denn hier stehen die Zahl und Qualität der geistlichen Berufe sowie die Entstehung christlicher Familien in einem engen Zusammenhang. Dort wo viele Familien zerrüttet und nur wenige von christlichem Geist geprägt, wo Priester und Ordensleute – oft gerade durch die schwierige pastorale Situation bedingt – in einen Zustand der Resignation und der Müdigkeit geraten sind, ist es gar nicht leicht, ein vitales Apostolat unter der Jugend auf die Beine zu bringen; andererseits ist es in solchen Situationen besonders notwendig und hilfreich.

Um zu verstehen, wie im Opus Dei die Sorge um die Jugend verstanden wird, werden wir uns sinnvollerweise allem anderen voran der Gestalt und der Denkweise des Gründers des Opus Dei zuwenden und in den Blick zu nehmen suchen, wie er solch ein Apostolat konzipiert und verwirklicht hat. Wir werden auch zu überlegen haben, wie sich seine Vorstellungen in unserer Zeit bewähren.

Die eigene Lebenserfahrung ist vielleicht am anschaulichsten. Zum ersten Mal bin ich Josemaría Escrivá im Sommer 1961 begegnet. Es war in London. Damals befand ich mich zur Verbesserung meiner Englischkenntnisse im Rahmen eines Austauschprogrammes zusammen mit einer jungen Vorarlberger Gruppe in England. Im Jahr zuvor, während der Zeit meines Medizinstudiums in Wien, hatte ich das Opus Dei kennengelernt und kurz vor meiner Fahrt nach England um die Aufnahme gebeten. Das geschah mit einem Brief, der an den Gründer des Opus Dei gerichtet war. Ich kannte ihn noch nicht. In London ergab sich am Ende meines Aufenthaltes überraschend die Gelegenheit zu einer Begegnung mit ihm. Josemaría Escrivá verbrachte damals einige Wochen auf den britischen Inseln, um sich ein wenig zu erholen und in Ruhe und ohne die drückende Hitze Roms arbeiten zu können, wohl aber auch, um die dortigen Mitglieder des Opus Dei in ihrer Treue zur Kirche und in ihrem apostolischen Einsatz zu ermutigen.

Dieses erste Zusammentreffen mit dem seligen Josemaría ist mir unvergeßlich. Obwohl inzwischen fast 40 Jahre vergangen sind, habe ich noch immer alle Einzelheiten der Begegnung lebendig vor Augen. Vom ersten Augenblick an spürte ich seine große Herzlichkeit und Spontaneität. Es war, als wären wir seit langem miteinander bekannt. Er fragte mich nach meinem Alter und reagierte sofort mit der Antwort – ich war damals 21 –, der Talar, den er trage, sei älter als ich. Ich war überrascht. Sein Talar war in perfektem Zustand, sauber und gebügelt, wohl aber konnte man bei näherem Hinsehen bemerken, daß er etwas glänzend und an manchen Stellen sorgfältig geflickt war. Mit gewinnender Natürlichkeit schenkte er mir als Eröffnung des Gespräches zwei kleine Eselchen aus Ton, die heute noch als Erinnerung an damals in Wien liebevoll aufbewahrt werden, und er erklärte mir auf meine Frage hin, warum er diese Tiere ganz besonders liebte: sie ließen sich mit großen Lasten beladen und seien genügsam und beharrlich. Im Psalm heißt es: »Wie ein Lastesel bin ich geworden«. Er sagte, daß er diese Worte gerne mit dem jungen Eselsfohlen, das Jesus beim Einzug nach Jerusalem getragen hat, in Zusammenhang bringe. Es sei sein großer Wunsch – Grundlage jeder wahren Wirksamkeit –, Jesus zu tragen, sich von ihm führen und leiten zu lassen. Er sprach dann weiter von den Schnitzereien in der Kapelle im Zentralsitz des Opus Dei: dort wird unter anderem ein Esel dargestellt, der seinen Kopf mit den langen Ohren über ein offenes Buch hält und darin liest. Es sei notwendig, sich für die apostolische Arbeit gut auszubilden. Dafür sei viel Studium nötig. Er fügte hinzu, ich sei noch jung und Gott setze große Hoffnungen in mich. Eine wichtige Arbeit erwarte uns in Österreich, das ein Tor für den Osten sein könnte. Er erzählte dann von seinen Aufenthalten in Wien noch während der Besatzungszeit, von seinem Gebet im Jahre 1955 im Stephansdom vor dem Altar der Maria Pötsch, wo er ganz besonders für Österreich und die Länder des Ostens – damals noch hinter dem eisernen Vorhang – gebetet habe. Er fügte hinzu: ich müßte mir ein solides Glaubenswissen aneignen, mich vorbereiten, um mich fest für das Reich Gottes einsetzen zu können.

Ich war glücklich nach diesem Gespräch, fühlte mich bestärkt und ermutigt. Ein besonderes Phänomen, das mich manchmal auch noch später beschäftigt hat, war mein Eindruck, alles, jedes Wort, verstanden zu haben. Das war alles andere als selbstverständlich. Denn Josemaría Escrivá sprach Spanisch, das ich damals nicht verstand; ein Spanier, der mich begleitete, übersetzte auf Englisch, und mein Englisch war alles andere als vollkommen … Vor der Begegnung hatte ich mich noch gefragt, wie das mit der Verständigung wohl sein würde.

Es hat mich dabei – sowohl bei Einzelpersonen als auch bei Gruppen – immer wieder verblüfft, wie innerhalb kürzester Zeit eine totale Vertrautheit und große Herzlichkeit entstanden und wie unterschiedlichste Personen aus aller Herren Länder, auch aus verschiedensten sozialen Schichten, vom einfachen Handwerker bis zum weltberühmten Universitätsprofessor, offenkundig an jedem Wort aus seinem Munde hingen, sich von Josemaría Escrivá verstanden wußten, bestärkt und glücklich weggingen.

Dies hing sicher mit seinem offenen Wesen, seinem weiten Herzen, seiner packenden Spontaneität sowie seiner humorvollen und gewinnenden Art zusammen. Zugleich kam in irgend einer Weise immer seine Gottverbundenheit zum Durchbruch. Niemand ging von ihm weg, ohne an Gott, an die tieferen Dimensionen des eigenen Lebens, an die Möglichkeiten des christlichen Einsatzes und der damit verbundenen Verantwortung erinnert zu werden. Er hatte außerdem eine besondere Gabe, schwierige Fragen mit einfachen Worten verständlich zu erklären; er kam zudem sehr schnell zum Kern der Probleme, wurde oft sehr konkret und praktisch, eröffnete aber zugleich weite Perspektiven.

Ein nicht unbedeutender Grund für das absolute Vertrauen, das viele, die zu ihm kamen, von Anfang an zu ihm empfanden, spielte sicherlich in den meisten Fällen – bei mir war das damals in England genauso gewesen –, daß sie durch die Schriften des Gründers des Opus Dei, durch seine Gedanken persönlich den Weg zu einer hilfreichen Sicht des Glaubens, oft zur Erkenntnis der eigenen Berufung und des eigentlichen Lebenszieles gefunden hatten. Es darf nicht übersehen werden, daß Josemaría Escrivá für viele eine große Hilfe gewesen ist, um in den Umständen des eigenen Lebens, in den Verhältnissen der heutigen Gesellschaft und der Kirche einen Weg zu finden, der mit Hoffnung erfüllt. Das läßt erkennen, daß die große Fruchtbarkeit seiner Schriften, seiner Predigttätigkeit, seiner apostolischen Bemühungen ihre Erklärung in keiner Weise nur in seiner Persönlichkeit, in seinen Fähigkeiten, in seinem riesigen Engagement finden. Er wäre der erste gewesen, der gegen eine solche Vorstellung lautstark protestiert hätte, denn sein großes Ziel war: »Jesus soll aufleuchten«, wie er manchmal sagte. Jesus Christus war für ihn das einzig gültige Bild und der Heilige Geist der Modellierer. Die Verbundenheit mit Christus war für ihn das Ein und Alles. Jede(r) ist nur insoweit fruchtbar als er/sie mit Ihm verbunden ist. Davon sprach er in vielen Varianten, zugleich auch in aller Konkretheit. Das war wohl auch der tiefere Grund des oft grenzenlosen Vertrauens, das viele zu ihm hegten. Es war zugleich das Fundament der Freude und des Optimismus, mit dem er auch in schwierigsten Situationen anzustecken wußte.

Besonders bewegend waren seine Begegnungen mit jungen Leuten. Anfang der siebziger Jahre begann es zu einer ständigen Einrichtung zu werden, daß in der Karwoche viele junge Leute aus ganz Europa nach Rom pilgerten, um den Papst zu erleben und an einem internationalen Studententreffen teilzunehmen. Es kam dabei immer auch zu Begegnungen mit dem Gründer des Opus Dei. Er hatte eine große Gabe, junge Menschen auf ihrem Weg der Nachfolge Christi oder jedenfalls zu einem echten Christsein anzuspornen. Für ihn selbst war es eine wunderbare Erfahrung, die ihn mit großer Dankbarkeit Gott gegenüber erfüllte, erleben zu dürfen, wie die Saat aufgegangen ist, mit der er nach dem 2. Oktober 1928 unter schwierigsten Bedingungen, ohne Ressourcen und Mittel, als junger Priester begonnen hatte, der abgesehen von der Gnade Gottes nichts hatte. Ich erlebte es, wie er einmal angesichts einer großen Gruppe von Jugendlichen aus verschiedensten Ländern sagte: »Wenn ich euch sehe, habe ich den Eindruck zu träumen.« Er sprach dann von dem »Traum«, der sich verwirklicht hat. Das bedarf einer etwas längeren Erklärung.

Vom ersten Augenblick an – nach diesem 2. Oktober 1928 – begann er, junge Leute um sich zu scharen. Es waren vor allem Studenten, aber auch Lehrlinge und Arbeiter, und er versuchte, ihnen dieses Ideal, das er »gesehen« hatte, näherzubringen. Es war sehr schwierig. Manche hielten ihn für überspannt und übertrieben, da er von Anfang an weite Horizonte dieser Arbeit zeichnete, anderen war es suspekt; sie sagten, daß er nur junge Menschen an sich binden wolle. Er erzählte später von einer bestimmten Gelegenheit bei der er Jugendliche zu einem Treffen eingeladen hatte, zu dem aber nur drei kamen. Als Abschluß dieser Zusammenkunft hielt er trotz der geringen Teilnehmerzahl eine Andacht vor dem ausgesetzten Allerheiligsten. Beim Segen »sah« er mit seinem geistigen Auge hinter den dreien Tausende und Abertausende Jugendliche in der ganzen Welt. Auch das war ein »Traum«. Dieser »Traum« hat – wie gesagt nach unzähligen Mühen, auch vielen Enttäuschungen und Schwierigkeiten aller Art – nach den fünfziger Jahren allmählich Gestalt angenommen. Er hat sich verwirklicht. Das Opus Dei hat sich in der ganzen Welt ausgebreitet, es gehören ihm tatsächlich »Weiße, Schwarze, Gelbe, Rote«, Angehörige aller möglichen Berufe, Männer und Frauen, Verheiratete und Unverheiratete, Priester und Laien an. In manchen Ländern ist es mit einer unglaublich großen Fruchtbarkeit sehr schnell gewachsen, in anderen ging es langsamer, oft auch unter Verfolgungen, immer aber war es fruchtbar.

In den ersten Zeiten widmete sich der Gründer des Opus Dei ganz besonders der Arbeit mit Universitätsstudenten. Schon in den dreißiger Jahren richtete er trotz größter finanzieller Probleme ein erstes Kultur- und Studentenzentrum in Madrid ein, das in den letzten Tagen des Spanischen Bürgerkrieges total zerstört wurde. Das Ziel seiner Arbeit war, die jungen Menschen zur Entdeckung des Evangeliums zu führen und ihnen zu zeigen, wie sie dem Ruf Gottes in ihrem Leben mit Gebet, Studium, Opferbereitschaft und Liebe zu den anderen entsprechen konnten. Er zeigte ihnen von Anfang an die große Verantwortung auf, die ihnen als Christen zukam, und hielt sie dazu an, ihre Freunde anzusprechen. Sehr bald übertrug er ihnen leitende Aufgaben in der apostolischen Arbeit. Durch den Spanischen Bürgerkrieg kam es zu einem unfreiwilligen Stillstand. Der Gründer war zunächst versteckt, später ist er zusammen mit einigen anderen unter großen Gefahren geflohen. Nach dem Ende des Bürgerkrieges nahm er sofort wieder die apostolischen Tätigkeiten auf. Er begann, die jungen Leute sehr bald in alle größeren Städte Spaniens zu schicken, und baute mit ihnen zusammen die apostolische Arbeit auf. Sie beruhte in einer Hinführung zur Nachfolge Christi im Alltag, zu einem intensiven Gebets- und sakramentalen Leben und zum apostolischen Einsatz.

Überall wurde sofort auch mit Jugendlichen begonnen, zunächst vor allem mit Studenten. Josemaría Escrivá hatte an erster Stelle den Aufbau des Werkes bzw. des Apostolates im Auge. Dafür waren vor allem Leitungskräfte nötig, deshalb der Beginn mit Studenten. Wenn sie entsprechende menschliche Qualitäten mitbrachten und eine echte Hingabe an Gott ohne falsche Kompromisse lebten, konnte eine seelsorgliche Arbeit auf breiter Basis entstehen. Sehr bald wendeten sich die Tätigkeiten auch anderen Milieus zu, bei Arbeitern, in Elendsvierteln oder im landwirtschaftlichen Bereich.

Da die jungen Familien den Wunsch hatten, ihren Kindern – trotz fortschreitender Säkularisierung in vielen Ländern und Ineffizienz vieler öffentlicher Schulen im Hinblick auf die Wertevermittlung – eine gediegene menschliche und christliche Ausbildung zuteil werden zu lassen, entstanden in vielen Ländern durch die gemeinsame Bemühung von christlichen Eltern und christlichen Lehrkräften neue Privatschulen. Manche sind offiziell der geistlichen Leitung des Opus Dei anvertraut – dort ist das Opus Dei für die Seelsorge verantwortlich –, andere Schulen werden von privaten Vereinigungen getragen, die durch einzelne Mitglieder des Opus Dei zusammen mit anderen, am gleichen Ziel der Vermittlung einer christlichen Ausbildung Interessierten gebildet wurden. Der Gründer des Opus Dei hat vielerorts zu solchen Initiativen ermutigt und in vielen Ländern ist ein ganzes Netz von Privatschulen mit christlichem Geist entstanden.

Anfang der siebziger Jahre wurden an vielen Orten Jugendclubs eingerichtet, in denen Kinder und Jugendliche Möglichkeiten zur Studienbegleitung und Freizeitgestaltung, zu kreativen Tätigkeiten und zur Fortbildung finden und gleichzeitig auch religiöse Impulse empfangen.

Es entstanden in den verschiedenen Ländern je nach Bedürfnis unterschiedlichste Einrichtungen: Schulen und Ausbildungsstätten für Tourismus, Landwirtschaft, Sport, Textil, Technik …

In den sechziger Jahren wurden auf das kräftige Drängen des Gründers des Opus Dei auch Universitäten und andere Hochschuleinrichtungen gegründet, um unter Wahrung der Freiheit der Forschung in allen Bereichen Ausbildungsmöglichkeiten zu schaffen, die von einem wahren christlichen Geist geprägt und getragen sind.

Der Kern des Apostolates ist immer derselbe geblieben. Das Opus Dei versucht in Menschen aller Altersstufen, in Angehörigen aller sozialen Klassen und aller Berufe, die mit einem christlichen Leben im Einklang stehen, das Bewußtsein zu wecken, daß jeder Mensch, jeder Getaufte und Gefirmte dazu berufen ist, lieben zu lernen: Gott und die anderen, auch sich selbst, denn wir sind Abbild Gottes. Das Opus Dei hat sich nie darauf beschränkt, nur eine bestimmte Altersgruppe anzusprechen. In der Kindheit und in der Jugend wird freilich das spätere Leben grundgelegt, auf ihnen liegt die Hoffnung der Zukunft. Deshalb ist die Arbeit für sie vorrangig.

Der Gründer des Opus Dei hat immer die Erziehung zu verantwortungsvoller Freiheit betont und damit auch hervorgehoben, daß jeder einzelne von Gott persönlich angesprochen ist und nur persönlich die Antwort auf Gottes Rufen geben kann. Er hat dies immer Eltern klar gemacht, wenn diese dem Opus Dei angehörten, daß sie ihren Kindern Freiheit gewähren, diese selbst den Weg finden und sich entsprechend entscheiden lassen. Er hat freilich auch betont daß jeder junge Mensch in der Frage der Berufswahl und der Berufungsentscheidung, auch in der Partnerwahl frei ist. Wenn es manchmal bei Eltern Konflikte gab, weil sie nicht gerne sahen, daß ein Sohn oder eine Tochter sich dazu entschloß, dem Opus Dei beizutreten, dann hängt das zum einen wohl damit zusammen, daß es in der ganzen Geschichte der Kirche von ihren Anfängen bis auf den heutigen Tag immer solche Eltern gegeben hat, manchmal auch fromme und gute, die sich schwergetan haben, die Berufung eines oder mehrerer Kinder zu akzeptieren. Thomas von Aquin wurde bekanntlich von seiner gräflichen Familie sogar gekidnappt und ein ganzes Jahr auf einer Burg gefangen gehalten, weil er nicht dem Wunsch seines Vaters entsprechend Benediktiner geworden war, sondern sich der Gemeinschaft der Dominikaner angeschlossen hatte; Dominikaner waren damals als vagabundierende Prediger verschrien. Auch beim Opus Dei mag es manchmal übereilte, zu wenig abgesprochene Schritte gegeben haben. Fehler können überall vorkommen. Nach dem Geist des Gründers wird im Opus Dei auf genaues Kennenlernen und eine relativ lange Zeit der Prüfung großen Wert gelegt, abgesehen davon, daß die definitive Eingliederung in das Opus Dei erst nach einer langen Zeit der Bewährung geschieht. »Gott kann man nur in Freiheit lieben«, sagte der selige Josemaría immer wieder.

Zusammenfassend kann gesagt werden: Das Opus Dei sieht seine Aufgabe darin, Menschen aller Altersstufen bewußt zu machen, daß Gott sie anspricht und daß jeder Getaufte und Gefirmte dazu angehalten ist, an dem Platz, an den ihn die Vorsehung Gottes und die eigene Entscheidung gestellt hat, die Berufung als Christ zu leben. Das Opus Dei führt die Jugendlichen altersgemäß zu einer bewußten Beziehung zu Gott, zu einer bewußt christlichen Lebensgestaltung und zur Wahrnehmung der eigenen Verantwortung, auch im Sinne des Apostolates. Es empfiehlt die in der Tradition der Kirche bewährten Mittel, um ein gottverbundenes Leben zu führen: Gebet, Empfang der Sakramente, Bemühung um ein entsprechendes Tugendleben, Kampf gegen die eigenen Fehler; vor allem eine echte Nächstenliebe und die Erfüllung der »Standespflichten«, der Pflichten also, die mit dem eigenen Beruf und dem Leben in der Familie und im gesellschaftlichen Umfeld verknüpft sind. Dies wird nur gelingen, wenn junge Menschen auf Persönlichkeiten stoßen, die das vorleben, und sie sich in Freiheit dazu entschließen, in die Christusnachfolge einzutreten.

In vielen Ländern ist es gelungen, gerade für viele junge Menschen eine breite Basis zu schaffen, die vor allem durch viele Familien und die in den letzten Jahrzehnten geschaffenen Einrichtungen gebildet wird.

Das Opus Dei scheut sich nicht, die Herausforderungen des Glaubens auch heute mit aller Klarheit darzulegen. Gleichzeitig bietet es die nötigen Hilfen an. Den jungen Menschen gilt es, alle Aufmerksamkeit zuzuwenden. Johannes Paul II. sagt es landauf, landab: sie sind die »Hoffnung der Kirche«.

Aus dem Buch "Profile einer Gründergestalt", César Ortiz (Hrsg.), Köln 2002