Leidensgeschichte als Liebesgeschichte

«Der christliche Glaube kann sogar eine Krebskrankheit in eine Liebesgeschichte verwandeln», notierte Toni im Jahr 1985. Er konnte nicht ahnen, dass er wenige Monate später selber Krebs bekam und vor die Herausforderung gestellt wurde, den Tatbeweis für seine Überzeugung zu erbringen …

Toni und Don Alvaro in Zürich, August 1989

Im Jahr 1985 brachte Toni Zweifel einen nicht alltäglichen Gedanken zu Papier: „Das Böse“, notierte er, „besteht nicht darin, dass einer krebskrank wird, sondern dass seine Beziehung zu Gott nicht tief genug reicht, um auch die Krankheit in etwas Positives zu verwandeln. Das einzig Böse: die Sünde. [...] Der christliche Glaube – eine lebendige Beziehung zu Gott – kann sogar eine Krebskrankheit in eine Liebesgeschichte verwandeln.“

Toni befand sich im Zenit seiner Schaffenskraft. Er konnte nicht ahnen, wie bald er selbst sich in der Lage des Krebspatienten wiederfinden sollte. Wenige Monate später nämlich brach eine Leukämie in ihm aus, die wenig Hoffnung auf Heilung bot. Es folgten aggressive Chemotherapien mit stark belastenden Nebeneffekten.

«Alles wird zum Guten führen»

Vom ersten Augenblick an richtete Toni sein ganzes Bestreben darauf, sich mit dem Leiden Christi zu vereinen, ganz so, wie er es vom hl. Josefmaria Escrivá gelernt und in manchen Widerwärtigkeiten auch schon früher getan hatte. Jetzt wollte er Jesus am Kreuz erst recht nicht allein lassen, sondern ihn begleiten, mit ihm mitfühlen und an seiner Erlösung teilhaben. „Beten und Opfern“ wurden während der Spitalaufenthalte zu seiner Hauptbeschäftigung. „Gesund oder krank sein“, schrieb er noch wenige Monate vor seinem Tod, „ist für unser Leben weniger bestimmend, als wie es mit unserer Beziehung zu Gott steht. Sie ist das Einzige, was zählt und auch in der Krankheit glücklich macht.“ Und: „Was auch immer geschehen mag, ich weiß, dass es zum Guten führen wird.“

Durch das Leiden noch näher zu Gott

Im Dezember 1986, 10 Monate nach dem Ausbruch der Leukämie, wollte es fast scheinen, Toni sei wieder gesund geworden. Da spürte er deutlich die Gefahr, an Gottesnähe zu verlieren. Um das zu verhindern, rief er sich den früheren Zustand öfter in Erinnerung. In schwierigen beruflichen Angelegenheiten fragte er sich manchmal unvermittelt: „Aber Toni, hast du für den guten Ausgang dieser Sache auch genug gebetet?“ Worauf er sich erwiderte: „Ja, schon – als ich krank war...“, um sich selbst gleich darauf – halb im Ernst, halb im Scherz – zu mehr Gebet anzuspornen: „Zwingen wir den Herrn nicht, mir einen weiteren Schlag zu versetzen, damit ich ein Bisschen mehr bete!“

Als Jahre später dann doch der erste Rückfall kam, verstand ihn Toni in der Tat als Aufforderung zu intensiverem Beten: Er würde ihm helfen, „zu ernsteren Dingen zurückzukehren und mehr zu beten.“ Und er nahm sich fest vor, auch nach der Entlassung aus dem Spital so weiterzufahren, wenn er wieder mitten in der Arbeit stecken würde.

Eng verbunden wusste er sich mit dem seligen Alvaro del Portillo, dem Prälaten des Opus Dei. Für ihn und seine Anliegen brachte er Gott manche Schmerzen und Unannehmlichkeiten dar. Als dieser 1988 gerade Amerika bereiste, schrieb er ihm: „Ich habe mir ein Kindergebet zusammengeschustert; wenn ich nachts aufwache, singe ich es innerlich, um Sie mitten in Ihrem amerikanischen Nachmittag zu begleiten.“

Toni war sich darüber hinaus klar bewusst, dass er in diesem „Ausnahmezustand“ anderen Menschen in ihrem Glauben eine besondere Stütze und Ermutigung sein konnte. Eine große Zahl von Besuchern fand sich an seinem Krankenbett ein. Weit entfernt davon, nach Mitleid zu heischen, kümmerte er sich um ihre Angelegenheiten und Probleme. Oft nutzte er die Situation, um „sofort in die Tiefe zu gehen und von Gott zu sprechen“. Manche wurden dadurch zu einer neuen, vertieften Beziehung zu Gott geführt.

„Jesus wählte ein schlimmeres Los“

Toni dachte in seiner Lage immer an das bewusst erlittene Schicksal Jesu am Ende seines Lebens. Dieser Vergleich half ihm, seine Krankheit nicht so wichtig zu nehmen: „Aus Liebe zu uns hat Gott mit der Menschwerdung auch den Tod am Kreuz gewählt; wäre das Leiden an Leukämie ein größerer Beweis seiner Liebe gewesen, er hätte dieses gewählt …“ Er war denen, die für ihn beteten, sehr dankbar; doch überließ er es dem Herrn, wie viele dieser Gebete ihm selbst zugutekommen und wie viele dagegen – so drückte er sich aus – „für viel schwerwiegendere und wichtigere Anliegen abgezweigt werden“ sollten.

In März 1989 schrieb er wieder an Bischof del Portillo. Er berichtete ihm von seinen Kontakten mit allerlei befreundeten Personen und schloss diese Ausführungen mit der Bemerkung: „Sie sehen: ‚Ich genieße das Leben’. Ich versuche, Ihnen immer näher zu sein, indem ich von diesem Schatz profitiere, den ich besitze und der zurzeit bloß in etwas mehr Müdigkeit besteht.“ Del Portillo bemerkte dazu in einer Randnotiz: „Und dabei weiß er, dass seine Krankheit im Endstadium ist und in jedem Moment der Zusammenbruch kommen kann.“ Wenige Tage vor dem Tod erlitt Toni eine Hirnblutung. Er konnte deswegen zeitweise nicht mehr sprechen, obwohl sein Denken völlig intakt blieb. Er trug es mit viel Gleichmut und scherzte: „Der Computer läuft noch, aber der Drucker macht nicht mehr mit.“

„Eine Liebesgeschichte“

Am frühen Morgen des 24. November 1989 erlag Toni seinem langen Leiden. Wenige Minuten vor dem letzten Atemzug verabschiedete er sich mit einer Handbewegung von den Zweien, die ihn am Sterbebett begleiteten. In den Tagen zuvor hatte er einer Vertrauensperson mehrmals versichert, sein Leben sei „eine Liebesgeschichte mit Gott“ gewesen. Er habe zu einer wunderbaren Innigkeit mit ihm gefunden, und darob sei er tief bewegt und sehr dankbar.

Toni beendete sein Leben in der Gewissheit, das eigentliche Glück erfahren zu haben: nicht bloß jenes, das der Mensch sich selber verschafft und das im Leiden zerbricht, sondern jenes, das von Gott stammt und im Leiden erst zu seiner ganzen Vollendung gelangt.