Die ersten Jahre

Die Jahre 1928, 1929, 1930... Der hl. Josefmaria musste den göttlichen Willen erfüllen. Die Aufgabe war gewaltig, und der junge Priester verfügte weder über finanzielle Mittel noch über ausgebildete Mitarbeiter oder über reiche Gönner.

Die Jahre 1928, 1929, 1930... Der hl. Josefmaria musste den göttlichen Willen erfüllen. Die Aufgabe war gewaltig, und der junge Priester verfügte weder über finanzielle Mittel noch über ausgebildete Mitarbeiter oder über reiche Gönner.

Es gab keine anerkannte kirchliche Tradition, auf die er sich hätte stützen können. So einfach der Gründungsgedanke war, würde er doch nur schwer zu vermitteln sein. Gewiß fehlte es ihm weder an Optimismus noch an der unerschütterlichen Überzeugung, daß dieses Neue wirklich ein Werk Gottes war. Er stützte sich auf das Gebet und das Opfer und er bat die Armen und Kranken, die er betreute, immer wieder darum, ihre Leiden für jenes Anliegen aufzuopfern. Dennoch waren die Schwierigkeiten groß.

In einer Straßenbahn

Es war etwa Mitte Oktober 1931, als Josefmaria unterwegs in der Straßenbahn ein unvergleichliches Gebet wie zum Geschenk erhielt. »Ich spürte das Wirken des Herrn, der mit der unwiderstehlichen Kraft einer absoluten Notwendigkeit in meinem Herzen und auf meinen Lippen diese zärtliche Anrede formte: Abba! Pater! (…). Wahrscheinlich habe ich diese Worte laut ausgerufen. Und ich lief ziellos durch die Straßen von Madrid, vielleicht eine Stunde lang, vielleicht auch zwei, ich vermag es nicht zu sagen. Die Zeit verging, ohne daß ich mir dessen bewußt wurde. Man mußte mich für verrückt halten. Mit Augen, die nicht die meinen waren, sah ich diese überwältigende Wahrheit, die fortan in meinem Herzen glühte, um nie wieder zu verlöschen.«

María Ignacia García Escobar, die 1932 zum Opus Dei kam.

Schon zuvor war sein inneres Leben von kindlichem Gottvertrauen geprägt gewesen, doch nun erkannte er die unergründliche Tiefe des Geheimnisses von der Gotteskindschaft in Christus Jesus. »Ich begriff, daß die Gotteskindschaft ein grundlegender Charakterzug unserer geistlichen Botschaft werden mußte: Abba, Pater! Und daß das Bewußtsein ihrer Gotteskindschaft meine Söhne und Töchter mit Freude und Frieden erfüllen und mit einem unüberwindlichen Schutzwall umgeben würde; sie würden sich als Apostel dieser Freude fühlen und an ihre Mitmenschen selbst in Zeiten des Leidens – ihres eigenen oder des Leidens anderer – ihren Frieden weitergeben können. Aus diesem einen Grund: weil wir überzeugt sind, daß Gott unser Vater ist.«

Er widmete sich auch weiterhin seinem Dienst an den Armen und Kranken und suchte in ihrem Gebet und in ihren Leiden, die sie Gott aufopferten, die Kraft, Gottes Pläne zu verwirklichen. José María Somoano, einer der Priester, der ihn bei der Betreuung der Schwerkranken unterstützte, hatte sich dem Opus Dei angeschlossen, ebenso ein junges Mädchen, das an Tuberkulose erkrankt war, María Ignacia García Escobar, die kurze Zeit später starb.

Drei, dreihundert, dreihundertausend...

1933 hatte er bereits eine Gruppe von Studenten um sich gesammelt. Er traf sich mit ihnen, sooft er nur konnte, und brachte ihnen bei, Jesus leidenschaftlich zu lieben. Ihre gemeinsamen Spaziergänge führten sie nicht selten in ein Lokal namens El Sotanillo, wo er ihnen bei heißer Schokolade seine großen Träume vom Apostolat inmitten der Welt erläuterte. Gerne gab er ihnen Bücher über das Leben und Sterben des Herrn mit nach Hause. In einen dieser Bände, den er einem jungen Mann schenkte, schrieb er die Widmung:

Der heilige Josemaría mit Bewohnern der Akademie DYA.

+Madrid, 29-V-33

Christus suchen.

Christus finden.

Christus lieben.

Er forderte die Studenten auf, mit ihm gemeinsam die Armen und Kranken zu besuchen und ihnen kleine Dienste zu erweisen. Er organisierte Katechesen in den Elendsvierteln, damit sich die jungen Leute dort den Bedürftigen widmeten. Dann war es soweit, sie bei regelmäßigen Zusammenkünften vollständig und systematisch im Geist des Opus Dei zu unterrichten. Er hatte vielen von ihnen den ersten Termin genannt. Das Treffen sollte in einem von Schwestern geführten Krankenhaus stattfinden. Doch nur drei kamen. Dennoch war er zufrieden. Nach der Veranstaltung ging er mit ihnen in die Kapelle und erteilte den eucharistischen Segen. »Ich segnete diese drei … und dabei sah ich dreihundert, dreihunderttausend, dreißig Millionen, drei Milliarden … Weiße, Schwarze, Gelbe, in allen Farben und Kombinationen, die die menschliche Liebe hervorbringen kann. Und doch habe ich mich geirrt, denn der Herr ist noch unendlich viel großzügiger gewesen.«

Gott und Kühnheit

1930 hatte Isidoro Zorzano, ein junger Ingenieur, der gemeinsam mit Josefmaria in Logroño zur Schule gegangen war, um die Aufnahme ins Opus Dei gebeten. Andere waren ihm gefolgt. Nun wurde dem Gründer bewußt, daß er eine Bildungseinrichtung benötigte, die den apostolischen Aktivitäten der Mitglieder einen Rahmen und eine einheitliche Form geben würde. Eine von christlichem Geist getragene weltliche Institution sollte die Basis der apostolischen Tätigkeit werden. So entstand 1933 die Akademie DYA. Sie hatte ihren Sitz in einer Wohnung in Madrid, und das Bildungsangebot enthielt Kurse in Jura und Architektur, daher das Kürzel DYA: Derecho y Arquitectura. Doch für den Gründer und seine jungen Mitarbeiter hatten diese drei Buchstaben einen tieferen Sinn: Dios y audacia – Gott und Kühnheit. Und Kühnheit brauchten sie. Wirtschaftlich gesehen war es ein Wunder, daß die Akademie sich halten konnte.

Tatsächlich war es mehr als nur ein akademisches Zentrum: es war ein Ort christlicher Bildung für Studenten. Diese Bildung war ganz auf eine persönliche Identifizierung mit Jesus Christus hin ausgerichtet. In Josefmarias Sprechzimmer hing ein schwarzes Holzkreuz ohne Corpus. Wenn ihn jemand fragte, was dies zu bedeuten habe, so antwortete er stets: »Es wartet auf seinen Gekreuzigten, und dieser Gekreuzigte sollst du sein.«

Das erste Studentenheim

Für das nächste Semester 1934/35 hatte der heilige Josefmaria einen weiteren Schritt geplant: die Akademie sollte in eine größere Wohnung umziehen, die auch einigen Studenten Unterkunft bieten würde. Wirtschaftlich betrachtet konnte die Situation nur als hoffnungslos bezeichnet werden. Er bat alle um ihr Gebet und vertraute ansonsten der Vorsehung Gottes. Und tatsächlich: Zu Beginn der Vorlesungszeit öffnete die Akademie ihre Pforten in der Ferraz-Straße. Nicht ein Wunder hatte das möglich gemacht, sondern viel Leid, Gebet und Gottvertrauen. Deo omnis gloria! – Gott allein die Ehre, betete der heilige Josefmaria.

Im Juli 1935 bat Álvaro del Portillo, ein brillanter Student und angehender Ingenieur, um die Aufnahme ins Opus Dei. Er sollte später Josefmaria Escrivás engster Mitarbeiter und nach dem Tod des Gründers sein Nachfolger an der Spitze des Opus Dei werden.

Inzwischen wurde das Leben in Spanien zusehends gefährlicher. Die antireligiöse Haltung gewisser extremistischer Gruppen machte sich in einer immer offeneren und brutaleren Kirchenverfolgung Luft.